Strittige Szenen am 24. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Das 1:0 für Meppen, die nicht gegebenen Elfmeter für Meppen, Osnabrück und 1860, die Strafstöße für Wiesbaden und Großaspach, eine Rudelbildung in Münster, das 1:0 für Köln, die Foulspiele von Uaferro und Hajtic und das 2:0 für Zwickau. Am 24. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de elf Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).[/box]
Szene 1: Nach einer Ecke verliert Energie-Keeper Avdo Spahic das Luftduell gegen Marco Komenda (SV Meppen), danach fällt das 1:0 für Meppen. Cottbus reklamiert Foul, Schiedsrichter Mitja Stegemann gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]
Babak Rafati: Der Zweikampf zwischen Komenda und Spahic ist regelgerecht, daher eine korrekte Entscheidung, diesen Treffer anzuerkennen. Die Regelung, dass der Torhüter im Fünfmeterraum einen Bonus genießt und besonders geschützt wird, gibt es im Regelwerk nicht mehr.
Szene 2: Luke Hemmerich (Energie Cottbus) wehrt einen Schuss auf der Linie mit dem Oberkörper/dem Arm ab, Stegemann lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]
Babak Rafati: Hemmerich geht aktiv mit der Hand zum Ball und verhindert ein klares Tor. Der Schiedsrichter schaut von hinten auf die Szene, sodass der Assistent mit einem seitlichen Blickwinkel die bessere Perspektive hat und sicherlich hätte helfen können. Es hätte einen Strafstoß für Meppen und eine rote Karte gegen Hemmerich wegen einer Torverhinderung geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Bei einer Rudelbildung geht Konstantin Engel (VfL Osnabrück) nach einem Schubser von René Klingenburg (Preußen Münster) zu Boden, anschließend revanchiert sich Adam Susac (VfL Osnabrück) mit einem Kopfstoß. Karten zeigt Schiedsrichter Christian Dingert nicht. [TV-Bilder – ab Minute 48:00]
Babak Rafati: Das erste Vergehen von Klingenburg (Wegschubsen) sieht der Schiedsrichter nicht. Das zweite Vergehen von Susac (leichter Kopfstoß) sieht er nicht deutlich genug. Beide Vergehen sind keine Tätlichkeit, vielmehr eine Unsportlichkeit, sodass jeweils eine gelbe Karte die angemessene Strafe gewesen wäre.
Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Assistent, der gelegentlich bei einem FIFA-Schiedsrichter assistiert, sich nicht traut, ihm eine Entscheidung aufzuzwingen, sodass er – wenn er das erste Vergehen gesehen haben sollte – sich lieber passiv verhält und auf die Erfahrung beim Gespannführer setzt.
In dieser Szene hätten natürlich beide Spieler die gelbe Karte sehen müssen. Wenn man solch ein Verhalten durchgehen lässt, kann das Spiel schnell ausarten, zumal eine gelbe Karte für solche Vergehen vorgeschrieben ist. Eine Fehlentscheidung, nichts zu unternehmen.
Szene 4: Etienne Amenyido (VfL Osnabrück) geht nach einem Kontakt von Simon Scherder (Preußen Münster) im Strafraum zu Boden. Kein Elfmeter, sagt Dingert. [TV-Bilder – ab Minute 1:25:00]
Babak Rafati: Fußball ist ein Zweikampfsport und der Kontakt von Scherder gegen Amenyido im eigenen Strafraum somit ein regelgerechter Einsatz, sodass der Schiedsrichter richtig liegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 5: Dominik Ernst setzt Hamdi Dahmani in Szene, der zum 1:0 für Köln trifft. Braunschweig reklamiert Abseits, Schiedsrichter Justus Zorn gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]
Babak Rafati: Durch eine optimale Position, nämlich auf der Höhe des vorletzten Verteidigers, erkennt der Assistent, dass ein Braunschweiger Spieler etwas weiter entfernt – von ihm aus gesehen -, näher zur eigene Torlinie steht als der anschließende Torschütze Dahmani. Das kann man auch sehr gut an der Rasenmarkierung erkennen. Eine richtige Entscheidung, diesen Treffer anzuerkennen.
