Kapitän eines Aufsteigers: Sowislo verabschiedet sich
In der 86. Minute war es vorbei. Das letzte Heimspiel für den 1. FC Magdeburg. Marius Sowislo schaute sich um, und wo er hinsah, entdeckte er Zuschauer, die frenetisch klatschten, jubelten, sich sprichwörtlich verneigten. Doch die größte Reaktion zeigten seine Mitspieler. Eine große Karriere fernab des Scheinwerferlichts endet.
Spätstarter Sowislo
Wer ist Marius Sowislo? Selbst die Anhänger des 1. FC Magdeburg – und das waren im Juli 2012 noch längst nicht so viele wie sechs Jahre darauf – wussten mit diesem Namen damals, in einer der vielen tristen Regionalliga-Spielzeiten, eher wenig anzufangen. Nun gut: Den Kader der Sportfreunde Siegen, damals Fünftligist, musste auch niemand auswendig kennen. Eigentlich war Marius Adrian Sowislo, nachdem er bei seiner bis dato höchstklassigsten Station – Preußen Münster in der Regionalliga West – aussortiert worden war, schon gescheitert. Und dann kam der FCM.
Er kickte beim WSV Bochum, beim TuS Hordel und beim 1. FC Kleve. Tja, wo? Es klingt nach der Karriere eines Oberliga-Fußballers, eines Amateursportlers, der Fußball als Hobby betreibt, aber nicht damit sein Geld verdient. Dann spielte er zwischen 2004 und 2006 beim Wuppertaler SV, zwischen 2006 und 2009 bei Preußen Münster. Na immerhin.
Und schon in Münster wurde er zum Publikumsliebling. "Wir gewinnen Sowislo", sangen die Anhänger, wenn der damalige Stürmer mal wieder traf. Doch ein gnadenloser Torjäger war der Deutsch-Pole nie. Später schulte er um, ins zentrale Mittelfeld. Es sollte keine schlechte Entscheidung sein.
Eine späte Karriere, die so nicht vorherzusehen war
13 Spiele hatte Sowislo in der Saison 2011/12 nur für die Sportfreunde Siegen absolviert. Eigentlich war er sogar in der 5. Liga gescheitert, geplagt von einem Fußbruch, der ihn so weit wie noch nie zurückgeworfen hatte. Und doch nahm ihn der 1. FC Magdeburg unter Vertrag, einen 29-Jährigen ohne ersichtliche Perspektive. Wer damals vermutet hätte, dass dieser Marius Sowislo noch gut 200 Pflichtspiele für die Elbestädter absolvieren würde, mehrere Male den Landespokal gewinnen und zwei Aufstiege feiern würde, den hätte man für verrückt erklärt.
Magdeburg ging ins Risiko und verpflichtete einen No-Name. So, wie es der Verein in den darauffolgenden Jahren immer wieder tat – und verdammt oft das richtige Näschen hatte. Sowislo wurde zum Anführer. Er überzeugte nicht nur auf dem Platz als vielseitiger, weil torgefährlicher, ballversierter und zugleich fleißiger Mittelfeldspieler, sondern auch als Wortführer in Krisenzeiten. Jemand, der zwischen Fans und Spielern vermittelte, so wie in seiner Ansprache an jenem Maitag 2018, für die er nochmals frenetischen Applaus erhielt.
Bescheiden, aufgeweckt, nie unfair
Marius Sowislo bleibt ein Vorbild. Ein bescheidener Sportsmann. Wer mit ihm sprach, erlebte einen aufgeweckten Sportler. Einen, der wusste, wie Profifußball funktioniert, ohne sich an dessen Ausartungen zu bedienen. Sowislo musste keine Verletzungen simulieren, musste nicht unfair Zeit schinden oder den Gegner unter der Gürtellinie bequatschen. 13 Jahre lang hat Marius Sowislo keine "glatte" Rote Karte gesehen. Das schaffen nur Typen, die sich im Griff haben.
Sowislo wird der 3. Liga fehlen, aber auch dem 1. FC Magdeburg. Kein Spieler wurde derart ausgiebig verabschiedet wie der 35-Jährige, und das ist kein Argument gegen Felix Schiller oder Jan Glinker, sondern ausschließlich pro Sowislo. Er verkörperte all jene Charakterzüge eines Spielers, der zum Gesicht eines Vereins werden kann. Bleibt er dem FCM in einer organisatorischen Funktion erhalten, sei es als Jugendtrainer, als Scout oder in beratender Funktion, es wäre ein Glücksfall für den 1. FC Magdeburg.