Strittige Szenen am 13. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Osnabrück, Duisburg, Saarbrücken, Regensburg, Essen und Köln, der Strafstoß für 1860, der Platzverweis gegen Kamara, das 2:1 für Verl, das Zielspiel von Schulze, ein Nachtreten von Carlsen sowie Foulspiele von Engelhardt und Mizuta. Am 13. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Lars Kehl (Osnabrück) geht im Strafraum gegen Alexander Hahn (Duisburg) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Timo Gansloweit. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Hahn spielt klar den Ball, danach kommt es in diesem Bewegungsablauf zu einem Kontakt mit Kehl, wobei der Einsatz von Hahn klar zum Ball gerichtet ist und dieser auch vor Kehl am Ball ist. Daher liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen, keinen Elfmeter zu geben und stattdessen sogar anschließend bei einem anderen Zweikampf auf Stürmerfoul zu entscheiden. Selbst wenn es einen Kontakt gegeben haben sollte, geht dieser vom Angreifer aus, weil er das Nachsehen hat und etwas spät kommt und den Ball nicht mehr erreicht.

Man sieht auch (Zeitlupe bei 0:54), dass als der Ball auf der Fünferlinie aufprallt, das Bein des Verteidigers näher zum Ball ist und das Bein des Angreifers – durch die Ausholbewegung zum Ball – weiter entfernt, ja gar hinter dem Bein des Verteidigers ist. Dadurch ist der Verteidiger am Ball, und eher der Angreifer wird einen möglichen Kontakt initiiert haben. Auch, wenn der Verteidiger den Ball nicht voll trifft, sondern eine sogenannte "Kerze“ schlägt, heißt das nicht, dass er den Gegner auch trifft.

Zudem sieht man, dass der Angreifer ein wenig ins Leere trifft und daher danach beim Aufstehen ein wenig humpelt. Zu guter Letzt besteht die Annahme, dass der Verteidiger vielleicht doch dem Angreifer mit dem Nachziehbein trifft. Das ist aber auch nicht der Fall, denn dann wäre das linke Bein des Angreifers getroffen worden. Der Angreifer fasst sich aber anschließend an das rechte Bein, womit final offenbart wird, dass auch in diesem Bereich kein Foulspiel vorliegen kann.

Szene 2: Erst geht Jan-Simon Symalla (Duisburg) im Strafraum im Duell mit Jannik Müller Osnabrück) zu Boden, dann auch Christian Viet (Duisburg). In beiden Szenen lässt Gansloweit weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Symalla ist im Strafraum früher am Ball und tickt das Spielgerät an, um sich dieses vorzulegen. Müller ist überrascht und will auch zum Ball, kommt aber etwas zu spät, trifft nur Symalla am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und es hätte einen Elfmeter sowie die gelbe Karte gegen Müller geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, keinen Elfmeter zu geben. Die anschließende Aktion, zu der es aber nicht mehr hätte kommen dürfen, wird dann richtig gelöst, da eine Schwalbe vorliegt.

 

Szene 3: Kurz vor dem Strafraum wird Erik Engelhardt (Cottbus) von Sean Dulic (1860) zu Fall gebracht. Schiedsrichter Konrad Oldhafer entscheidet auf Freistoß und belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 0:15]

Babak Rafati: Das Foulspiel von Dulic an Engelhardt ist unstrittig. Bei der Bewertung, ob eine Notbremse vorliegt oder nicht, ist diese Frage zu verneinen. Voet hätte noch eingreifen können. Zudem gerät der Cottbuser Spieler etwas nach außen, und der Münchner Spieler wiederum ist in zentraler Position, sodass keine klare Torchance vorliegt. Eine richtige Entscheidung, Dulic lediglich wegen Vereitelung eines guten Angriffs die gelbe Karte zu zeigen.

Szene 4: Max Reinthaler (1860) kommt im Strafraum gegen Erik Engelhardt (Cottbus) zu Fall, Oldhafer gibt Elfmeter für die Löwen. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball kommt es zu einem Zweikampf, bei dem Reinthaler zuerst am Ball ist und das Spielgerät spielt. Dabei kommt Gegenspieler Engelhardt etwas zu spät, erreicht den Ball nicht mehr, trifft stattdessen seinen Gegenspieler Reinthaler kurz und ansatzlos am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, einen Elfmeter zu geben.

