Schiedsrichter-Analyse zum 30. Spieltag mit Babak Rafati

25 Jahre war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 30. Spieltag hat er sich sieben Szenen einmal genauer angeschaut:

Szene 1:  Denis Weidlich (Hansa Rostock) wird im Strafraum gefoult (4.), das Spiel läuft weiter, Christian Bickel trifft für Hansa, Schiedsrichter Franz Bopok gibt den Treffer jedoch nicht, sondern entscheidet auf Elfmeter für Rostock. [TV-Bilder ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Zunächst einmal liegt kein Foulspiel im Strafraum von Fortuna Köln vor und das Spiel hätte fortgesetzt werden und somit hätte das Tor für Hansa Rostock zählen müssen. Selbst wenn ein Foulspiel vorgelegen hätte, hätte der Schiedsrichter nicht mehr auf Vorteil entscheiden können, denn er hatte bereits, bevor der Ball die Torlinie überschritten hatte, gepfiffen und auf Strafstoß entschieden. Das Spiel war also bereits unterbrochen. Man kann dies an seiner Körpersprache erkennen (der Schiedsrichter zeigt auf den Elfmeterpunkt, noch bevor der Ball im Tor ist, sodass er bereits gepfiffen hatte und danach auch kein Pfiff mehr erfolgt). Da kein Foulspiel vorlag, ist das eine Fehlentscheidung. Anmerkung: Wenn der Strafstoß verschossen wird, zuvor aber Spieler beider Mannschaften zu früh vor der Ausführung in den Strafraum eindringen, was in dieser Situation der Fall war, gibt es laut Regel immer eine Wiederholung anzuordnen, was aber nicht erfolgte.

Szene 2: Marco Kofler (Hansa Rostock) wird im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Bokop entscheidet auf Elfmeter (24.). [TV-Bilderab Minute 2:00]

Babak Rafati: Ein Kompliment an den Assistenten, der diese Szene sieht und diese dem Schiedsrichter unmittelbar über das Headset mitteilt. Dem Schiedsrichter ist kein Vorwurf zu machen, dass er diesen Vorgang nicht selbst sieht, da er dem Spielgeschehen folgen muss. Dass der Schiedsrichter diesen Vorgang nicht gesehen hat, sieht man daran, dass er hilfesuchend zum Assistenten guckt und sich etwas zurufen lässt, offensichtlich die Rückennummer des fehlbaren Spielers. Das Spiel verlagert sich aus dem Strafraum heraus. Der Verteidiger mit der Nummer 5 von Fortuna Köln stellt dem Gegenspieler von Hansa Rostock ein Bein. Da dieser Vorgang im Strafraum und der Ball im Spiel war, gibt es folglich einen Strafstoß. Da das eine Unsportlichkeit ist muss es zudem mit der gelben Karte bestraft werden. Klasse gesehen und eine absolut richtige Entscheidung!

 

Szene 3: Justin Eilers (Dynamo Dresden) wird im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Patrick Ittrich entscheidet auf Elfmeter (73.). [TV-Bilder ab Minute 9:00]

Babak Rafati: Der Verteidiger von Halle tritt seinen Gegenspieler klar im Strafraum in die Beine und somit gibt der Schiedsrichter richtigerweise einen Strafstoß für Dynamo Dresden. Kompliment an den Schiedsrichter, nicht nur für diese Entscheidung, sondern weil er auch seine ganze Erfahrung einbringt, indem er mit seiner Körpersprache (mit den Armen) signalisiert, dass der Verteidiger per Grätsche den Gegenspieler trifft und eine gute und klare Außenwirkung damit erzielt. Obwohl in diesem Ostderby kurz die Gemüter hoch kochen, beruhigt sich die Lage sehr schnell, weil der Schiedsrichter cool bleibt und deeskalierend einwirkt. Eine richtige Entscheidung gepaart mit einer wohltuenden Gestik.

