Schiedsrichter-Interview
Den Auftakt der Themenwoche "Schauspielerei im Fußball" stellt der Schiedsrichter Ronald Schober aus Braunschweig. Das besondere dabei ist, dass Ronald sowohl Schiedsrichter in der Oberliga Niedersachsen als auch Schauspieler ist. Somit ist ein interessanter Blick aus gleich 2 Perspektiven möglich. liga3-online.de hat ihm nun dazu in einem Interview einige Fragen zu dem oben genannten Thema gestellt:
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Hallo Ronald. Erstmal vielen Dank, dass du Dich bereit erklärt hast, dieses Interview zu führen. Bei welchem Verein bist du derzeit tätig und was hat Dich dazu bewegt Schiedsrichter zu werden?
Ich habe die Schiedsrichterprüfung gemacht, als mir Fußballspielen im Hinblick auf meine Berufsausbildung zum Schauspieler auf der Schauspielschule zu gefährlich wurde. Da wäre bei einer schwerwiegenderen Verletzung die ganze Ausbildung und damit der Beruf in Gefahr gewesen. Als Schiedsrichter verletzt man sich nicht so schnell und wenn doch, dann nur leichter. Zurzeit bin ich Mitglied beim TuS Bröckel, einem Bezirksligisten in Niedersachsen im Kreis Celle.
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Kommen wir nun zum Thema: „Schauspielerei im Fußball". Ein großes Problem?
Ich denke nein. Natürlich gibt es immer wieder mal Versuche, die Schiedsrichter auf die ein oder andere Weise hinters Licht zu führen, doch gerade erfahrenere Spielleiter merken sehr schnell, wer wirklich gefoult wird und wer zum eigenen Abheben neigt.
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Kann man als Schiedsrichter darauf überhaupt reagieren?
Das schon. Gerade wenn man merkt, dass ein Spieler zum Simulieren bzw. zum „Vergrößern" eines normalen Foulspiels neigt, ist ein Ansprechen des Spielers sinnvoll, so dass es gar nicht erst zu wirklich problematischen Fällen (z.B. der Schwalbe im Strafraum) kommt. Wenn doch, habe ich als Schiedsrichter ja immer noch die Möglichkeit, gegen den Spieler zu pfeifen und ihn zu verwarnen.
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Gibt es gar Anzeichen bzw. Merkmale für Schauspielerei im Fußball?
Vielleicht habe ich durch meinen Beruf noch ein bisschen mehr den Blick dafür, ob Bewegungsabläufe authentisch sind oder nicht. Aber auch wer selbst lange Fußball gespielt hat, weiß, welche Berührungen fußballtypisch und unabsichtlich sind und wo Absicht dahintersteckt. Weitere Indizien sind die Blickrichtungen der Spieler und die Bewegung der Arme. Bei den meisten Täuschungsversuchen gehen die Arme der Spieler weit nach oben, um die Szene zu vergrößern. Der normale Bewegungsablauf wäre, die Arme Richtung Rasen zu bewegen, um den Sturz abzufangen.
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Eine große Erfahrung spielt bei diesem Thema sicher eine große Rolle. Wie lange glaubst du muss ein Schiedsrichter Spiele gepfiffen zu haben, um alle Tricks der Spieler zu kennen?
Erfahrung ist das eine, die Beschäftigung mit dem Thema auch bei Fortbildungen und Lehrabenden die andere Möglichkeit, sich mit dem Thema vertraut zu machen.
Die Kombination aus beidem ist der Königsweg. Sich nur auf Erfahrung verlassen zu wollen, würde beim Schiedsrichter eine falsche Sicherheit hervorrufen. Auch als erfahrener Schiedsrichter muss ich weiter an mir arbeiten.
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Ist es den Schiedsrichter bewusst, dass manche Fußballer nach Fouls bewusst Schmerzen vortäuschen, um z.B. einen Konter zu unterbinden?
Natürlich wissen wir um fußballertypische Verhaltensweisen, doch das Regelwerk gibt uns auch genügend Möglichkeiten, angemessen darauf zu reagieren. So ist eine Unterbrechung durch den Schiedsrichter nur bei offensichtlich schweren Verletzungen zu veranlassen. In der Praxis machen das die Mannschaften zufriedenstellend unter sich aus.
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Oftmals ist es ja sicher ziemlich schwer DIE richtige Entscheidung zu treffen. Wie ist die Reaktion der Spieler dann darauf?
Als Schiedsrichter weiß man, dass man immer Entscheidungen für die eine und gegen die andere Mannschaft trifft. Wichtig ist, für die Spieler berechenbar zu bleiben und auf beiden Seiten den gleichen Maßstab anzulegen. Wenn das rüberkommt, werden auch Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft in der Regel akzeptiert.
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Wie gehst du mit dem „Schauspieler" um, wenn er sein Vergehen verneint?
Das interessiert mich ehrlich gesagt nicht besonders. Wenn ich mir sicher bin, dass ein Foulspiel nur vorgetäuscht wurde, dann gibt’s als Konsequenz den indirekten Freistoß und die Verwarnung für den betreffenden Spieler. Dass dieser damit eher nicht einverstanden sein wird, weiß ich schon vorher. Ich verzichte daher auf weitere Diskussionen und sorge für eine schnelle Spielfortsetzung.
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Wie schwer wiegt die Angst im Hinblick auf die Persönlichkeit der Schiedsrichter eine mögliche falsche Entscheidung zu treffen?
Damit geht jeder Schiedsrichter anders um, doch ich weiß natürlich, dass ich wie jeder andere auch mal einen Fehler mache. Das gehört nun mal dazu. Angst habe ich davor keine, die würde auch meine Spielleitung beeinflussen.
Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich bei einer Einwurf- oder Strafstoßentscheidung falsch liege. Wichtig ist es, aus evtl. Fehlern zu lernen und zu überdenken, aus welchem Grund der Fehler entstanden sein könnte. Dies kann ich spätestens im nächsten Spiel besser machen.
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Wie geht man mit solch einer Situation nach dem Spiel um? Denkt man zuhause noch lange über eine falsche Entscheidung nach?
Natürlich gab es Entscheidungen, die einem lange nachhängen. Gerade auch, weil es im Amateurbereich keine objektive Möglichkeit gibt, die Szene nochmal zu sehen. Wichtig ist eben dann die Aufarbeitung, aber auch das „Abhaken" bis zum nächsten Spiel.
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Hat man vielleicht sogar Angst, dem Schauspieler aus dem letzten Spiel, dem man beispielsweise keinen Freistoß zugesprochen hat, noch einmal wieder zu begegnen?
Nein, das überhaupt nicht. Eher ginge das in diesem Falle ja dem Spieler so, weil sein Täuschungsversuch nicht zum Erfolg geführt hat. Insgesamt macht die Beurteilung von Täuschungsversuchen aber nur einen minimalen Teil der Entscheidungen eines Schiedsrichters aus und steht daher bei uns nicht so stark im Fokus.
liga3-online.de bedankt sich für das nette Gespräch und verweißt nun auf die Homepage von Ronald Schober, wo man weitere Informationen zu seiner Person finden kann: www.ronaldschober.de