Strittige Szenen am 24. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg, Kaiserslautern, Mannheim und Duisburg, das Tor für Chemnitz, das Foul von Maloney an Costly, die verwehrten Treffer für Rostock und Köln, das 2:0 für Braunschweig, das Tor für Jena sowie ein abgepfiffener Konter von Jena und Uerdingen. Am 24. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Im Strafraum will Sören Bertram (Magdeburg) den Ball behaupten, geht aber im Duell mit Sandro Sirigu (Chemnitz) zu Fall. Schiedsrichter Christof Günsch lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 27:15]

Babak Rafati: Bertram läuft im gegnerischen Strafraum selbst gegen das Standbein von Sirigu und kommt zu Fall. Sirigu begeht dabei kein Foul, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Über Tarsis Bonga und Davud Tuma gelangt der Ball zu Dejan Bozic, der zum 1:0 für Chemnitz trifft. Magdeburg reklamiert, dass Tuma beim Pass von Bonga im Abseits stand. Der Treffer zählt dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: Tuma steht zum Zeitpunkt des Passes knapp im Abseits, sodass der Treffer nicht hätte zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, den Treffer dennoch anzuerkennen.

Szene 3: Im Zweikampf mit Marcel Costly (Magdeburg) fährt der bereits gelbverwarnte Lennard Maloney (Chemnitz) den Arm aus, trifft Costly an der Brust und bringt ihn zu Fall. Kein Foul, entscheidet Günsch. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Nachdem Costly sich den Ball an Maloney vorbeilegt, fährt dieser den Arm aus, trifft Costly an der Brust und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel, was mit Gelb geahndet werden muss. Es ist zwar kein Schlag, jedoch ein taktisches Foul, sodass der bereits verwarnte Maloney für diese Aktion die gelb-rote Karte hätte sehen müssen. Eine Fehlentscheidung, die fällige Ampelkarte nicht auszusprechen.

Szene 4: Clemens Schoppenhauer (Chemnitz) will Magdeburgs Anthony Roczen im Strafraum am Weiterlaufen hindern und bearbeitet ihn mit den Armen. Roczen geht zu Fall, einen Strafstoß gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:35]

Babak Rafati: Dieser Zweikampf zwischen Schoppenhauer und Roczen ist absolut fußballtypisch, sodass dieses Bearbeiten mit den Armen am gegnerischen Körper kein Foulspiel ist, vielmehr zu einem körperbetonten Fußballspiel einfach dazu gehört. Eine richtige Entscheidung daher, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 5: Nach einer Vorlage von Aaron Opoku trifft John Verhoek zum 1:0 für Rostock, wird von Schiedsrichter Dr. Martin Thomsen aber aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 24:25]

Babak Rafati: Aus den vorliegenden Bildern und der Kameraperspektive kann nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ob Verhoek tatsächlich im Abseits steht oder nicht. Hierfür wäre die kalibrierte Linie, wie wir sie aus der Bundesliga kennen, erforderlich. 

Szene 6: Ein Schuss von Daniel Hanslik landet im Tor der Großaspacher. Weil John Verhoek den Ball im Abseits stehend minimal abgefälscht haben soll, wird der Treffer nicht gegeben. [TV-Bilder – ab Minute 1:40:30]

Babak Rafati: Wenn zum Zeitpunkt des Schusses Hansliks Mitspieler Verhoek im Abseits steht, ist die Entscheidung richtig – unabhängig davon, ob er den Ball berührt oder nicht. Er greift durch seine Bewegung – weg vom Ball – aktiv ins Spielgeschehen ein und irritiert somit den Torwart. Dieser Vorgang ist nicht zu verwechseln mit der Irritierung in der Schussbahn. Was hier prima klappt, ist der Ablauf der Kommunikation im Schiedsrichterteam. Der Assistent erkennt seitlich aus seiner Position eine Abseitsposition, kann aber nicht erkennen, inwieweit der im Abseits stehende Spieler ins Spielgeschehen eingreift und den Torwart womöglich irritiert. Der Schiedsrichter wiederum kann die Abseitsposition an sich von seiner frontalen Position nicht erkennen, wohl aber die Position des Stürmers und des Torhüters und die alles entscheidende Frage nach dem Eingriff ins Spielgeschehen. Daher dauert die Entscheidung etwas länger, was aber letztendlich vom Ablauf her optimal ist, unabhängig von der Richtigkeit der Entscheidung.

 

Szene 7: In einem Zweikampf mit Marvin Pourié (Braunschweig) geht Jannik Bachmann (Kaiserslautern) zu Fall und spielt den Ball mit der Hand. Schiedsrichter Manuel Gräfe gibt Freistoß, aus dem das 2:0 für Braunschweig fällt. [TV-Bilder – ab Minute 1:02:30]

Babak Rafati: Bei einem Laufduell auf der linken Angriffsseite von Braunschweig kommt Bachmann zu Fall und spielt anschließend den Ball mit der Hand. Er fällt zwar, aber er geht auch mit der flachen Hand aktiv zum Ball, um diesen aufzuhalten. In dieser Szene ein absichtliches und strafbares Handspiel zu pfeifen, ist eine richtige Entscheidung.