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Szene 4: Luca Schnellbacher (Wehen Wiesbaden) spielt den Ball im Strafraum mit der Hand, Schiedsrichter Felix-Benjamin Schwermer lässt das Spiel aber weiterlaufen (7.). [TV-Bilderab Minute 1:24]

Babak Rafati: In dieser Szene ist der Ball nach einer Standardsituation ganz lange in der Luft und wird in den Strafraum von Wehen Wiesbaden gespielt. Der Verteidiger springt hoch und spielt den Ball klar mit der Hand im Strafraum. Da eine lange Distanz vorlag und die Arme zum Ball gehen sowie der Blick zum Ball geht, liegt ein strafbares Handspiel vor. Der Assistent hätte helfen können bzw. müssen, da er freie Sicht zum Vorgang hat. Hier hätte es einen Strafstoß für VfL Osnabrück geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

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Szene 5: Reagy Ofosu (Chemnitzer FC) wird im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Daniel Siebert gibt jedoch keinen Elfmeter (19.). [TV-Bilderab Minute 2:00]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat eigentlich einen optimalen Blick auf den Zweikampf. Der Angreifer von Chemnitz wird klar durch Beinstellen knapp innerhalb des Strafraums zu Fall gebracht, was einen Strafstoß nach sich hätte ziehen müssen. Für einen Schiedsrichter, der diesen Vorgang auf dem Platz vielleicht nicht genau wie wir im TV sieht, ist ein Indiz hilfreich: Die Geste des foulenden Spielers von Energie Cottbus mit der Nummer 13 (Ronny Garbuschewski, Anm. d. Red.). Er nimmt die Arme hoch und will signalisieren: 'Ich habe nichts gemacht', weil er sich sicherlich seiner Schuld sehr bewusst ist. Zudem ist die Körperstarre nach dem Foulspiel und der Gesichtsausdruck typisch in solchen Situationen. Damit wollen Spieler oft ihre Unschuld signalisieren, um die Situation noch zu retten. Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters.

Szene 6: Tim Kleindienst (Energie Cottbus) bringt Energie mit 1:0 in Führung, steht aber bei der Vorlage offenbar im Abseits. Schiedsrichter Daniel Siebert entscheidet dennoch auf Tor (21.). [TV-Bilderab Minute 2:37]

Babak Rafati: Beim Abspiel zum späteren Schützen steht der Spieler von Energie Cottbus knapp im Abseits. Hilfreich für die Assistenten sind oftmals die Rasenmarkierungen (hell/dunkel gemäht). Die Schwierigkeit liegt darin, dass der Assistent immer auf der Höhe des vorletzten Verteidigers stehen muss, um eine exakte Beurteilung vornehmen zu können. Das erfordert, dass er sich immer flexibel in Sidesteps in beide Richtungen (nach links und nach rechts) bewegen muss. Auch durch die gegenläufigen Bewegungen der Verteidiger (rauslaufen) und der Angreifer (reinlaufen) im gleichen Augenblick wird die Einschätzung noch schwieriger, weil man dann auch noch den Augenblick des Abspiels abpassen muss. Also viele Faktoren gleichzeitig, die die schwere Arbeit der Assistenten aufzeigen. Hier lag eine Fehlentscheidung vor.

 

Szene 7: Marcus Piossek (Münster) wird im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Lasse Koslowski entscheidet auf Elfmeter (90.+2). [TV-Bilder ab Minute 3:45]

Babak Rafati: Im Strafraum kommt es im Laufduell zu einem Zweikampf, bei dem der Angreifer von Preußen Münster sehr "geschickt" den Kontakt sucht und dafür einen Strafstoß zugesprochen bekommt. Aber auch der Verteidiger von Mainz 05 stellt sich "ungeschickt" an. Da kann man dem Schiedsrichter überhaupt keinen Vorwurf machen, denn auf dem Platz kann er nicht im realen Ablauf exakt diesen Ablauf sehen, auch wenn dieses Zweikampfverhalten später im TV durch die Zeitlupen entlarvt wird. Hier wird jeder Trainer seinem Verteidiger sagen, dass es cleverer wäre, im Zweikampf etwas zurückhaltender zu agieren, damit diese Szene vom Angreifer nicht zum eigenen Vorteil genutzt wird. Hier kann man abschließend von einer vertretbaren Entscheidung und ungeschicktem Abwehrverhalten sprechen.

 

   

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