Strittige Szenen am 27. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 27. Spieltag hat er sich sechs Szenen einmal genauer angeschaut.

Szene 1: Nach einem Freistoß von Ronny Garbuschewski legt Marco Kofler auf Stephan Andrist ab – dieser trifft zum 1:0 für Rostock. Cottbus reklamiert auf Foulspiel beim Zuspiel von Kofler, Schiedsrichter Florian Badstübner gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Der Rostocker Angreifer springt robust, aber im Bereich des Erlaubten zum Kopfball und begeht dabei kein Foulspiel. Dabei gilt sein Einsatz nur dem Ball und keinesfalls dem Gegenspieler. Der Verteidiger kommt zwar spektakulär zu Fall, aber hier wäre ein anderes Abwehrverhalten ratsam gewesen. Derartige Zweikämpfe sind fußballtypisch. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, dieses Luftduell laufen zu lassen.

Szene 2: Sven Michel (Energie Cottbus) wird nach einem langen Ball von zwei Abwehrspielern im Strafraum in die Zange genommen, wodurch er zu Fall kommt. Die Pfeife von Schiedsrichter Badstübner bleibt aber stumm. [TV-Bilder – ab Minute 4:10]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht optimal, jedoch ist die Situation äußerst schwierig zu beurteilen, da hier zwei Verteidiger und ein Stürmer sehr eng beieinander im Laufduell sind. Zudem muss der Schiedsrichter sowohl unten die Fußvergehen wie auch oben die Haltevergehen gleichzeitig sehen und ahnden können. Ein Vergehen des "in die Zange nehmen" liegt hierbei nicht vor, jedoch trifft Gardawski dem Angreifer von Cottbus, Michel, auf den Fuß, wodurch dieser im Strafraum zu Fall kommt und am Weiterlaufen gehindert wird. Hier hätte es Strafstoß für Cottbus geben müssen – somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 3: Nach einem Schuss von Philipp Hoffmann (Preußen Münster) wehrt Nils Röseler (Chemnitzer FC) den Ball mit dem Oberkörper ab, Schiedsrichter Daniel Schlager entscheidet auf Elfmeter für Münster. [TV-Bilder – ab Minute 4:55]

Babak Rafati: Der Verteidiger bekommt den Ball aus kurzer Distanz an die Brust geschossen. Der Schiedsrichter steht gut und der Assistent hat sogar eine freie Sicht und den besten Blickwinkel, sodass er  hier dem Schiedsrichter sehr gut hätte helfen können. Ob eine Kommunikation zwischen den beiden erfolgt, kann man nicht erkennen. Natürlich liegt hier kein Handspiel vor und somit ist die Entscheidung, auf den Punkt zu zeigen eine falsche Wahrnehmung. Folglich liegt eine Fehlentscheidung vor. Sicherlich hat hierbei auch die Armhaltung des Verteidigers Röseler den Schiedsrichter etwas irritiert.

Falls der Assistent den Vorgang genau beobachtet hat, kann er den Schiedsrichter auch nach dem Pfiff in der Spielunterbrechung auf den Irrtum hinweisen, solange das Spiel nicht fortgesetzt ist. Das Spiel würde dann mit einem Schiedsrichter-Ball an dem Ort zum Zeitpunkt des Pfiffs fortgesetzt werden.

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Szene 4: Nach einer weiten Hereingabe von Sebastian Tryrala steht Jannis Nikolaou (Rot-Weiß Erfurt) frei im Strafraum und köpft zum 2:1 ein – Aue reklamiert auf Abseits, Schiedsrichter Benjamin Brandt gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 5:45]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Zuspiels (Ballabgabe) von Tyrala in den Strafraum von Aue steht kein Angreifer von Erfurt im Abseits. Der Verteidiger von Aue läuft einen Moment zu spät heraus. Wäre der Verteidiger früher heraus gelaufen, müsste man darüber diskutieren, ob der Angreifer hinter dem Torschützen Nikolaou in das Spiel eingreift oder nicht. Dieser Sachverhalt erübrigt sich allerdings. Hier liegt eine richtige Entscheidung vor und diese Szene zeigt exemplarisch, wie sich die Positionen der Spieler innerhalb von wenigen Bruchteilen von Sekunden verändern können und sich für den Zuschauer darstellen.

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Szene 5: Gerrit Wegkamp (VfR Aalen) bringt den Ball zum 1:0 im Tor unter, Schiedsrichter Steffen Mix gibt den Treffer jedoch nicht, da der Ball zuvor im Toraus gewesen sein soll. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Ob der Ball im Spiel oder bereits im Toraus ist, kann mit den vorliegenden Fernsehbildern nicht endgültig aufgelöst werden. Der Ball ist im Aus, wenn er vollständig die Linie überschreitet. Die Schwierigkeit ist hier insbesondere, dass der Ball nicht am Boden ist, sondern kurz vor der Torlinie aufspringt und somit ein paar Zentimeter in der Luft ist und bei der anschließenden Flanke weiterhin in der Luft bleibt und in Form einer "Bogenlampe" in den Strafraum geflankt wird, sodass die Entscheidung des Schiedsrichterteams vorbehaltlos anerkannt werden muss.

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Szene 6: Amir Shapourzadeh (Würzburger Kickers) wird von Malte Moos (FSV Mainz 05 II) im Strafraum zu Fall gebracht, Schiri Justus Zorn gibt Elfmeter für Würzburg. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter bringt sich sehr gut durch einen kurzen Sprint in Position und hat eine optimale Sicht auf den Zweikampf. Der Assistent zeigt nach dem Sturz von Shapourzadeh sofort mit seinem linken Arm weiterspielen an, aber der Schiedsrichter entscheidet trotz optimaler Position sofort auf Strafstoß. Der Verteidiger macht überhaupt keine Anstalten, dass er seinen Gegenspieler foulen will. Er hat minimal seinen Arm im Laufduell im Einsatz, wobei das absolut fußballtypisch und nicht strafbar ist. Der Angreifer kommt spektakulär zu Fall. Hier hätte der Schiedsrichter weiterspielen lassen müssen, denn es liegt kein Foulspiel vor. Es handelt sich somit um eine Fehlentscheidung.

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