Strittige Szenen am 27. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Kaiserslautern, Meppen, Verl und Türkgücü, die Strafstöße für Dresden, Unterhaching, Duisburg und Ingolstadt, das Tor von Mannheim, sowie Foulspiele von Tobias Müller und Baris Atik. Am 27. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Hansa-Keeper Markus Kolke (Rostock) fängt einen Kopfball von Philipp Hercher (Kaiserslautern) ab, will dann das Spiel schnell machen und fährt gegen Elias Huth (Kaiserslautern) den Arm aus. Schiedsrichter Manuel Gräfe ahndet die Szene nicht. [TV-Bilder – ab Minute 58:35]

Babak Rafati: Nachdem Hansa-Keeper Kolke den Ball abgefangen hat, das Spiel schnell machen will und nach vorne läuft, um den Ball abzuwerfen, kommt es zu einem kleinen Zusammenprall mit Huth. Dabei fährt der Keeper den rechten Arm zwar unnötig aus, trifft ihn dabei aber nicht. Nur im Oberkörperbereich kommt es zum Kontakt, aber verschuldet durch einen unbeabsichtigten Zusammenprall, bei dem keinen der Beiden eine Schuld trifft. Somit liegt kein Schlag oder ein anderes ahndungswürdiges Vergehen von Kolke vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Nach einem Pass von Jean Zimmer (Kaiserslautern) läuft Anas Ouahim auf das Tor zu, wird dabei aber von Björn Rother (Rostock) bedrängt und kurz vor dem Strafraum zu Fall gebracht. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:27:00]

Babak Rafati: Ouahim wird kurz vor dem gegnerischen Strafraum angespielt und geht zum Ball. Dabei legt er sich das Spielgerät etwas vor, wobei ihm dieses ein wenig verspringt. Rother kommt hinzu und beim Versuch des Lautrer Angreifers, dem Ball hinterherzulaufen, kreuzt er selbst den Laufweg von Rother und kommt plötzlich zu Fall. Bei dieser Aktion ist Rother im normal-typischen Bewegungsablauf und begeht kein Foulspiel. Das ist ein sauberer Zweikampf. Ouahim kommt zu Fall, weil er den leichten Kontakt dankend annehmen will, da er erkennt, nach der verkorksten Ballannahme nicht mehr an den Ball zu kommen und dieser von einem Rostocker zur Ecke abgewehrt wird. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Im Strafraum kommt Bentley Baxter Bahn (Rostock) an den Ball und kommt im Duell mit Kevin Kraus (Kaiserslautern) zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Gräfe. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:15]

Babak Rafati: Bahn wird im gegnerischen Strafraum angespielt und will mit dem Rücken zum Tor zum Ball. Dabei kommt Kraus von hinten hinzu und will den Ball wegspitzeln, trifft jedoch überhaupt nicht den Ball, sondern nur Bahn klar in die Hacken und bringt ihn zu Fall. Der Fußtreffer ist Ursache für das Zufallkommen, sodass ein Foulspiel vorliegt. Eine Fehlentscheidung, diesen Strafstoß für Rostock nicht zu pfeifen.

Szene 4: Nach einem weitgeschlagenen Freistoß kommt Anil Gözütok (Kaiserslautern) im Strafraum an den Ball und kommt gegen Nico Neidhart (Rostock) zu Fall. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:11:00]

Babak Rafati: Bei einem Zweikampf im Strafraum von Rostock ist Gözütok zuerst am Ball und spielt diesen, bevor sein Gegenspieler Neidhart einen Moment zu spät kommt, ihn am Fuß trifft und schließlich zu Fall bringt. Das ist ein Foulspiel und es hätte einen Strafstoß für Kaiserslautern geben müssen. Auch hier liegt eine Fehlentscheidung vor, diesmal den Strafstoß für Kaiserslautern nicht zu pfeifen.

 

Szene 5: Christoph Daferner (Dresden) geht im Strafraum zum Ball und bringt diesen auf das Tor, kommt dabei aber im Duell mit Lars Bünning (Meppen) zu Fall. Schiedsrichter Dr. Robert Kampka gibt Elfmeter für Dresden. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball von der rechten Seite in den Strafraum von Meppen schießt Daferner das Spielgerät aus der Luft auf das gegnerische Tor. Bei dieser Schussbewegung trifft er anschließend Bünning in die Füße und kommt zu Fall. Bünning begeht überhaupt kein Vergehen, sodass das Zufallkommen des Angreifers aus der Ausholbewegung heraus passiert. Warum aber der Schiedsrichter auf Strafstoß entscheidet, ist nicht nachvollziehbar. Bünning wird sogar selbst getroffen, wenngleich auch das kein Foulspiel ist, also kein Stürmerfoul. Hier wäre es richtig gewesen, weiterspielen zu lassen. Eine Fehlentscheidung allerdings, einen Strafstoß für Dresden zu pfeifen.

