Strittige Szenen am 26. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Treffer für Osnabrück, Rostock und Aalen, das 2:1 für Karlsruhe, das 1:1 für Osnabrück, das Foulspiel von Pourié, die verwehrten Elfmeter für Kaiserslautern, Cottbus, Aalen und Jena, das 1:0 für Lotte, der Strafstoß für Halle, das 2:0 für Rostock und der indirekte Freistoß für Jena: Am 26. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).[/box]

Szene 1: Der bereits gelbverwarnte Marvin Pourié (Karlsruher SC) foult im Mittelfeld. Eine Karte sieht er von Schiedsrichter Robert Hartmann nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:22:00]

Babak Rafati: Pourié geht sicherlich mit offener Sohle zu Werke und trifft seinen Gegenspieler am Fuß. Im normalen Bildablauf sieht es danach aus, dass keine Absicht vorliegt, sodass man dieses Vergehen ohne Karte durchgehen lassen kann. Sicherlich spielt für den Schiedsrichter auch eine Rolle, dass das Vergehen im Mittelfeld und zu Beginn der zweiten Halbzeit passiert.

Szene 2: Bei einer Ecke für den VfL Osnabrück gewinnt Adam Susac (VfL Osnabrück) im Zentrum einen Zweikampf gegen Marvin Wanitzek (Karlsruher SC), danach trifft Konstantin Engel zum 1:1. Karlsruhe reklamiert Foulspiel, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Wanitzek verschätzt sich im eigenen Strafraum. Susacs Einsatz beim Kopfballduell ist absolut regelgerecht und sauber, sodass der Schiedsrichter richtig entscheidet und das anschließende Tor korrekterweise anerkennt.

Szene 3: Bei einer Ecke fährt Daniel Gordon (Karlsruher SC) beim Hochspringen die Arme aus, trifft Konstantin Engel (VfL Osnabrück), bringt ihn dabei zu Fall und erzielt per Kopf das 2:1 für den KSC. Der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Gordons Bewegungsablauf ist absolut natürlich, diese Kontakte passieren im Spiel zig Mal, sodass man nicht von einem Foulspiel sprechen kann. Es erfolgt kein Schlag, Schieben oder Ähnliches. Angreifer und Verteidiger laufen sich insbesondere bei Standards in den Strafräumen frei und wehren sich. Eine richtige Entscheidung, den Treffer zu geben.

Szene 4: KSC-Keeper Sven Müller (Karlsruher SC) lässt den Ball fallen, Marcos Alvarez (VfL Osnabrück) zieht ab, Daniel Gordon (Karlsruher SC) schießt den Ball aus dem Tor heraus. Der Schiedsrichter entscheidet: kein Tor. [TV-Bilder – ab Minute 2:21:00]

Babak Rafati: Man sieht sehr gut, dass Gordon mit dem linken Fuß eindeutig hinter der Torlinie steht und den Ball mit diesem aus dem Tor heraus schießt. Auch wenn es für den Assistenten schwierig im normalen Ablauf zu sehen ist, gibt es in dieser Szene keine zwei Meinungen. Der Ball ist mit dem gesamten Umfang hinter der Torlinie und somit liegt eine Fehlentscheidung vor, den Treffer nicht anzuerkennen.

 

Szene 5: Pascal Breier (Hansa Rostock) köpft einen langen Ball in den Lauf von Merveille Biankadi, dieser überlupft 1860-Keeper Marco Hiller zum vermeintlichen 2:0. Schiedsrichter Tobias Reichel entscheidet auf Abseits. [TV-Bilder – ab Minute 38:45]

Babak Rafati: Aus den vorliegenden Bildern kann nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ob eine richtige oder falsche Entscheidung vorliegt, daher sollten wir die Entscheidung des Schiedsrichtergespanns akzeptieren. Ein Fall für den VAR in der Bundesliga, wo es die kalibrierten Linien gibt.

Szene 6: Sascha Mölders (1860 München) nimmt den Ball per Brust an und legt ihn rechts auf Daniel Wein ab. Hansa-Abwehrspieler Nico Rieble kommt heran und geht mit Schwung in den Zweikampf. Beide prallen zusammen, Wein fällt und Stefan Wannenwetsch leitet zum Konter ein, der zum 2:0 für Rostock führt. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Rieble spielt im Mittelfeld nur den Ball, anschließend kommt es zu einem normalen Zusammenprall zwischen ihm und Wein. Hier liegt kein Foulspiel vor und daher eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen – auch wenn Wein zu Boden geht.

 

Szene 7: Antonio Jonjic (1. FC Kaiserslautern) wird im Strafraum von Robin Scheu (Fortuna Köln) zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Florian Badstübner. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:45]

Babak Rafati: Scheu reißt Jonjic im Laufduell klar am Arm und bringt ihn zu Fall. Auch unten bearbeitet er ihn und trifft ihn sowohl mit dem Fuß als auch nach dem Herunterreißen hinten in die Hacken. Der Schiedsrichter hat eigentlich gute Sicht auf das Geschehen. Das ist unzweifelhaft ein Foulspiel, was zweimal für einen Strafstoß ausreichen würde. Daher liegt eine klare Fehlentscheidung vor, keinen Strafstoß für Kaiserslautern zu pfeifen.

