Strittige Szenen am 20. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Doppel-Gelb für Becker, die Platzverweise gegen Pfitzner, Kittner, Schau, Godinho und Singh, die nicht gegebenen Elfmeter für Braunschweig, Münster, Duisburg und Kaiserslautern, ein Duell zwischen Erdmann und Litka, nicht gegebene Freistöße für Jena und Unterhaching und das 2:2 von Mannheim. Am 20. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Nach der roten Karte für Magdeburgs Sirlod Conteh zückt Schiedsrichter Sven Jablonski die gelbe Karte und zeigt sie in Richtung von Robin Becker – es wäre seine zweite gewesen. Allerdings bleibt Becker auf dem Platz, denn wie sich herausstellte, galt die Karte nicht Becker, sondern Marc Pfitzner, was aufgrund der Gestik des Schiedsrichters für Verwirrung sorgte. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter zückt die gelbe Karte und zeigt diese tatsächlich deutlich und unverkennbar auf Becker. Warum er in der Folge, wenn er bereits Gelb gesehen hatte, nicht die gelb-rote Karte sieht, ist nicht nachvollziehbar. Aber auch ein Vergehen von Becker ist nicht zu sehen. 

Szene 2: Über ein Foul von Thore Jacobsen (Magdeburg) regt sich Marc Pfitzner (Braunschweig) lautstark beim Schiedsrichter auf und sieht Gelb, was Gelb-Rot zur Folge hat. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Nach einem brutalen Foulspiel von Jacobsen, für das der Magdeburger berechtigt Rot sieht, ist Pfitzners Reaktion absolut nachvollziehbar und keinesfalls gelbwürdig. Hierfür eine gelbe Karte zu zeigen, was in der Folge zu Gelb-Rot führt, ist eine Fehlentscheidung.

Szene 3: Benjamin Kessel (Braunschweig) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Leon Bell Bell und Manfred Osei Kwadwo zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Jablonski. [TV-Bilder – ab Minute 2:07:20]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Magdeburger Strafraum kommt es zwar zum Kontakt, aber das ist ein fußballtypischer Einsatz und dabei liegt kein Foulspiel von einem Magdeburger Verteidiger vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 4: Im Strafraum geht Julian Schauerte (Münster) im Duell mit Prince Owusu (1860) zu Boden und fordert einen Elfmeter. Diesen gibt Schiedsrichter Florian Lechner aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:48:55]

Babak Rafati: Schauerte dreht sich im Strafraum von 1860 im Duell mit Prince Owusu selbst in ihn hinein, provoziert einen Kontakt und kommt dann zu Fall. Es liegt jedoch überhaupt kein Foulspiel von Prince Owusu vor. Die richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 5: Nach einem Laufduell mit Timo Gebhart (München) sieht Ole Kittner (Münster) für ein Foul Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Nachdem Kittner den Ball im Mittelfeld an Gebhart verliert, kommt es im Laufduell zu einem Zweikampf. Dabei behaken sich beide, aber ein entscheidendes Foulspiel, was zu ahnden wäre, liegt nicht vor. Der Armeinsatz von Kittner ist im Bereich des Erlaubten, auch wenn ein leichter möglicher Kontakt im Gesicht vorliegt. Gebhardt versteht es cleverer, diesen Zweikampf anzunehmen und anschließend etwas zeitverzögert zu Fall zu kommen. Eine Fehlentscheidung, auf Freistoß und zudem auf Gelb-Rot gegen Kittner zu entscheiden.

Szene 6: Dennis Erdmann (München) hält Maurice Litka (Münster) nach einem Laufduell fest. Dieser will sich losreißen und stößt seinen Gegenspieler dabei um. Beide sehen Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:59:25]

Babak Rafati: Nach dem Pfiff des Schiedsrichters hält Erdmann seinen Gegenspieler Litka in der Spielruhe unnötig fest. Dieser will sich daraufhin losreißen und stößt ihn dabei weg. Es liegt kein Schlag bzw. Tätlichkeit, sondern vielmehr eine „Lass-mich-los-Aktion“ vor. Beide Vergehen sind gelbwürdig, sodass die zwei gelben Karten absolut richtig sind.

 