Szene 6: Einen Schuss von Dejan Bozic (Meppen) bekommt Sebastian Mai (Dresden) im Strafraum an die Hand, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:56:35]

Babak Rafati: Nach einem Torschuss von Bozic dreht sich Mai im eigenen Strafraum aus kurzer Entfernung mit dem Rücken zum Schützen, um den Schuss zu blocken – dabei bekommt er den Ball an den Ellenbogen geschossen. Der Arm ist angelegt und nicht zuvor zur Vergrößerung der Körperfläche im Einsatz, sodass keine Absicht und somit kein strafbares Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 7: Eine Hereingabe von Dennis Jastrzembski (Mannheim) will Alexander Bittroff (Magdeburg) klären, trifft den Ball aber nicht. Anton Donkor (Mannheim) setzt nach und trifft, während Müller am Boden liegt. Schiedsrichter Konrad Oldhafer gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Bittroff will den Ball vor dem eigenen Tor klären, trifft diesen jedoch nicht richtig, sodass er das Spielgerät nicht entscheidend aus der Gefahrenzone bringen kann. Stattdessen schießt er den Ball ins Gesicht von Donkor, der anschließend den Ball ins Tor schießen kann. Die ganze Aktion von Donkor ist lupenrein und es liegt noch nicht einmal eine minimale Berührung vor, sodass Bittroff möglicherweise ein Foulspiel vortäuschen will und daher zu Fall kommt. Eine richtige Entscheidung, diesen Treffer für Mannheim anzuerkennen.

Szene 8: Dominik Martinovic (Mannheim) läuft mit Tempo auf das Tor zu und wird von Tobias Müller (Magdeburg) abgeräumt. Oldhafer belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:48:20]

Babak Rafati: Martinovic wird auf Höhe der Mittellinie auf der linken Seite angespielt und läuft mit vollem Tempo Richtung gegnerisches Tor los. Dabei kommt Müller hinzu, springt mit langem Bein in den Zweikampf und trifft Martinovic aus vollem Lauf und mit hoher Dynamik nicht nur in die Füße/Beine, sondern auf Höhe Schienbein/Knie und senst ihn förmlich um. Das ist eine brutale Spielweise, die in Kauf nimmt, die Gesundheit des Gegenspielers zu gefährden, sodass es Rot folgerichtig gewesen wäre. Eine Fehlentscheidung, nur die gelbe Karte zu zeigen. Zugegebenermaßen sieht man auf dem Platz die Höhe des Beines von Müller und die Intensität des Treffers nicht so gut, wie wir das im TV sehen können.

Szene 9: Der gelb-verwarnte Baris Atik (Magdeburg) geht rustikal in einen Zweikampf mit Anton Donkor (Mannheim), der Schiedsrichter belässt es bei einer Ermahnung. [TV-Bilder – ab Minute 1:50:35]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld spielt Atik zwar minimal den Ball, trifft aber klar und deutlich auch seinen Gegenspieler in die Beine und bringt ihn zu Fall. Die Art und Weise, wie er hineinspringt – scherenartig – und der daraus resultierende Fußtreffer, ist mindestens gelbwürdig. Mit solch einer Spielweise nimmt man billigend in Kauf, den Gegenspieler zu verletzen. Atik kann von Glück reden, dass er Donkor nicht voll trifft, sonst wäre eine rote Karte fällig gewesen. In dieser Szene hätte die gelbe Karte ausgereicht, was in der Folge allerdings zu einer gelb-roten Karte gegen Atik geführt hätte. Eine Fehlentscheidung, es bei einer Ermahnung zu belassen.

 

Szene 10: Nach einer weiten Flanke geht Aziz Bouhaddouz (Duisburg) vor dem Sechzehner zum Ball, wird dabei jedoch von Dennis Erdmann (1860) bedrängt und im Strafraum schließlich zu Fall gebracht. Schiedsrichter Patrick Kessel gibt Elfmeter für Duisburg, zudem sieht Erdmann glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Ein Paradebeispiel dafür, wie ein Schiedsrichter sich eine optimal gute Position durch richtiges Laufen erarbeiten kann, um dann aus einem bestmöglichen Blickwinkel eine richtige Entscheidung zu treffen. Zudem ist durch die Präsenz eine bestechende Glaubwürdigkeit gegeben, sodass es keine Proteste gibt. Aber der Reihe nach.

