Stadionneubau: Hund und Katz in einem Körbchen

Seit der Vergabe der WM 2006 an Deutschland am 06. Juli 2000, scheint es einen neuen Trend im Fußball zu geben, etwas das so angesagt ist und so lebensnotwendig erscheint, wie einst Schlaghosen, Plateauschuhe und dicke Kragen. Etwas ohne dem man nichts ist und ohne dem es im Fußballsport einfach nicht mehr geht: Arenen! Doch woher kommt dieser Trend? Sobald bekannt wurde, dass in Deutschland WM-Fußball gespielt würde, rochen sämtliche Städte den großen Braten und wollten ihren Teil davon abbekommen: Austragungsort für WM-Spiele sein! Das war das große Ziel. Hunderttausende von Gästen anlocken, die die klammen Haushaltskassen füllen würden – eine exorbitante Geldspritze. Aber um die zu erhalten, musste man natürlich auch etwas investieren: Straßen, Infrastruktur, gepflegtes äußeres Erscheinungsbild (schließlich war die Welt zu Gast bei Freunden) und natürlich den ultimativen Austragungsort, eine nagelneue Arena!

Und so schossen in Vorbereitung auf dieses Welt-Sport-Ereignis zahlreiche ultra-moderne WM-Arenen aus dem Boden, die nach der WM und mit Beginn der neuen Fußballsaison wieder ihrem „normalen" Verwendungszweck zugeführt wurden, nämlich Alltagsfußball in der Bundesliga (im Falle des Zentralstadions in Leipzig genauer gesagt Viertligafußball). Das Massenspektakel für welches man große, moderne und sichere Arenen brauchte, war vorbei, doch der Arenen-Hype ist bis heute geblieben. Es scheint fast als wäre nach Meinung der Wirtschafts- und Vereinsfunktionäre kein schöner und erfolgreicher Fußball ohne neue Arena mehr möglich. Und so verschwanden nach und nach die alten Stadien und Sportstätten in denen so manches geschichtsträchtige Spiel ausgetragen wurde, wurden entweder eingestampft oder (was noch schlimmer ist) einfach achtlos liegen gelassen wie eine weggeworfene Zigarettenkippe. Sie mussten den neuen Arenen Platz machen, die nun in sämtlichen Städten hochgezogen wurden, um Zuschauer sowie sportlichen und finanziellen Erfolg anzulocken und vielleicht auch ein klein wenig um das Prestige zu wahren. Die Höhe der Spielklasse des beheimateten Vereins schien dabei nicht die geringste Rolle zu spielen.

Doch es gibt auch noch genügend Vereine, die dem Arenen-Trend erfolgreich getrotzt haben – aus verschiedensten Gründen, meist jedoch finanziellen. Zwei dieser Vereine befinden sich im beschaulichen Thüringer Lande, irgendwo zwischen Mutzbraten und Bratwurst; der FC Carl Zeiss Jena und der FC Rot-Weiß Erfurt. Doch das Virus hat sich in der 3. Liga schon breit gemacht, denn auch diese beiden Vereine würden gern eine neue Arena als Austragungsort für ihre Heimspiele bauen. Hier hapert es am Geld. Beide Vereine befinden sich in kleinen Städten (Jena 104.000 Einwohner, Erfurt 203.000 Einwohner) und haben kleine Fanlager (Zuschauerschnitt 2009/2010: Jena 7.343, Erfurt 5.534), man hat also nicht wirklich Geld übrig, um ein solches Projekt in Angriff zu nehmen. Und große Firmen und Sponsoren haben sich bisher auch nicht finden lassen, um jeweils einen Großteil der Baukosten zu übernehmen. Da Fußball ja mitunter Aushängeschild für ein ganzes Bundesland ist, ist man scheinbar auch im Landtag der Überzeugung, dass ein neues Stadion her muss, denn es sollen wohl Mittel für einen Stadionbau zur Verfügung gestellt werden. Allerdings hat man sich auch gleich darauf festgelegt, dass es nur für ein Stadion in Thüringen Zuschüsse vom Land geben wird. Da drängt sich nun allen Fans und Beteiligten die Frage auf, wer von den beiden Thüringer Drittligisten Fördermittel für ein neues Stadion bekommen soll. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Frage sportlich beantwortet wird. Sollte einer der beiden Vereine auf- oder absteigen, hätte man automatisch einen Gewinner. Jackpot! Aber angenommen beide Vereine würden über mehrere Jahre in derselben Liga verbleiben, wäre dieser Weg das Problem zu lösen weiß Gott etwas zu langwierig. Man könnte es auch anhand des Konzepts der Vereine entscheiden. Wer den besseren Finanzierungs- und Nutzungsplan und die besseren Ideen und Argumente auf den Tisch bringt, bekommt den Zuschlag. Aber hier wären Konflikte nach der Entscheidung praktisch vorprogrammiert, denn jeder Verein würde Verschwörung und Manipulation wittern und gegen die gefällte Entscheidung protestieren.

