5 Gründe für die Wiederauferstehung des SC Paderborn

Aus der Hölle zur Herbstmeisterschaft in 200 Tagen: Am 20. Mai war der SC Paderborn sportlich in die Regionalliga abgestiegen, jetzt sind die Ostwestfalen Herbstmeister. Es ist die rasante Wiederauferstehung eines Klubs, der am Ende war. liga3-online.de nennt die Gründe dafür.

Grund 1: Steffen Baumgart

Der Hauptgrund für die Herbstmeisterschaft ist ohne Frage Cheftrainer Steffen Baumgart. Seitdem der 45-Jährige seit Mitte April an der Seitenlinie steht, gewann der SCP 24 (!) von 31 Pflichtspielen und schoss dabei 83 Tore. Von ungefähr kommt die starke Bilanz nicht: Innerhalb kürzester Zeit hat es Baumgart geschafft, aus verunsicherten Einzelspielern eine echte Einheit zu formen – selbst Spieler wie Ben Zolinski, Christian Strohdiek oder Robin Krauße, die in der vergangenen Saison nur selten glänzen konnten, blühen seitdem auf. Auch wenn der sportliche Klassenerhalt letztlich nicht erreicht wurde, war es Baumgart zu verdanken, dass die Ostwestfalen immerhin den drittletzten Platz einnahmen, so vom Chaos bei 1860 München profitieren konnten und letztlich in der Liga blieben.

Und was sich in den letzten Spielen der Vorsaison bereits andeutete, kam mit Beginn der neuen Serie dann endgültig zur Entfaltung: Baumgart schaffte es mit seiner emotionalen und mitreißenden Art nicht nur, das Kämpferherz der Spieler zu wecken, sondern ihnen auch ein Spielsystem einzuimpfen, das nur schwer zu verteidigen ist. Das fängt schon in der eigenen Hälfte bei Ballbesitz des Gegners an. Oftmals wird der ballführende Gegner von gleich zwei Spielern angegriffen und zu Fehlern zu gezwungen. Nicht selten erläuft sich Paderborn so Fehlpässe. Und wenn der Ball erstmal erobert ist, geht es über ein gepflegtes Kurzpassspiel schnell, direkt und kompromisslos nach vorne. Selbst die Zweitligisten Bochum und St. Pauli hatten mit diesem System im DFB-Pokal ihre Probleme und am Ende das Nachsehen. Bleibt der SCP dieser Spielkultur treu, führt sie geradewegs in die 2. Bundesliga.

Grund 2: Markus Krösche

Ein wesentlicher Baustein für die starke Hinrunde ist zweifelsohne auch Manager Markus Krösche. Als der 36-Jährige Mitte März an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrte (was ihm hoch anzurechnen ist), hatte der SCP gerade fünf Niederlagen in Folge einstecken müssen. Der Richtungspfeil zeigte klar gen Regionalliga, dennoch unterschrieb Krösche einen langfristigen Vertrag bis 2022. Es war die erste richtige Entscheidung des SCP seit langer Zeit. Zwar konnte Krösche den sportlichen Abstieg letztlich nicht verhindern, bewies aber bereits mit der Verpflichtung von Trainer Steffen Baumgart ein gutes Händchen. In der Sommerpause machte der Ex-Profi (373 Spiele für Paderborn) dann Nägel mit Köpfen und leitete einen großen Umbruch ein: Ü30-Spieler wie Stammkeeper Lukas Kruse, Kapitän Tim Sebastian, Sebastian Heidinger und Zlatko Dedic gingen (bzw. mussten gehen), talentierte Regionalliga-Spieler wie Christopher Antwi-Adjej, Dennis Srbeny und Massih Wassey kamen – und schlugen voll ein.

Statt auf erfahrene Profis zu setzen, die ihre Karriere langsam ausklingen lassen wollen, kehrte Krösche zum "alten Paderborner Weg" mit überwiegend jungen und vor allem entwicklungsfähigen Spielern zurück. Ein Konzept, dass den SCP einst bis in die Bundesliga brachte, dann aber in Zeiten von Millionen-Einnahmen über Bord geworfen und selbst nach zwei Abstiegen in Folge weit aus den Augen verloren wurde. Natürlich ist das bloße Verpflichten von Akteuren aus der Regionalliga nicht das Erfolgsgeheimnis. Es brauchte schon ein wenig Augenmaß – und das bewies Krösche in der Sommerpause mehrfach: Einen Christopher Antwi-Adjej kannten vorher nur echte Experten, nun spielt der 23-Jährige die Gegner regelmäßig schwindelig. Auch Spieler wie Massih Wassey und Dennis Srbeny hatten sicherlich nicht viele auf dem Zettel, nun gehören sie zu den Erfolgsgaranten beim SCP.

