Schiedsrichter-Analyse zum 32. Spieltag mit Babak Rafati

25 Jahre war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 32. Spieltag hat er sich sieben Szenen einmal genauer angeschaut:

Szene 1: Florian Dick (Arminia Bielefeld) ist im Strafraum am Ball und trifft Sinan Tekerci (Dynamo Dresden) mit der Hand im Gesicht. Schiedsrichter Harm Osmers entscheidet auf Strafstoß für Dynamo (35.). [TV-Bilderab Minute 2:30]

Babak Rafati: In dieser Szene steht der Schiedsrichter eigentlich optimal zum ersten Geschehen (Grätsche zum Ball) und bewertet diese auch richtig. Danach führt der Bielefelder Verteidiger (Dick) im eigenen Strafraum den Ball am Fuß und wird zunächst vom Dresdner Spieler kurz und ansatzlos an der Hose fest gehalten, was der Schiedsrichter nicht sehen kann, weil es auf der abgewandten Seite von ihm passiert. Dadurch versucht sich der Bielefelder Verteidiger "loszureißen" und trifft den Dresdner Spieler ins Gesicht. Ein Freistoß für Bielefeld, weil das erste Vergehen geahndet werden muss, und eine gelbe Karte gegen den Bielefelder Spieler für die Unsportlichkeit wären nach Ansicht der Fernsehbilder die richtige Entscheidung gewesen.

Das Festhalten des Dresdners Spielers müsste nur mit einem Freistoß und ohne gelbe Karte geahndet werden, da man wegen der großen Distanz zum gegnerischen Tor nicht von einem taktischen Foul sprechen kann. Somit ist die gelbe Karte gegen den Bielefelder Spieler eine richtige Entscheidung, der Strafstoß gegen Bielefeld jedoch eine Fehlentscheidung. Optimal wäre die Szene zu bewerten gewesen, wenn der Schiedsrichter nach dem ersten Zweikampf sich weiter nach außen auf die linke Seite orientiert und einen seitlichen Blickwinkel zum Zweikampf hätte. Dann hätte er das Festhalten des Dresdner Spielers auf der anderen Seite gesehen und womöglich geahndet. Das Spielgeschehen soll sich immer zwischen dem Schiedsrichter und dem Assistenten abspielen, was hierbei nicht geschah.

Szene 2: Fabian Klos (Arminia Bielefeld) wird im Strafraum von Niklas Kreuzer (Dynamo Dresden) zu Fall gebracht, Schiedsrichter Osmers entscheidet auf Weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 5:50]

Babak Rafati: Bei der langen Flanke in den Strafraum von Dresden reißt die Nummer 7 von Dresden (Kreuer) seinen Gegenspieler zu Boden, so dass der Stürmer daran gehindert wird, zum Ball zu gehen und somit eine gute Chance unterbunden wird. Hier wäre Strafstoß und eine gelbe Karte die richtige Entscheidung gewesen. Da der Ball in der Luft war und der Angreifer von Bielefeld keine Ballkontrolle hatte, kann man nicht von einer glasklaren Torchance sprechen, somit wäre rot nicht erforderlich. Ein typisches Merkmal hier wieder einmal, dass ein Spieler (Nr.7 von Dresden), der sich strafbar macht, die Arme hochnimmt und signalisiert, nichts gemacht zu haben (siehe auch Szene 5). Weiterspielen ist hier eine Fehlentscheidung.

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Szene 3: Tom Scheffel (Chemnitz) berührt Philipp Hoffmann (Münster) im Strafraum. Schiedsrichter Dingert zeigt auf den Punkt (33.). [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum ist alles im erlaubten und fußballtypischen Bereich. Es kommt zum Kontakt der beiden Spieler, jedoch liegt hier eindeutig kein Foulspiel vor. Der Spieler von Münster mit der Nr. 20 (Hoffmann) nimmt diesen Kontakt dankend zum Anlass zu fallen und der Schiedsrichter fällt leider darauf rein. Weiterspielen wäre die richtige Entscheidung gewesen. Somit liegt in der Szene eine Fehlentscheidung vor.

Szene 4: Marcel Reichwein (Münster) berührt den Ball in einem Laufduell mit der Hand. Danach fällt das 2:2 und zählt. [TV-Bilder – ab Minute 3:20]

Babak Rafati: Der Verteidiger will klären und spielt den Ball mit dem Fuß. Der Angreifer von Münster nimmt seine Hände zu Hilfe und springt in den Ball und verschafft sich einen Vorteil und erzielt im Anschluss ein Tor. Die Hände haben in dieser Situation auf dieser Höhe nichts zu suchen. Es liegt keine natürliche Körperhaltung vor, sondern die Körperfläche wird mit den Armen vergrößert. Es hätte Freistoß für Chemnitz und eine gelbe Karte gegen den Münsteraner Spieler wegen Unsportlichkeit geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Man muss aber auch erwähnen, dass der Schiedsrichter von hinten auf die Szene schaut und ihm die Sicht versperrt ist. Hier hätte der Assistent bei einer guten Zusammenarbeit helfen können, weil er einen seitlichen Blickwinkel hat und somit das Handspiel besser sehen kann.