Nach einem langen Ball Richtung Strafraum von 1860 München ist Erdmann zunächst in einer besseren Position, allerdings erläuft sich Bouhaddouz den Ball und es kommt dann im Strafraum zum Zweikampf. Dabei steht der Verteidiger hinter dem Angreifer und hat seine bessere Position zum Ball verloren, sodass er nur noch durch ein klares Umklammern seinen Gegenspieler daran hindern kann, weiterzulaufen – dabei reißt er ihn zu Boden. Das ist unstrittig ein Foulspiel, sodass es einen Strafstoß gibt. Zudem ist die Aktion nicht ballorientiert, was bei Halten und Umklammerung naturgemäß niemals gegeben ist, sondern nur gegen den Gegenspieler gerichtet, sodass in diesem Fall die Dreifachbestrafung im Strafraum zieht. Rot, Strafstoß und Sperre im nächsten Spiel. Eine richtige Entscheidung, auf Strafstoß für Duisburg und Rot gegen Erdmann zu entscheiden.

 

Szene 11: Sören Reddemann (Halle) will einen Ball im eigenen Strafraum klären, berührt jedoch auch Nicolas Anspach (Haching) und bringt ihn zu Fall. Schiedsrichter Lars Erbst zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Im Strafraum von Halle gehen Reddemann und Anspach zum Ball und wollen beide vor dem Gegenspieler am Spielgerät sein und dieses behaupten. Dabei gehen beide mit gestrecktem Bein zum Ball und es kommt zu einem Kontakt. Allerdings trifft Reddemann entscheidend auch den Ball und klärt diesen, sodass kein Foulspiel vorliegt – von beiden nicht. Hier hätte der Schiedsrichter weiterlaufen lassen sollen. Eine Fehlentscheidung, einen Strafstoß für Unterhaching zu pfeifen.

 

Szene 12: Einen Schuss von Filip Bilbija (Ingolstadt) bekommt Boubacar Barry (Türkgücü) beim Wegdrehen an den Ellenbogen, Schiedsrichter Robin Braun gibt Elfmeter für Ingolstadt. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Beim Torschuss von Bilbija dreht sich Barry mit dem Rücken zum Schützen, nimmt dabei den Ellenbogen in abgewinkelter Form raus und bekommt den Ball an den Ellenbogen geschossen. Der Arm ist somit nicht angelegt, sodass man nicht von einer natürlichen Haltung sprechen kann und damit ein strafbares Handspiel (Vergrößerung der Körperfläche) vorliegt. Eine richtige Entscheidung, auf Strafstoß für Ingolstadt zu entscheiden. Als Gegenvergleich: Bei den Szenen 6 und 14 war die Armhaltung jeweils nicht strafbar, weil angelegt und somit keine Vergrößerung der Körperfläche vorliegt.

Szene 13: Sebastian Maier (Türkgücü) kommt im Strafraum im Duell mit Thomas Keller (Ingolstadt) zu Fall, Braun lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:19:40]

Babak Rafati: Maier passt den Ball im gegnerischen Strafraum weiter. Bei dieser Aktion kommt sein Gegenspieler Keller angelaufen, bleibt kurz vor Maier stehen und will nur den Ball blocken. Durch die Ausholbewegung von Maier, den Ball zu spielen, trifft er unmittelbar danach selbstverschuldet Keller in die Füße und kommt dadurch zu Fall. Somit liegt kein Foulspiel von Keller vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 14: Nach einer Flanke von Leandro Putaro (Verl) bekommt Jozo Stanic (Zwickau) den Ball im Strafraum an den Ellenbogen und fälscht ihn zur Ecke ab. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Wolfgang Haslberger. [TV-Bilder – ab Minute 1:59:30]

Babak Rafati: Bei der Flanke von Putaro von der Linksaußenposition in den gegnerischen Strafraum springt Stanic hoch und bekommt den Ball an den angelegten Ellenbogen und von da aus geht der Ball über die Linie ins Toraus. Die Flanke kommt aus kurzer Entfernung, zudem ist der Arm von Stanic angelegt und zuvor nicht zur Vergrößerung der Körperfläche im Einsatz. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, keinen Strafstoß für Verl zu pfeifen und das Spiel mit einem Eckball für Verl fortzusetzen.

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