Szene 8: Im Strafraum wird Timmy Thiele (Kaiserslautern) von Felix Burmeister (Braunschweig) gehalten und fordert Elfmeter. Gräfe lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:34:35]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Braunschweig bearbeitet Burmeister seinen Gegenspieler Thiele zwar ein wenig mit den Armen, jedoch ist das kein Foulspiel, sondern ein Zweikampf im Bereich des Erlaubten. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 9: Im Zweikampf mit Jan-Hendrik Marx (Mannheim) kommt Aytac Sulu (Jena) zu Fall. Schiedsrichter Robert Hartmann gibt Freistoß, aus dem das 1:0 für Jena fällt. [TV-Bilder – ab Minute 37:00]

Babak Rafati: Der Angreifer spielt auf der linken Angriffsseite zwei Gegenspieler aus, dreht sich dabei um seine eigene Achse und kommt etwas aus dem Gleichgewicht. Marx stellt ihn nur beim Zweikampf und es kommt sicherlich auch zu einem minimalen Kontakt, aber die Ursache für den Faller ist der Vorgang wie vorher erläutert. Das ist kein Foulspiel und somit hätte es keinen Freistoß für Jena geben dürfen. Eine Fehlentscheidung, zumal der Schiedsrichter auch aus einer unglücklichen Position heraus entscheidet, nämlich hinter statt vor dem Geschehen.

Szene 10: Gianluca Korte (Mannheim) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Marius Grösch (Jena) zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Hartmann. [TV-Bilder – ab Minute 3:10]

Babak Rafati: Korte dringt in den Strafraum von Jena ein und lässt sich womöglich bei leichtem Kontakt einfach nur fallen, um einen Strafstoß zu schinden. Das reicht natürlich bei weitem nicht für einen Strafstoß aus. Wenn der Schiedsrichter diesen Vorgang genau sieht, gibt er Korte wegen einer Schwalbe die gelbe Karte. Es gibt nicht nur bei null Kontakt und Schinden eines Strafstoßes eine gelbe Karte, sondern auch bei minimalem Kontakt, den Stürmer versuchen für sich zum Vorteil zu nutzen. Eine richtige Entscheidung keinen Strafstoß zu geben, aber optimaler wäre es gewesen, Schwalbe zu pfeifen.

Szene 11: Bei einem Angriff für Jena unterbricht Hartmann das Spiel nach einem Foul, statt den Vorteil laufen zu lassen. [TV-Bilder – ab Minute 2:05:10]

Babak Rafati: Das ist ein taktisches Foulspiel und somit eine zwingend vorgeschriebene gelbe Karte. Sicherlich wäre es optimaler gewesen, den Angriff laufen zu lassen und auf Vorteil zu entscheiden, um dann in der nächsten Spielunterbrechung die gelbe Karte zu zeigen. Denn genau das ist ja auch die Intention des Verteidigers, den Angriff zu unterbinden. Von einer Fehlentscheidung kann man hierbei jedoch nicht sprechen, aber das kann man trotzdem besser lösen.

 

Szene 12: Nach einem Schuss von Ahmet Engin (Duisburg) bekommt Maurice Hehne (Zwickau) den Ball im Fallen an die Hand. Schiedsrichter Florian Lechner lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 50:45]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Engin auf das Tor von Zwickau wirft sich Hehne im eigenen Strafraum vor den Ball und bekommt ihn beim Klärungsversuch an den Arm. Dabei ist der Arm natürlich zum Abstützen am Boden im Einsatz, zudem wird der Arm nicht zur Verlängerung der Körperfläche eingesetzt. Daher eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 13: Nach einem Freistoß von Steven Lewerenz trifft Sead Hajrovic zum 2:1 für Viktoria Köln. Weil eine Abseitsposition vorgelegen haben soll, gibt Schiedsrichter Florian Exner den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: In dieser Szene kann nicht zweifelsfrei aufgelöst werden, ob Hajrovic im Abseits steht. Vielleicht irritiert ein Mitspieler von Hajrovic, der räumlich am nähesten zum Schiedsrichter-Assistenten steht, diesen und bringt ihn daher zu dieser Abseitsentscheidung.

 

Szene 14: Osayamen Osawe (Uerdingen) erläuft einen weiten Abschlag von Torhüter Lukas Königshofer, wird jedoch von Schiedsrichter Johann Pfeiffer jedoch aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Osawe steht nach einem langen Ball seines Torhüters eindeutig nicht im Abseits. Der Assistent lässt sich jedoch von der Abseitsposition des Mitspielers Osawes irritieren – der circa zehn Meter weiter entfernt im passiven Abseits steht – und winkt daher Abseits. Das ist eine Fehlentscheidung und darf eigentlich in dieser Spielklasse nicht mehr passieren.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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