Kommentar: Leonhardt-Rücktritt kann nur der erste Schritt sein
Beim FC Erzgebirge Aue ist am Sonntag eine Ära zu Ende gegangen. Nach acht Jahren im Amt hat Präsident Helge Leonhardt die Konsequenzen aus der Talfahrt der letzten Monate gezogen und seinen Rücktritt erklärt. Damit macht der 63-Jährige den Weg für den notwendigen Neuanfang frei, gleichwohl kann das nur erste Schritt sein. Ein Kommentar.
Große Verdienste, aber auch große Fehler
Er war die treibende Kraft hinter dem FC Erzgebirge Aue in den letzten Jahren: Helge Leonhardt. Zwar stand nur wenige Monate nach Amtsantritt im September 2014 der Abstieg aus der 2. Bundesliga zu Buche, doch in der darauffolgenden Saison schafften die Veilchen den direkten Wiederaufstieg – nicht zuletzt dank einiger kluger Entscheidungen von Leonhardt. Auch dass sich Aue anschließend sechs Jahre in Folge in der 2. Bundesliga hielt – und damit so lange wie nie zuvor -, war ein Verdienst des 63-Jährigen. Doch so groß der Anteil Leonhardts an der positiven Entwicklung des FCE in den letzten Jahren auch war: An der Talfahrt in den vergangenen Monaten hatte er ebenso seine Aktien.
Alles begann mit der Verpflichtung von Trainer Aleksey Shpilevski im Sommer 2021. Ein Experiment, das Leonhardt heute vor genau einem Jahr nach nur acht Spielen wieder beendete. Anschließend schafften es weder Marc Hensel, noch Carsten Müller und Pavel Dotchev, die Veilchen in die Spur zu bringen – auch, weil Leonhardt in der Sommerpause Top-Torjäger Pascal Testroet ohne Not an den SV Sandhausen abgeben hatte.
Es waren Personalentscheidungen wie diese, die den Niedergang einleiteten. Insgesamt begrüßte der 63-Jährige während seiner Amtszeit elf (!) neue Übungsleiter – alle Interimstrainer mitgezählt waren es sogar derer 19. Vor dieser Saison verzichtete Leonhardt zudem darauf, nach der Trennung von Pavel Dotchev einen neuen Sportdirektor einzustellen. Stattdessen überließ er Trainer Timo Rost die Kaderplanung – ein Fehler, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
Nur der erste Schritt
Dass Leonhardt nun die Konsequenzen aus der Talfahrt gezogen hat, ist nur folgerichtig – zumal es im Umfeld ohnehin schon brodelte. Wenn sowohl Fanklubs als auch Sponsoren den Rücktritt des Vorstands fordern, schrillen die Alarmglocken. Mit seinem Rücktritt ist Leonhardt einem möglichen Rauswurf zuvorgekommen und hat den Weg für den dringend benötigten Neuanfang freigemacht. Gleichwohl kann das nur der erste Schritt gewesen sein.
Die Gremien müssen jetzt die Frage beantworten, ob Timo Rost noch der richtige Trainer ist. Argumente dafür hat der 44-Jährige zuletzt nicht gesammelt. Vieles spricht daher dafür, dass Rost in Kürze freigestellt wird. Doch ein Trainerwechsel allein dürfte kaum reichen, um die Wende einzuleiten. Es braucht vor allem Kompetenz – besonders auf sportlicher Ebene. Dass diese in Form eines Sportdirektors fehlt, hat Leonhardt zu lange nicht erkannt. Ein Handlungsdefizit, das nun so schnell wie möglich ausgeglichen werden muss. Denn um den Komplettabsturz in die Regionalliga zu verhindern, ist es unabdingbar, jetzt einen klaren Cut zu machen. Auch hinter den Kulissen. Nur dann ist ein echter Neuanfang möglich.