Man könnte jetzt mutmaßen, dass dem Schiedsrichter vielleicht noch durch den Kopf ging, dass er kurz zuvor einem Kölner Spieler im Mittelfeld im Weg stand, unfreiwillig einen Gegenangriff einleitete und somit nicht voll konzentriert war.

 

Szene 8: Fabien Tchenkoua (Carl Zeiss Jena) erhält einen Steilpass und wird von Benjamin Kessel (Eintracht Braunschweig) im Strafraum zu Fall gebracht. Schiedsrichter Nicolas Winter lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht sehr gut und zeigt sofort an, dass der Ball gespielt wurde. Allein an der Ballrichtung kann man sehr gut erkennen, dass Tchenkoua den Ball nicht dorthin spielen würde, sondern vielmehr Kessel den Ball geklärt hat. Wenn wir uns daran orientieren, ist das eine sehr gute Hilfe. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 9: Nach einem Zuspiel verpasst Jena-Stürmer Philipp Tietz (Carl Zeiss Jena) den Schuss per Hacke im Fünf-Meter-Raum. Der Ball rutscht durch und Niko Kijewski (Eintracht Braunschweig) blockt die Kugel zwei Meter vor der Linie. Der Ball springt BTSV-Keeper Jasmin Fejzic in die Arme, der ihn aufnimmt – indirekter Freistoß. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Das ist natürlich alles andere als ein Rückpass, denn Kijewski rettet in letzter Sekunde mit dem Fuß und verhindert, dass der Ball die eigene Torlinie überschreitet. Dabei kann er im Rückwärtslaufen überhaupt nicht kontrollieren, wohin er den Ball spielt. Weiterspielen wäre die richtige Entscheidung, somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

 

Szene 10: Bei einem Zweikampf mit Kai Gehring (Sonnenhof Großaspach) geht Streli Mamba (Energie Cottbus) im Strafraum zu Boden und fordert einen Elfmeter. Schiedsrichter Benedikt Kempkes lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:49:45]

Babak Rafati: Gehring spielt im eigenen Strafraum minimal den Ball und berührt vielleicht auch minimal Mamba. Das reicht jedoch niemals für einen Strafstoß aus, auch wenn sich Mamba derartig fallen lässt. Eine richtige Entscheidung vom Schiedsrichter, weiterspielen zu lassen. Zudem gut gelöst, Mamba noch ein paar klare Worte mit auf den Weg zu geben.

 

Szene 11: Nach einer Vorlage von Luca Schnellbacher trifft Matthias Morys zum 1:1 für den VfR Aalen. Schiedsrichter Justus Zorn gibt den Treffer aufgrund einer vermeintlichen Abseitsstellung jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: So etwas darf natürlich nicht passieren. Morys steht nicht im Abseits, das Tor für Aalen hätte zählen müssen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass ein Angreifer von Aalen, der im Abseits steht und räumlich am nächsten zum Assistenten steht, den Assistenten irritiert und er dadurch den Verteidiger nicht mehr sieht oder wahrnimmt. Natürlich greift der Mitspieler von Morys nicht ins Spielgeschehen ein. Eine Fehlentscheidung, das Tor nicht zu geben.

Szene 12: Fabian Menig (Preußen Münster) bringt Patrick Funk (VfR Aalen) im Strafraum zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 51:45]

Babak Rafati: Menig spielt im eigenen Strafraum den Ball und trifft Funk erst, nachdem er den Ball gespielt hat, am Fuß. Somit ist alles regelgerecht und eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 13: Bei einem Zweikampf zwischen Jan Holldack (KFC Uerdingen) kommt Braydon Manu (Hallescher FC) zu Fall und erhält von Schiedsrichter Harm Osmers einen Elfmeter, den der HFC zur 1:0-Führung verwandelt. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat eine sehr gute Sicht und entscheidet auf Strafstoß für Halle. Man sieht, wie Manu ganz leicht von Holldack bearbeitet wird und er das zum Anlass nimmt, um sich dankend fallen zu lassen. Das ist ein Schinden und reicht bei Weitem nicht für einen Strafstoß aus. Eine Fehlentscheidung, Elfmeter für Halle zu pfeifen.

 

Szene 14: Nach einem Kontakt von Julius Reinhardt (FSV Zwickau) geht Toni Jovic (Sportfreunde Lotte) zu Boden. Schiedsrichter Patrick Hanslbauer gibt Freistoß, aus dem das 1:0 für Lotte fällt. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Reinhardt und Jovic ist kein Foulspiel zu sehen, sodass es richtig gewesen wäre, auf den Faller von Jovic nicht einzugehen und weiterspielen zu lassen. Eine Fehlentscheidung, einen Freistoß für Lotte zu pfeifen.

 

[box type="info"]Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde[/box]

   

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