Szene 6: Marcel Bär (Eintracht Braunschweig) läuft frei auf das Tor zu, scheitert aber am Keeper und wird von Boné Uaferro (Fortuna Köln) mit einem Rempler außerhalb des Spielfelds zu Fall gebracht. Geahndet wird die Aktion nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:48:00]
Babak Rafati: Uaffero will Bär nur einen "mitgeben", checkt ihn unsportlich ohne Not und bringt ihn folglich dadurch auf der Tartanbahn zu Fall. Das muss zwingend Gelb geben und darf nicht einfach "durchrutschen." Eine Fehlentscheidung, diese Spielweise ungeahndet zu lassen.
Szene 7: Bei einem Zweikampf zwischen Markus Schwabl (SpVgg Unterhaching) und Agyemang Diawusie (Wehen Wiesbaden) geht der Wiesbadener im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Martin Petersen zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht zu weit vom Geschehen weg, obwohl es im Strafraum selbsterklärend immer besser ist, näher am Spielgeschehen zu sein. Diawusie wird vielleicht minimal von Schwabl getroffen, wobei Diawusie vielmehr einfädelt. Hier einen Strafstoß zu verhängen, ist eine Fehlentscheidung und sicherlich dem ungünstigen Stellungsspiel des Schiedsrichters geschuldet.
Szene 8: Nach einem Kontakt von Assani Lukimya (KFC Uerdingen) an Makana Baku (Sonnenhof Großaspach) geht dieser zu Boden. Schiedsrichter Tobias Schultes entscheidet auf Elfmeter. Wenige Sekunden zuvor reklamierte Großaspach bereits Handspiel. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]
Babak Rafati: Ein Zweikampf, wie wir ihn oft im Spiel sehen und sich anschließend einer fallen lässt. Der Schiedsrichter signalisiert unverkennbar, dass ein Ellenbogeneinsatz von Lukimya gegen Baku im eigenen Strafraum vorgelegen haben soll. Ob die erste Aktion, Handspiel oder kein Handspiel, im Hinterkopf des Schiedsrichters eine Rolle gespielt haben könnte, kann nicht beurteilt werden. Dennoch ist der Zweikampf nicht als Foul zu werten und folglich der Strafstoß für Großaspach eine Fehlentscheidung.
Szene 9: Ibrahim Hajtic (Würzburger Kickers) geht mit offener Sohle in einen Zweikampf mit Stefan Wannenwetsch (Rostock) und trifft ihn am Knöchel, sieht von Schiedsrichter Tobias Fritsch aber nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 48:40]
Babak Rafati: Das sind genau die Aktionen, die wir im Fußball nicht sehen wollen. Hajtic springt seinem Gegenspieler mit offener Sohle von vorne mit gestrecktem Bein entgegen und trifft ihn im Bereich des Sprunggelenks. Diese Spielweise ist brutal und nimmt die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers in Kauf. Hier kann es nur eine Entscheidung geben, nämlich die rote Karte. Eine Fehlentscheidung, es bei Gelb zu belassen.
Szene 10: Prince Osei Owusu (1860 München) geht im Strafraum bei einem Zweikampf mit Thomay Geyer (VfR Aalen) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Tim Skorczyk nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:10]
Babak Rafati: Geyer will im eigenen Strafraum einen Freistoß für sich haben, obwohl der Einsatz von Owusu nicht regelwidrig ist. Da er diesen gewünschten Freistoß nicht bekommt revanchiert er sich einfach durch ein klares Foulspiel, in dem er Owusu von hinten in die Beine grätscht und ihn völlig unnötig zu Fall bringt. Hier hätte es einen Strafstoß für 1860 München geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.
Szene 11: Kevin Hoffmann spielt auf Taris Bonga ab, der zum 2:0 für den FSV Zwickau trifft. Jena reklamiert Abseits beim Zuspiel, Schiedsrichter Marcel Gasteier gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]
Babak Rafati: An der Rasenmarkierung kann man sehr gut erkennen, dass der anschließende Torschütze Bonga zuvor beim Abspiel von Hoffmann im Abseits gestanden hat. Das muss der Assistent natürlich sehen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer anzuerkennen.
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