Saisonfazit SV Darmstadt 98: Hoffnung auf die 3. Liga bleibt

Platz 18, 38 Punkte – Der SV Darmstadt 98 ist sportlich aus der Dritten Liga abgestiegen. Nach der starken Aufstiegssaison 2011/12 kam die schwere zweite Spielzeit auf die Südhessen zu – doch niemand hätte erwartet, dass sie so schwer werden würde: Platz 20 nach der Hinrunde, insgesamt drei Trainer, drei Derbysiege und das schier unfassbare 1:1 im entscheidenden Spiel gegen die Stuttgarter Kickers um den Ligaverbleib sind die Eckpunkte einer nervenaufreibenden Saison. liga3-online.de analysiert die Gründe für das schlechte Abschneiden der „Lilien“, die jedoch doch noch auf einen Verbleib in der Liga hoffen dürfen.

Das lief gut

Der Teamgeist der „98er“ war die gesamte Saison über zu spüren und gipfelte nach dem mehr als bitteren 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers im Finale um den Klassenerhalt im Gewinn des Hessenpokals: Ausgerechnet auf dem Bieberer Berg in Offenbach deklassierte die Darmstädter Mannschaft den SV Wehen Wiesbaden mit 4:0 und steht damit im DFB-Pokal 2013/14. Unter den lediglich acht Saisonsiegen sind zwei Erfolge gegen den alten Rivalen Kickers Offenbach verzeichnet: In der Hinrunde gewann Darmstadt 98 in einem Kampfspiel gegen den damals noch mit Aufstiegsambitionen angetretenen Favoriten am heimischen Böllenfalltor mit 1:0. In der Rückrunde hielten die „Lilien“ ihre Hoffnungen auf den Klassenerhalt mit einem absolut verdienten und überzeugenden 2:0 Erfolg in Offenbach am Leben. Außerdem ging das Hessenpokalhalbfinale wenige Tage später erneut mit 1:0 an die Darmstädter.

Drei blau-weiße Derbysiege in einer Saison hatte es vorher auch noch nicht gegeben. In der guten Rückrunde (23 Punkte) kassierte die frisch formierte Abwehr um Identifikationsfigur Aytac Sulu lediglich 18 Tore, spielte unter der Regie von Coach Dirk Schuster gar neunmal zu Null, was in allen Partien zuvor nur einmal (!) glückte.

 

Das lief schlecht

Die unterm Strich katastrophale Hinserie legte den Grundstein für den sportlichen Abstieg der Südhessen: Nur 15 geholte Punkte waren eine zu große Hypothek für die Mannschaft um Kapitän Jan Zimmermann. Zu oft wurden zudem Punkte leichtfertig hergegeben, gerade gegen die direkten Konkurrenten aus Halle, Erfurt, Stuttgart, Dortmund, Babelsberg und Aachen sieht die Bilanz düster aus: Den „Lilien“ gelang nur ein Sieg (4:2 in Erfurt), gegen Halle und Dortmund kosteten Gegentreffer in den Schlussminuten wichtige Punkte. Insgesamt wurden nur 9 von 36 möglichen Zählern gegen diese Teams geholt. Unter Trainer Schuster stimmte zwar die Defensivleistung nach der Winterpause, den Abstieg hat aber die schlechte Torausbeute der Darmstädter über die gesamte Spielzeit hinweg zu verantworten: 32 erzielte Treffer bedeuten zusammen mit Babelsberg den geringsten Wert in der Dritten Liga. Das Angriffspiel der Südhessen in der Hinrunde war geprägt von langen Bällen auf die einzige Spitze Marcus Steegmann, der aufgrund dieses Systems und viel Pech nicht traf und bis zum Winter sein Selbstvertrauen komplett verloren hatte. Die offensiven Außen Hesse, Zielinsky oder Zimmerman konnten sich zu selten durchsetzen und Steegmann somit kaum mit Flanken füttern bzw. ihn entlasten. In der Winterpause wurde der bereits zweitligaerfahrene Schwede Freddy Borg verpflichtet, der mehr Dynamik und Schnelligkeit in die Spitze bringen sollte. Doch auch er litt unter dem gespielten 4-2-3-1 – man hatte das Gefühl, dass auch Mario Gomez den „Lilien“ nicht hätte weiterhelfen können – der Fehler lag eindeutig im System.Dies erkannte Dirk Schuster und ließ die letzten vier Saisonspiele mit Preston Zimmerman als hängender Spitze spielen: In dieser Ordnung erzielte Darmstadt 1,75 Tore pro Spiel, die 34 Partien zuvor lediglich 0,82.