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Szene 5: Uwe Möhrle (Energie Cottbus) bringt Thiemo-Jérôme Kialka (Fortuna Köln) im Strafraum zu Fall,  Schiedsrichter Alexander Sather entscheidet jedoch nicht auf Elfmeter für Köln, sondern auf Schwalbe. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht gut und hat eine gute Sicht auf den Zweikampf im Strafraum von Cottbus. Die Nummer 10 von Fortuna Köln (Kialka) wird unten am Fuß getroffen und kommt dadurch zu Fall. Der Schiedsrichter gibt jedoch dem Stürmer wegen einer vermeintlichen Schwalbe die gelbe Karte und verhängt einen Freistoß gegen ihn. Wieder einmal sieht man einen schuldigen Spieler (Möhrle) wie in der zweiten Szene (siehe oben), der intuitiv die Arme hoch reißt und signalisiert, nichts gemacht zu haben. Ein Indiz dafür insbesondere im Profifußball, dass sich in den meisten Fällen der fehlbare Spieler in einer derartigen Situation seiner Schuld entziehen will. Ein Strafstoß wäre hier die richtige Entscheidung gewesen. Hier liegt somit eine Fehlentscheidung vor.

Szene 6: Tim Kleindienst (Energie Cottbus) bringt den Ball im Tor unter, der Treffer zählt aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:30]

Babak Rafati: Der Torwart von Fortuna Köln hat den Ball nach der Flanke abgefangen und mit beiden Händen kontrolliert, sodass er in diesem Moment nicht mehr vom Gegenspieler gehindert werden darf. Wenn der Torwart den Ball noch nicht kontrolliert hätte, wäre dieser wie ein Feldspieler zu behandeln und somit wäre der Zweikampf korrekt. So wie man es bei vielen anderen Zweikämpfen bei Feldspielern im Strafraum sieht. Die generelle (!) Bonusregelung für den Torhüter im "Fünfer" wurde vor drei Jahren aufgehoben. Eine richtige Entscheidung, das Tor abzuerkennen.

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Szene 7: Denis Weidlich (Hansa Rostock) bringt Hansa in Führung, die Spieler der Stuttgarter beschweren sich jedoch über einen vermeintlich unberechtigten Einwurf und über den Schiedsrichter-Assistenten, der kurz die Fahne hebt, sie dann aber wieder nach zurücknimmt. Die Spieler der Stuttgarter waren nach eigenen Aussagen verwirrt und stoppten ihr Spiel. [TV-Bilder – ab Minute 3:30]

Babak Rafati: Zunächst schlägt ein Verteidiger von Stuttgart den Ball an der Seitenlinie lang nach vorne und anschließend befördert ein Rostocker Spieler den Ball auf Höhe der Mittellinie ins Seitenaus. Bevor der Ball ins Seitenaus befördert wird, muss der Schiedsrichter ein Signal vom Assistenten bekommen haben, da er pfeift und Blickkontakt zum Assistenten aufnimmt. Er schaut etwas irritiert und entscheidet zunächst auf Einwurf für Stuttgart, um dann vom Assistenten das Signal zu bekommen, dass Rostock den Einwurf zugesprochen bekommt und korrigiert offensichtlich somit seine Richtungsanzeige. Dadurch, dass er den einwerfenden Spieler weiter nach vorne beordert, erkennt man, dass der Ball wohl an dieser Stelle bereits in der Luft im Aus gewesen sein muss.

Nach der Einwurf-Ausführung durch einen Rostocker Spieler, zeigt der Assistent nicht eine Abseitsposition, sondern ein Foulspiel des Verteidigers von Stuttgart an. Da die angreifende Mannschaft in Ballbesitz bleibt und somit eine gute Angriffschance entsteht, entscheidet der Schiedsrichter richtigerweise auf Vorteil und überstimmt die voreilige Entscheidung des Assistenten. Unglücklich für die Verteidiger von Stuttgart, da sie offensichtlich durch das Fahnenzeichen irritiert sind – aber regelkonform. Vielleicht haben sie auch wegen der vermeintlichen Einwurf-Entscheidung vorher noch gehadert. Das Tor wird korrekt erzielt und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Vorteil zu entscheiden, wenngleich in der Entstehung durch die Einwurf-Entscheidung und dem anschließenden Fahnenzeichen wegen Foulspiels eine Verkettung von unglücklichen Umständen zum Tragen kommt.

Hier wird man sicherlich intern über die Zusammenarbeit im Team sprechen. Die Richtigkeit des Einwurfs, ob der Ball tatsächlich vorher im Seitenaus war, kann allerdings anhand der Fernsehbilder nicht fallabschließend beurteilt werden.

 

 

   

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