Um eine schnelle und faire Entscheidung zu treffen, hatte irgendjemand, der vom Fußball offensichtlich gar nichts versteht, noch eine dritte, glorreiche Idee: ein Stadion für beide Teams! Ob dies letzten Endes ein Scherz in der Freundesrunde war, der versehentlich ernst genommen wurde oder ein ernsthafter Gedanke, kann man nur erahnen. Aus Sicht vieler Fans ist es nicht viel mehr als eine Lachnummer. Zwar gibt es auch in den Fanlagern Befürworter und Gegner dieser Idee, doch rein gefühlsmäßig muss letztere Gruppe einfach überwiegen. Sicherlich, ganz vernünftig betrachtet und aus rein finanzieller und ökonomischer Sicht ist das eine TOP-Idee, aber seit wann hat Fußball etwas mit Vernunft zu tun? Fußball lebt nicht von Vernunft, sondern von Emotionen wie Begeisterung, Glück, Liebe…und auch Hass! Genauso wie man sich unsterblich in seinen eigenen Verein verliebt, genauso entwickelt man ganz automatisch eine tiefe, unerklärliche Abneigung gegen den Verein, der als Erzfeind gilt. Der Verein, der einem gefährlich werden könnte, der für sich (fälschlicherweise) beansprucht der Bessere zu sein, dem man den Abstieg wünscht…mit dem man sich künftig ein Stadion teilen soll? Niemals! Das ist so unmöglich, wie man gleichzeitig Sommer und Winter haben kann oder Tag und Nacht. Es ist als würde man jeglichen Stolz verlieren und die Tradition mit Füßen treten. Nüchterne und sachliche Argumente greifen hier nicht, denn allein der Gedanke an ein solches Projekt ist wie Hochverrat am eigenen Verein und am Ideal des Fußballs. Auf so eine Idee kann man wirklich nur kommen, wenn man den samstäglichen Kampf um Punkte, Respekt und Anerkennung genauso emotionslos betrachtet wie eine Daily Soap. Wer so was vorschlägt, hat sich auch gefreut als Italien Weltmeister wurde. Jeder Fan, der den Erzrivalen genauso ehrlich und aufrichtig hasst, so wie er seinen Verein liebt, würde sich niemals auf so einen Deal einlassen. Beispielhaft dafür steht die pikante Aussage der FCC-Forumsikone Yorick: „Ich jedenfalls fahre nicht eine halbe Stunde länger in eine sterile Arena im Nirgendwo, wo eine Woche vorher ein fetter rot-weißer A.r.sch auf meinem Sitzplatz geschmort hat!"

Was will man noch mehr Worte verlieren, wenn damit alles gesagt ist? Noch sind die Pläne ja nicht umgesetzt und es steht auch längst noch nicht fest, ob es ein gemeinsames Stadion geben wird. Gäbe es eines, müssten jedoch auf beiden Seiten die Besucherzahlen und die Dauerkartenverkäufe sinken und letztlich niemand mehr im Stadion sitzen. Wenn man Idealist ist. Da Idealismus erfahrungsgemäß aber nicht mehr so wichtig, ist traurigerweise eher ein umgekehrter Trend, also ein Anstieg der Besucherzahlen, zu erwarten. Ähnliche Versuche haben das ja bereits bewiesen. Scheinbar ist nicht mehr das Spiel selbst so wichtig, sondern das Drumherum. Doch das muss und darf jeder für sich selbst entscheiden. Ich jedoch finde es schön und bedeutend, wenn zumindest ich sagen kann: „In einem gemeinsamen Stadion mit dem Erzfeind wird mich keiner sehen!" Da bin ich Idealist.

   

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