 

Szene 5: Im Strafraum wird Abdoulaye Kamara (Saarbrücken) von Emmanuel Elekwa (Aachen) am Schienbein getroffen und geht zu Fall, Schiedsrichter Timon Schulz pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Im Strafraum ist Kamara zuerst am Ball und spielt das Spielgerät. Sein Gegenspieler Elekwa kommt etwas zu spät, verpasst den Ball, trifft stattdessen den Angreifer am Bein und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und es hätte somit einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.

Szene 6: Für ein Foulspiel an Mehdi Loune (Aachen) sieht der bereits verwarnte Abdoulaye Kamara (Saarbrücken) Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:40]

Babak Rafati: Der bereits verwarnte Kamara trifft seinen Gegenspieler Loune am Oberkörper, da dieser zuerst am Ball ist. Auch, wenn die Aktion von Kamara sicherlich unbeabsichtigt ist, liegt ein rücksichtsloses Foulspiel vor, denn er nimmt in Kauf, seinen Gegenspieler zu treffen, sodass die gelb-rote Karte eine richtige Entscheidung ist.

 

Szene 7: Verl-Keeper Philipp Schulze spielt den Ball nicht, wird aber auch nicht angegriffen. Schiedsrichter Leonidas Exuzidis greift nicht ein. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Keeper Schulze hat den Ball am Fuß. Somit ist der Ball frei, sodass er theoretisch den Ball die ganze Zeit am Fuß halten kann. Das ist nicht regelwidrig. Die Gegenspieler können wiederum den Keeper jederzeit angreifen, was sie in diesem Fall aber nicht tun. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und das Spiel nicht zu unterbinden. Wenn der Torhüter den Ball in den Händen halten würde, dann hätte er nach der neuen Regel 8 Sekunden Zeit, um den Ball wieder freizugeben. Dabei soll der Schiedsrichter nach 3 Sekunden Ballkontrolle die restlichen 5 Sekunden – visuell für jedermann erkennbar – anzeigen und herunterzählen. Erst danach, wenn der Ball nicht wieder freigegeben wird und der Keeper den Ball weiterhin in den Händen hält, gibt es einen Eckstoß für den Gegner.

Bis zur letzten Saison gab es die Sechs-Sekunden-Regel, bei der nach Ablauf dieser Zeit dem Gegner ein indirekter Freistoß zugesprochen wurde. Aber diese alte und neue Regel bezog und bezieht sich nur auf die Ballkontrolle (Ball in der Hand durch den Keeper) und nicht darauf, wie es in diesem Fall vorliegt, dass der Ball frei ist und für jeden spielbar ist. Vermutlich hat der Torhüter den Ball vorher in den Händen gehabt, und wenn jetzt ein Gegenspieler auf den Keeper zulaufen würde, dann wäre der Torhüter gefordert. Dann hätte er den Ball spielen müssen, oder wenn er den Ball wieder aufnehmen würde, vorausgesetzt er hätte den Ball vorher in den Händen, dann gäbe es wie beschrieben einen indirekten Freistoß für den Gegner.

Szene 8: Im Anschluss an einen Freistoß trifft Verl zum 2:1. Hansa reklamiert Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Freistoßes steht der Spieler, der den Ball ins Tor einköpft, nicht im Abseits, sodass die Torerzielung korrekt ist. Womöglich steht ein weiterer Spieler in Abseitsposition (im Strafraum hinter dem rechten Halbkreis am Strafraum), dieser greift allerdings nicht ins Spielgeschehen ein.

