Strittige Szenen am 1. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
25 Jahre war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 1. Spieltag hat er sich sechs Szenen einmal genauer angeschaut.
Szene 1: Eric Oelschlägel (Werder Bremen II) bringt Tobias Jänicke (Hansa Rostock) im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Thorben Siewer entscheidet auf Elfmeter für Hansa und Gelb für den Keeper. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]
Babak Rafati: In dieser Szene ist die entscheidende Frage, ob durch den Torhüter eine klare Torchance vereitelt wird oder nicht. Da sich der Rostocker Spieler den Ball links am Torwart vorbei legt, wäre er nicht direkt auf das gegnerische Tor zugelaufen und hätte somit keine glasklare Torchance gehabt. Somit liegt keine sogenannte "Notbremse" vor und die gelbe Karte ist die richtige Entscheidung.
Ergänzung d. Red.: Der in der Pause eingewechselte Ousman Manneh (Werder Bremen II) hätte kurz nach seinem Treffer aufgrund von mehreren Fouls des Feldes verwiesen werden müssen, sah aber nur Gelb – eine Fehlentscheidung. Die vorzeitige Auswechslung in der 82. Minute rettete Manneh vor dem Platzverweis. Die TV-Bilder zeigen besagte Fouls jedoch nicht.
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Szene 2: Carsten Kammlott (Rot-Weiß Erfurt) wird im Strafraum zu Fall gebracht, Schiedsrichter Patrick Ittrich entscheidet jedoch auf Abseits [TV-Bilder – ab Minute 1:30]
Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Abspiels auf den Erfurter Stürmer befindet sich dieser in strafbarer Abseitsposition. Kurz danach wird er im Strafraum gefoult. Hier ist aber maßgeblich, dass die erste Aktion bewertet wird. Daher ist Abseits die richtige Entscheidung, da der Spieler erst im Abseits steht, bevor er anschließend vom Gegenspieler gefoult wird. Man darf auch nicht vergessen, dass es einen Moment dauert, bis der Schiedsrichter das Zeichen vom Assistenten bekommt und dieser dann pfeift – daher diese kurze Verzögerung.
Szene 3: Carsten Kammlott (Rot-Weiß Erfurt) rennt auf Jan Glinker (1. FC Magdeburg) zu und trifft den Keeper mit dem Fuß im Gesicht, Ittrich zeigt Kammlott die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]
Babak Rafati: Eine schwierige Situation für den Schiedsrichter, in der Schnelligkeit alles so wahrzunehmen, wie wir es im TV mehrfach betrachten können. Der Angreifer hat das Bein natürlich sehr weit oben. Er zieht aber nicht voll durch und trifft somit den Torhüter nicht so intensiv, da er Glinker in letzter Sekunde angestürmt sehen kommt. Der Schiedsrichter unterbricht das Spiel. Jetzt kommt die gesamte Routine des Schiedsrichters zum Tragen, denn er pfeift zunächst einmal, schaut sich die Verletzung des Torhüters in aller Ruhe an und wird auch die sofort entschuldigende Geste des Stürmers gesehen haben. Die Szene löst sich auch schnell wieder auf, somit trifft der Schiedsrichter nach einer kurzen Analyse aller Faktoren die richtige Entscheidung mit der gelben Karte. Ohne Hektik und nicht zu vorschnell. Diese Spielweise war gefährlich, aber keinesfalls roh oder gewalttätig. Prima gelöst!
Szene 4: Christopher Handke (1. FC Magdeburg) foult Okay Aydin (Rot-Weiß Erfurt), der daraus resultierende Freistoß führt zum 1:0 für RWE. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]
Babak Rafati: Diesen Zweikampf kann man als Foul bewerten, denn der Verteidiger geht alles andere als geschickt in den Zweikampf und trifft seinen Gegenspieler ins Kreuz, zwar nur kurz aber dennoch ansatzlos. Die Entscheidung ist richtig.
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Szene 5: Kevin Conrad (Chemnitzer FC) berührt den Ball im Strafraum mit der Hand, Schiedsrichter Sven Jablonski lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]
Babak Rafati: Der Ball springt kurz auf und wird vielleicht minimal mit der Hand berührt. Der Verteidiger dreht sich und dadurch bewegen sich die Arme automatisch mit. Dabei kann man aber keinesfalls von einem absichtlichen Handspiel sprechen, wenngleich noch nicht einmal klar erkennbar ist, ob überhaupt eine Berührung vorliegt. Für mich eine richtige Entscheidung, hier weiter spielen zu lassen.
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Szene 6: Benjamin Schwarz sieht nach einer vermeintlichen Schwalbe im Strafraum von Schiedsrichter Christian Dietz Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]
Babak Rafati: Diese Schwalbe will kein echter Fan sehen, somit schreibt die Fußballregel klar vor, dass derartige Spielweisen konsequent unterbunden und mit Gelb bestraft werden müssen. Da der Spieler aber bereits vorher Gelb vorgewarnt war, ist folglich die gelb-rote Karte die absolut richtige Entscheidung.