Strittige Szenen am 25. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 25. Spieltag hat er sich sechs Szenen einmal genauer angeschaut.

Szene 1: Willo Evseev (Kiel) wird von Alexander Dercho im Strafraum zu Fall gebracht, die Partie läuft jedoch weiter. Direkt danach trifft Marc Heider zum 1:0 für Holstein Kiel, Schiedsrichter Justus Zorn gibt den Treffer jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: In dieser Szene zeigt sich wie so oft, wie wichtig die Position des Schiedsrichters ist. Dadurch, dass einige Spieler im Strafraum die Sicht des Schiedsrichters versperren, wäre es besser gewesen, wenn der Schiedsrichter von seiner Position abgerückt wäre und sich so weit wie möglich die beste Sicht zum Geschehen "erarbeitet" hätte. Er bleibt jedoch stehen und kann das Foulspiel des Verteidigers nicht sehen. Da es sich auch noch um eine klare Torchance handelt, hätte es in dieser Szene Strafstoß und die Rote Karte geben müssen.

Zudem kommt das Pech hinzu, dass der Assistent die folgende Szene als Abseits wertet, was aber nicht der Fall ist. Das erste Abspiel ist der Zeitpunkt, als der gefoulte den Ball annimmt und der Ball weiterspringt, ohne nochmals berührt worden zu sein. Beim zweiten Abspiel sieht man sehr gut an der Rasenmarkierung auf Höhe des Fünfmeterraumes, dass der Assistent durch das nicht optimale Stellungsspiel – etwas versetzt zum letzten Passgeber – nicht erkennen kann, ob der Torschütze vor oder hinter dem Ball steht. Da der Angreifer hinter dem Ball positioniert ist, liegt keine Abseitsposition vor. Es liegt somit zweimal eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 2: Christopher Schorch (Energie Cottbus) bringt Bajram Nebihi (Stuttgarter Kickers) im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Johannes Huber entscheidet auf Strafstoß für die Kickers. [TV-Bilder – ab Minute 1:13]

Babak Rafati: Bei diesem "Abräumen" im Strafraum gibt es keine zwei Meinungen. Hier ist der Schiedsrichter zudem glänzend positioniert und kann durch Seiteneinsicht den Vorgang genau sehen und daher zögert er keine Sekunde mit der richtigen Entscheidung zum Strafstoß.

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Szene 3: Nach einem Zweikampf zwischen Andreas Lambertz (Dynamo Dresden) und Giorgi Papunashvili (Werder Bremen) im Mittelfeld geht der Bremer zu Boden, Schiedsrichter Dr. Martin Thomsen lässt weiterlaufen. Kurz danach fällt das 1:1 für Dresden. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]

Babak Rafati: Lambertz spielt im Mittelfeld klar den Ball und begeht keinesfalls ein Foulspiel. Dass der Gegenspieler sich trotzdem derartig fallen lässt, ist leider gängige Praxis. Der Schiedsrichter steht optimal und entscheidet völlig zurecht auf Weiterspielen.

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Szene 4: Carsten Kammlott (Rot-Weiß Erfurt) trifft nach einem Freistoß von Okay Aydin zum 1:0 für RWE, Schiedsrichter Christof Günsch entscheidet jedoch auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]

Babak Rafati: Hierbei ist es sehr wichtig, dass der Assistent und der Schiedsrichter über das Headset kommunizieren, um zu einer richtigen Entscheidung zu kommen. Zum Zeitpunkt der Freistoßausführung ist der Torschütze nicht im Abseits. Nach der Hereingabe springen zwei Spieler zum Ball, berühren diesen jedoch nicht, was für uns Fernsehzuschauer durch die Flugbahn des Balles gut erkennbar ist. Der Assistent hat wahrscheinlich vorausgesetzt bzw. wahrgenommen, dass ein Mitspieler den Ball verlängert hat.

Optimal wäre es gewesen, wenn der Assistent den Schiedsrichter vor der Entscheidung dazu befragt hätte und der Schiedsrichter, der den Vorgang (Flugbahn des Balles) gut sehen konnte, ihm gemeldet hätte, dass keine Berührung vorliegt. Durch das sofortige Anzeigen mit der Fahne hat sich der Assistent zu früh festgelegt. Die Korrektur der Entscheidung hätte aber auch trotz des Fahnenzeichens bis zur nächsten Spielfortsetzung, nämlich dem Anstoß, erfolgen können. In Zukunft wird er sich sicherlich aus dieser Erfahrung die Möglichkeit des Wartens unter Zuhilfenahme der Kommunikation mit dem Schiedsrichter bewahren, um nicht zu einer solchen Fehlentscheidung zu kommen.

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Szene 5: Robert Wulnikowski (Würzburger KIckers) bringt Wegner (Erzgebirge Aue) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Tom Skorczyk lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Wulnikowski kommt aus seinem Tor heraus und spielt eindeutig erst den Ball. Erst danach trifft er den Gegenspieler, was in der Dynamik und im Bewegungsablauf unvermeidbar ist und einen fußballtypischen Zweikampf darstellt. Das ist ein absolut sauberes Tackling und der Schiedsrichter entscheidet völlig zurecht auf Weiterspielen.

   

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