 

Bester Spieler

Die verbesserte Defensivleistung nach der Winterpause ist untrennbar mit Aytac Sulu verbunden: Der Winterneuzugang präsentierte sich vom ersten Spiel weg als absolute Verstärkung. Stellungsspiel, Zweikampfstärke, Kopfballspiel und auch offensive Akzente (zwei Saisontore) zeichneten Sulu aus und ließen ihn zum Führungsspieler und Publikumsliebling avancieren. Um ein Haar hätte er sich selbst ein Denkmal gesetzt und den Klassenerhalt gesichert, doch sein Kopfball in der 88.Minute im Spiel gegen die Stuttgarter Kickers knallte an die Latte. Neben Sulu konnte sich auch Innenverteidigerkollege Benjamin Gorka nochmals steigern, auf der Zielgeraden der Saison fanden auch die Stürmer Preston Zimmerman und Marcus Steegmann ihre Form wieder.

 

Schlechtester Spieler

An Einsatz mangelnde es über die gesamte Spielzeit hinweg nicht, doch suchten einige Spieler über lange Zeit hinweg ihre Form oder konnten kein dauerhaftes Drittliganiveau nachweisen: Flügelspieler Sebastian Zielinsky zeichnete sein hohes Engagement aus, doch ließ er jegliche Durchschlagskraft im Angriff vermissen und konnte so nur schwache zwei Assists (kein Tor) für sich verbuchen. Elton Da Costa, als Hoffnungsträger für Standards und Kreativität geholt, konnte sein hohes technisches Niveau und seine gute Spielübersicht zu selten effektiv einsetzen, erzielte aber immerhin das entscheidende 1:0 gegen Wehen Wiesbaden. Symptomatisch für seine Saison, dass sein wunderbarer Freistoß gegen die Stuttgarter Kickers vom Innenpfosten zurück ins Feld sprang. Rudi Hübner, Uwe Hesse, Andreas Gaebler, Christian Beisel und Cem Islamoglu im Besonderen und der Kader im Allgemeinen (Ausnahme Torwart Jan Zimmermann) konnten zudem ihr Niveau der Vorsaison nicht halten.

Saisonhighlight

Wie bereits erwähnt sind die drei Derbysiege als Highlights zu nennen, aber auch der absolut verdiente 1:0 Erfolg gegen den haushohen Favoriten VfL Osnabrück sticht aus der unglücklichen Saison heraus.

 

Negatives Saisonhighlight

Die genannten zahlreichen vermeidbaren Punktverluste gegen die direkten Konkurrenten, aber auch gegen Teams wie Arminia Bielefeld (1:3 in der Hinrunde, Darmstadt lange Zeit in Überzahl und mit zahlreichen Chancen, aber nur einem Tor, Arminia dagegen gnadenlos effektiv) sind ein einziges Ärgernis. Das 1:1 gegen Stuttgart ist aufgrund der gezeigten Leistung, dem atmosphärischen Rahmen (13.600 Zuschauer) und der gezeigten Einheit von Mannschaft und Fans nicht gänzlich als negativer Saisonhöhepunkt zu bezeichnen – das Team ist nicht an diesem Tag abgestiegen, sondern in den obengenannten Partien.

Transfers

Im Vorfeld der Saison ließ der damalige Coach Kosta Runjaic mit Kevin Wölk einen unbestrittenen Leistungsträger ziehen, der für Kreativität und Offensivqualität stand. Dies war im Nachhinein betrachtet der Kardinalsfehler in der Vorbereitung bzw. Planung, da kein adäquater Ersatz verpflichtet wurde. Stürmer Ugur Albayrak war schnell wieder weg, Mittelfeldtalent Musa Karli spielte im Prinzip überhaupt keine Rolle. Linksverteidiger Michael Stegmayer dagegen überzeugte als spritziger Nachfolger von Fouad Brighache, war eine der Säulen der Mannschaft. Stürmer Kacper Tatara fehlte lange Zeit verletzt, in der Hinrunde deutete er jedoch sein Potenzial an. Außen Sebastian Zielinsky enttäuschte wie bereits erwähnt, konnte wenn überhaupt nur durch Kampf überzeugen. Hanno Behrens entwickelte sich über die gesamte Spielzeit hinweg zu einem soliden 6er mit Perspektive. Benjamin Maas spielte als Abwehr-Backup verlässlich, Marc Schnier keine große Rolle. Elton Da Costa konnte gemessen an seinem Können zu selten überzeugen. Hüne Benjamin Gorka verlieh der Abwehr vor der Winterpause zumindest etwas Stabilität, konnte aber erst mithilfe von Volltreffer Aytac Sulu den Laden komplett dicht halten. Stefan Hickl zeichnete sich zuallererst durch authentische Identifikation mit den „Lilien“ aus, spielte jedoch lediglich einen soliden, eher unauffälligen Part auf der rechten defensiven Außenbahn. Freddy Borg war im Sturm nicht die erhoffte Verstärkung, was jedoch in allererster Linie am System, aber auch an Pech und unglücklichen Aktionen des Schweden lag.

