"Historisches" verpasst: Die Gründe für den Nicht-Aufstieg des FCE

"Es tut unglaublich weh", ließ ein hemmungslos weinender Timmy Thiele seinen Emotionen nach dem verpassten Aufstieg freien Lauf. Damit sprach er jedem Spieler, jedem Vereinsmitarbeiter und jedem Fan aus der Seele. Wie konnte der FC Energie Cottbus nach zeitweise neun Punkten Vorsprung auf Platz vier im letzten Saisondrittel so einbrechen? liga3-online.de analysiert die Gründe.
Störende Nebengeräusche
Dass die Lausitzer bis zum letzten Spieltag um Platz drei mitspielen und die Saison mit 62 Punkten beenden würden, wäre vor der Saison als absolut unrealistisch abgestempelt worden. Doch mit steigender medialer Aufmerksamkeit ob der starken Leistungen rückten auch die Spieler immer mehr in den Fokus anderer, wirtschaftlich stärkerer Klubs. Zwar führte Energie Vertragsgespräche mit den Betroffenen, ein Abschluss gelang allerdings nur mit Dominik Pelivan und Alexander Sebald. Die "Wünsche", wie es Trainer Claus-Dieter Wollitz nennt, der anderen Leistungsträger könne der Verein schlicht nicht erfüllen. Dem Vernehmen nach fühlt sich ein Großteil derer in Cottbus allerdings sehr wohl, sodass sie ihre Zelte in Brandenburg nur ungern abbrechen würden. Auf mehr Gehalt, welches sie sich im Laufe der fantastischen Saison erspielt haben, zu verzichten, scheint dennoch (verständlicherweise) auch keine Option zu sein.
Die Unterschrift von Maximilian Krauß in der Woche des so wichtigen Spiels in Rostock beim direkten Konkurrenten samt öffentlicher Schlammschlacht warf Fragen auf: Gibt es noch mehr Spieler, die schon einen neuen Verein gefunden haben? Haben einige Spieler schon mit Cottbus abgeschlossen? Nimmt man allein die Leistung und den Einsatz beim Spiel in der Hansestadt als Bewertungsgrundlage, muss die Antwort "Nein!" lauten. Geht es hingegen nach dem Lausitzer Cheftrainer, gelte es jetzt "die Jungs zu finden, die sich auf das Wesentliche konzentrieren". Diese Aussage untermauert, dass die Vertragssituationen der betroffenen Spieler zumindest mal einen Anteil am Leistungsabfall hatten.
Fehlende Effizienz und individuelle Fehler
Das beste Beispiel für die Cottbuser Effizienz in den vielzitierten ersten 24 Begegnungen ist der 12. Spieltag. Ein 5:1-Heimerfolg gegen 1860 München klingt nach bedingungsloser Dominanz. Davon war während des Spiels allerdings wenig zu sehen. Gerade in der ersten Halbzeit hatten die Gäste die besseren Chancen. Trotzdem führte Energie hier bereits mit 4:1. Am Schluss erzielten sie mit einem xG-Wert von 1,31 fünf Tore. 1860 konnte ihre 1,86 xG in lediglich ein Tor ummünzen und gingen so als deutlicher Verlierer vom Feld. Diese Effizienz ließ der FCE im letzten Saisondrittel vermissen. So ging der FCE am 36. Spieltag beispielsweise zu Hause mit 2:4 gegen Mannheim baden, obwohl man mit 2,21 xG 0,4 erwartete Tore mehr verzeichnete als der Gast.
Wenn sich zur fehlenden Abgebrühtheit vor dem gegnerischen Tor noch die individuellen Fehler in der Defensive einschleichen, wird es schwierig, die nötigen Punkte für den Aufstieg zu sammeln. Als sich Energie noch mitten im Flow befand, kassierten sie ihre Gegentore häufig auf Grund von vernachlässigter Restverteidigung oder schlecht verteidigter tiefer Pässe hinter die letzte Linie. Auf der Zielgeraden gesellten sich dann noch die persönlichen Fehler hinzu. Gegen Essen wird ein zu kurz geratener Rückpass von Bretschneider bereits in der 3. Minute abgefangen. Direkt im nächsten Spiel in Dortmund verliert Slamar in der 15. Minute als letzter Mann den Ball. Beide Böcke führten zum schnellen 0:1-Rückstand. In einer Phase, in der das Selbstvertrauen des Teams ohnehin angekratzt ist, sind solche Gegentore Gift für den restlichen Spielverlauf.
Qualität in der Breite
Doch nicht nur das Mentale verhinderte, dass Cottbus sich nach frühen Rückschlägen erholen konnte. Auch die Qualität des Kaders, vor allem in der Tiefe, – und das ist bei einem Aufsteiger mit geringen finanziellen Möglichkeiten wenig überraschend – war zu gering, um Verletzungen und Formschwächen zu kompensieren. Blieb Energie in der Hinrunde weitestgehend von gravierenden Ausfällen verschont, hatten sie hintenraus deutlich mehr damit zu kämpfen. Thiele trainierte seit November kaum, Möker stand regelmäßig nicht zur Verfügung, Slamar und Tallig verpassten den Endspurt. Das gepaart mit mehreren kleineren Blessuren dezimierte die Bank und damit die Optionen, um von Außen Einfluss zu nehmen, gehörig.
Die Folge daraus? Schafften es die Lausitzer in den ersten 24 Spielen starke 15 direkte Torbeteiligungen durch Wechselspieler zu generieren, waren es in den letzten 14 Begegnungen nur noch derer drei (kein Tor). Dadurch, dass Energie auch nächstes Jahr finanziell keine großen Sprünge machen wird, um den Kader noch breiter aufzustellen, hat Wollitz bereits angekündigt einen zweiten Athletiktrainer in das Team aufzunehmen. Das soll die Verschleißerscheinungen im Saisonendspurt verringern.
Fazit: Stolz auf das Erreichte
Nichtsdestotrotz kann jeder Beteiligte und jeder Fan – auch, wenn es nicht für "Historisches" gereicht hat – stolz auf die vergangene Saison sein und sich immerhin über die Teilnahme an der ersten DFB-Pokal Hauptrunde, die der 59-jährige Cheftrainer als "großer Trost" betitelte, freuen. Und auch der nächsten Drittliga-Saison kann mit Spannung entgegengefiebert werden, denn Timmy Thiele verriet bereits: "Wir werden wieder angreifen!"