 

Szene 9: Im Strafraum geht Philipp Müller (Regensburg) gegen Erik Majetschak (Aue) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Nico Fuchs nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]

Babak Rafati: Beim Schussversuch von Müller grätscht Majetschak in den Zweikampf und will sicherlich den Ball spielen, trifft aber den Angreifer am Fuß und bringt ihn entscheidend zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und somit hätte es einen Elfmeter sowie die gelbe Karte gegen Majetschak geben müssen. Eine Fehlentscheidung, den fälligen Elfmeter nicht zu geben. Der Schiedsrichter führt auch erst die Pfeife zum Mund, aber warum er dann nicht pfeift, ist nicht nachvollziehbar.

 

Szene 10: Im Strafraum kommt Marvin Obuz (Essen) gegen Luca Trslic (Schweinfurt) zu Fall, Schiedsrichter Kevin Behrens lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 30:30]

Babak Rafati: Im Strafraum bearbeiten sich Obuz und Trslic im Zweikampf, jedoch ist alles im grünen Bereich. Im Oberkörperbereich wird von beiden ein wenig gehalten und gezogen, was aber für ein Foulspiel einfach nicht ausreicht. Letztendlich kommt es im Fußbereich zu einem leichten Kontakt, den Obuz aber dankend annimmt und zu Fall kommt. Das ist allerdings nicht genug für ein Foulspiel. Der Angreifer will nur das "Foulspiel ziehen". Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.

Szene 11: Kaito Mizuta (Essen) geht mit offener Sohle in einen Zweikampf mit Bastian Müller (Schweinfurt) und trifft ihn auch. Der Schiedsrichter belässt es bei Gelb. Kurz danach muss Müller verletzt vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:35]

Babak Rafati: Müller und Mizuta rutschen zum Ball, und dabei ist Müller zuerst am Ball und spielt das Spielgerät, während Mizuta etwas zu spät kommt und den Ball verfehlt. Er geht mit offener Sohle in den Zweikampf, hat aber das Bein angewinkelt und nicht ausgestreckt. Zudem trifft er seinen Gegenspieler nicht voll, sodass lediglich ein rücksichtsloses Spiel vorliegt. Dadurch ist die gelbe Karte vertretbar, denn für eine rote Karte würde das Trefferbild einfach fehlen. Ja, in der Tat wird die Gesundheitsgefährdung des Gegenspielers billigend in Kauf genommen, aber zum Glück entsteht keine schlimmere Verletzung, weil Mizuta seinen Gegenspieler nicht voll trifft.

 

Szene 12: Eine Flanke von David Otto (Köln) bekommt Jonas Scholz (Ingolstadt) im Strafraum an den Arm, Schiedsrichter Sebastian Hilsberg lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 56:40]

Babak Rafati: Nach einer Flanke von Otto in den Strafraum verschätzt sich Scholz ein wenig und nimmt den Arm etwas heraus, sodass dieser nicht in einer natürlichen Haltung ist. Der Ball ist auch lange genug unterwegs, um den Arm vorher wegzuziehen, sodass eine Absicht vorliegt und es folglich einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, den fälligen Elfmeter nicht zu geben.

Szene 13: Bei einem Schubser von Frank Ronstadt (Köln) geht Fredrik Carlsen (Ingolstadt) zu Boden und tritt anschließend nach, indem er das Bein hochzieht. Hilsberg belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:04:05]

Babak Rafati: Zunächst einmal spielt Rosenlöcher den Ball, sodass kein Foulspiel an Otto vorliegt. Dann kommt es zum Gegenangriff und dabei zu einem Zweikampf, bei dem Ronstadt und Carlsen aneinander geraten, indem sich die Laufwege kreuzen. Hierbei geht Carlsen zu Boden und tritt dann am Boden gegen die Füße von Ronstadt. Dieses Vergehen ist ein Nachtreten, das mit der roten Karte hätte geahndet werden müssen. Eine Fehlentscheidung, Carlsen lediglich die gelbe Karte zu zeigen. Dieses Vergehen geschieht aber im Rücken des Schiedsrichters, sodass die Meldung, wie es offensichtlich aussieht, durch ein Teammitglied des Schiedsrichters von außen kommt. In solchen Situationen müssen auch die Assistenten und Vierten Offiziellen hellwach sein und den Vorgang genau beobachten und möglichst richtig bewerten und nicht wie in diesem Fall.

 

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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