Trainer

Aufstiegsheld Kosta Runjaic verspielte mit dem verkorksten Saisonstart, zum Teil unverständlichen Aufstellungen bzw. Einwechslungen und unnahbarem Auftreten schnell Kredit bei den Fans, auch das Verhältnis zu seiner Mannschaft kühlte merklich ab. Zudem taten die Gerüchte rund um seinen Wechsel zum MSV Duisburg ihr Übriges, um den Trainer in ein negativ konnotiertes Bild zu drängen. Bezeichnend, dass sein letztes Spiel auf der Darmstädter Trainerbank ein deprimierendes 0:2 gegen Heidenheim (8.Spieltag) war, bei dem die Zuschauer anstatt sich vernünftig von Runjaic zu verabschieden, mehrheitlich 10 Minuten vor Schluss das Stadion verließen.

Anschließend kam Jürgen Seeberger, der mit einer Mischung aus Skepsis und Aufbruchsstimmung am Böllenfalltor empfangen wurde: „Ich denke, ich kann ganz gut mit Menschen“, lautete einer der Sätze, die Seeberger im Rahmen einer Fan-Fragerunde sprach. Diese Einschätzung ist in der Mannschaft gelinde gesagt umstritten, da Seeberger, trotz dem ansprechenden 1:0 gegen Offenbach insgesamt eben nicht mit der Mannschaft konnte und nach dem 0:3 in Münster im letzten Spiel vor der Winterpause entlassen wurde. Nach lediglich 10 Punkten aus 13 Spielen.

Dirk Schuster wurde schließlich als dritter Coach der Saison vorgestellt und es gelang ihm sofort, dem Team defensive Stabilität zu verleihen. Unter seiner Regie bließen die „Lilien“ zur Aufholjagd und zeigten teilweise wieder den Fußball, der sie noch in der Vorsaison auszeichnete: Schnelles Umschalten mit schönen Kombinationen – allein, die Tore wollten oftmals nicht fallen. Pfosten, Latte, der Abseitspfiff oder das ungefährliche Flügelspiel verhinderten mehrfach eine bessere Ausbeute. Auch dank der Umstellung auf zwei Spitzen hatte Darmstadt letztendlich das herbeigesehnte Endspiel, ausgerechnet gegen Schusters Ex-Club Stuttgarter Kickers, an dessen Ende trotz guter Leistung der Abstieg stand.

Fazit

Am Ende fehlte ein Tor zum Darmstädter Klassenerhalt, doch die Fehler wurden auch vor der Saison gemacht: Leistungsträger wurden nicht ersetzt, die gekommenen Neuzugänge blieben anschließend unter ihren Möglichkeiten oder schlugen nicht ein (Ausnahme Stegmayer und die Winterzugänge).Die typischen Begleiter einer Abstiegssaison gesellten sich schon früh zu den „Lilien“ und wurden ein stetiger Begleiter: Pfosten, Latte, Unkonzentriertheiten, strittige Schiedsrichterentscheidungen (u.a. Platzverweis für Benjamin Gorka nach einer Verwechslung mit Aytac Sulu in Heidenheim) und Formschwäche machten einen Großteil der Spielzeit aus, an deren Ende der bittere sportliche Abstieg steht. Lichtblicke gab es in Form der Derbysiege und der Teilnahme am DFB-Pokal in der nächsten Saison – und angesichts der aktuellen Ereignisse sei zudem erwähnt, dass der SV Darmstadt 98 auf einem absolut gesunden Fundament steht und seit der Fastinsolvenz 2008 zumindest wirtschaftlich und finanziell alles richtig gemacht hat. Das Gegenbeispiel geben zurzeit andere Vereine ab, weshalb trotz des sportlichen Abstiegs noch die Chance auf einen Verbleib in der Dritten Liga besteht: Der DFB verweigert Kickers Offenbach aufgrund eines Formfehlers die Lizenz, dem OFC bleibt nun noch die Möglichkeit der Beschwerde. Auch der MSV Duisburg besitzt stand heute keine Lizenz – allerdings für die zweite Liga – und würde mit einem direkten Gang in die vierte Liga den „Lilien“ den Klassenverbleib ermöglichen. Im Endeffekt würde sicher ein schaler Beigeschmack bleiben, doch sollte sich solides Wirtschaften im Zweifel immer gegen Risiko, Spekulieren und einem Tanz auf der Rasierklinge durchsetzen. Allein, um ein Zeichen für die Zukunft zu setzen und letztendlich die Anhänger eines Vereins vor solch einer Hiobsbotschaft zu bewahren, wie sie nun jene des OFC oder des MSV Duisburg erhalten mussten – und eventuell ein zweites Mal müssen.

FOTO: Flohre Fotografie

   
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