Szene 7: Moritz Stoppelkamp (Duisburg) dringt in den Strafraum ein, Großaspachs Jonas Behounek (Großaspach) stellt seinen Körper dazwischen und bringt den MSV-Kapitän zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Wolfgang Haslberger. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht sehr gut und hat eine optimale Sicht auf den Zweikampf im Strafraum von Großaspach. Stoppelkamp will an Behounek vorbeilaufen, dieser nimmt den Hintern heraus, hindert Stoppelkamp klar und deutlich am Weiterlaufen und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel und hat nichts mit dem Versuch, den Ball spielen zu wollen, zu tun und hätte folglich Strafstoß für Duisburg geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 8: Im Strafraum geht Timmy Thiele (Kaiserslautern) gegen Christoph Greger (Unterhaching) zu Fall. Die Pfeife von Schiedsrichter Alexander Sather bleibt stumm. [TV-Bilder – ab Minute 36:15]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell zwischen Greger und Thiele im Strafraum von Unterhaching will der Angreifer nur einen Kontakt provozieren und einen Strafstoß schinden. Jedoch ist das Zweikampfverhalten vom Verteidiger absolut regelgerecht, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 9: André Hainault (Kaiserslautern) trifft Lucas Hufnagel (Unterhaching) kurz vor dem Strafraum auf den Fuß, einen Freistoß gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Hufnagel ist kurz vor dem gegnerischen Strafraum schneller am Ball und wird dann klar von Hainault am Fuß getroffen und zu Fall gebracht. Hainault will sicherlich den Ball spielen, aber er kommt eben einen Moment zu spät. Durch das Rollen des Balles in die entsprechende Richtung ist zudem sehr gut sichtbar, wer den Ball spielt. Eine Fehlentscheidung, keinen Freistoß für Unterhaching zu geben.

 

Szene 10: Marcus Godinho (Zwickau) bringt Marius Kleinsorge (Meppen) in einem Laufduell kurz vor dem Strafraum zu Fall und sieht dafür von Schiedsrichter Florian Exner Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Kleinsorge ist auf der linken Seite durch und wird kurz vor dem Strafraum von seinem Gegenspieler Godinho zu Fall gebracht, indem er sein Knie in den Weg stellt. Auch wenn der Kontakt minimal ist, reicht es aus, um den Angreifer aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihn an dem aussichtsreichen Angriff zu hindern. Eine richtige Entscheidung, den Freistoß für Meppen und die gelb-rote Karte gegen Godinho zu geben.

 

Szene 11: Einen Freistoß köpft Kevin Conrad (Mannheim) zum 2:2 ins Tor. Die CFC-Spieler reklamieren, dass er zusammen mit Marcel Hofrath zuvor im passiven Abseits und im Sichtfeld von CFC-Keeper Jakob Jakubov stand. Schiedsrichter Franz Bokop gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 54:20]

Babak Rafati: Bei diesem Freistoß für Mannheim läuft Conrad, der anschließende Torschütze, zum Ball und steht nicht im Abseits. Sein Mitspieler steht auch nicht im Abseits, denn dahinter sieht man einen Spieler mit einem roten Trikot. Auch wenn der Arm des Mitspielers ausgetreckt ist, ist dieser beim Abseits nicht relevant, weil der Ball mit dem Arm nicht gespielt werden darf. Nur Rumpf und Körper sind maßgeblich. Ein weiterer Mannheimer könnte möglicherweise weiter hinten knapp im Abseits gestanden haben, dieser greift aber überhaupt nicht ein. Somit eine richtige Entscheidung, den Treffer bei dieser komplexen Situation für Mannheim anzuerkennen.

 

Szene 12: Dominik Bock (Jena) bringt einen Freistoß auf das Tor, den Dennis Eckert Ayensa (Ingolstadt) kurz vor dem Strafraum mit der ausgefahrenen Hand abblockt. Schiedsrichter Jonas Weickenmeier pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Der Arm von Eckert Ayensa geht nach dem Freistoß von Bock in Torwartmanier klar über dem Kopf zum Ball und blockt diesen dadurch. Es hätte einen Freistoß für Jena und die gelbe Karte wegen Unsportlichkeit gegen Eckert Ayensa geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 13: Für ein vermeintliches Foul an Dennis Eckert Ayensa (Ingolstadt) sieht Justin Schau (Jena) Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:52:45]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Foulspiel vorliegt. Schau schiebt ein wenig von hinten, aber dass Eckert Ayensa deshalb zu Fall kommt, wage ich stark zu bezweifeln. Der Ingolstädter nimmt den leichten Kontakt sehr dankend an, wobei aus meiner Sicht kein Foulspiel vorliegt und folglich die Freistoßentscheidung sowie die gelb-rote Karte gegen Schau falsch ist.

 

Szene 14: Sarpreet Singh (Bayern München II) geht von hinten in die Beine von Dave Gnaase (Würzburg), bringt ihn zu Fall und sieht von Schiedsrichter Patrick Alt glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Zunächst einmal bekommt Singh den Freistoß kurz vor dem Strafraum von Würzburg nicht für sich zugesprochen. Eine Fehlentscheidung. Anschließend läuft er frustriert darüber seinem Gegenspieler Gnaase hinterher und holt ihn durch ein Foulspiel von den Beinen. Diese Aktion ist gelbwürdig und nicht mehr. Die Kriterien für eine rote Karte – Gefährdung der Gesundheit billigend in Kauf nehmen, brutale Spielweise usw. –  sind überhaupt nicht gegeben. Eine Fehlentscheidung, für dieses Foul Singh die rote Karte zu zeigen.

   

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