Und während die Mannschaft auf dem Platz Spieltag für Spieltag abliefert, arbeitet Krösche im Hintergrund bereits an der Zukunft. So verlängerte der SCP in den vergangenen Wochen mit sechs Stammspielern langfristig. Selbst Sven Michel, der am Saisonende ablösefrei hätte gehen können, unterschrieb bis 2021! Auch Robin Krauße, Christopher Antwi-Adjej, Felix Herzenbruch, Ben Zolinski und Sebastian Schonlau unterzeichneten vorzeitig neue Verträge. Somit ist der SCP für die Zukunft bestens gerüstet. Und sollte ein Spieler doch abgeworben werden, wird der Herbstmeister eine Ablösesumme einstreichen und sie in neue talentierte Akteure stecken. Auch diese Transferpolitik hat den SCP im Mai 2014 in die Bundesliga geführt.

Grund 3: Power-Offensive

Darüber hinaus beeindruckt der SC Paderborn mit einer enormen Offensivkraft: 47 Tore in 19 Spielen sind ein irrer Wert. Schon am 1. Spieltag bot der SCP beim 4:4 ein echtes Spektakel, in den Wochen danach ließ er unter anderem ein 5:0 gegen Großaspach und ein 7:1 gegen Bremen II folgen. Vor allem Dennis Srbeny ragt heraus: Zum Ende der Hinrunde stehen beeindruckende 19 (!) Scorerpunkte auf dem Konto des 23-Jährigen. Damit ist Srbeny der Top-Scorer der 3. Liga – und das, obwohl er verletzungsbedingt nur 13 Mal zum Einsatz kam. Wie wichtig er für das Spiel des Blau-Schwarzen ist, zeigte sich nicht zuletzt am Samstag gegen Fortuna Köln. So arbeitete Srbeny stark nach hinten mit, machte viele Bälle fest, verlängerte sie und ermöglichte Sturmkollege Sven Michel somit viele Freiräume. Ohnehin ist Michel nur schwer vom Ball zu trennen und konnte in 18 Liga-Spielen zehn Tore und sechs Vorlagen verbuchen. Aber auch Christopher Antwi-Adjej verdient sich Bestnoten: Der 23-Jährige ist nicht nur unheimlich schnell im Antritt, sondern auch überaus flexibel: Ob rechts, links oder zentral – wo Publikumsliebling Antwi-Adjej  auftaucht, wird es gefährlich.

Im zentralen Mittelfeld zieht Massih Wassey mit klugen Pässen die Fäden und glänzt zudem mit Traumtoren. Nicht unerwähnt bleiben darf Ben Zolinski, der als Außenbahnspieler bereits sechs Tore erzielt hat. Und dann gibt es auch noch Marlon Ritter. Die Leihgabe von Fortuna Düsseldorf ist enorm ballsicher und erzielte in 13 Einsätzen fünf Tore. Insgesamt verfügt der SC Paderborn über eine geballte Offensivkraft, die bisherigen 47 Saisontore verteilen sich zudem auf zehn verschiedene Spieler. Damit ist der SCP kaum ausrechenbar – und hat bereits jetzt mehr Tore erzielt als in der vergangenen Saison. Und gewinnt Paderborn am nächsten Freitag gegen Halle, ist auch das Punktekonto der letzten Serie bereits übertroffen.

Grund 4: Leidenschaft & Teamgeist

Auf der einen Seite überzeugten die Liboristädter in der Hinrunde spielerisch, auf der anderen Seite kann Paderborn aber auch wieder kämpfen. Nach zwei Jahren Anti-Fußball hat Steffen Baumgart grundlegende Tugenden wie Einsatz, Leidenschaft und Laufbereitschaft zurück nach Paderborn gebracht. Kein Ball wird verloren gegeben, auch bei einer komfortablen Führung – etwa beim Kantersieg gegen Bremen II – schaltet der SCP keinen Gang zurück und rennt immer wieder an. Und selbst wenn das Spiel schon verloren ist, versuchen die Ostwestfalen weiterhin alles – auch in der Nachspielzeit.

Eng verknüpft mit dem leidenschaftlichen Auftreten ist der Teamgeist der Mannschaft. Jeder rennt und kämpft für den anderen und nimmt sich selbst nicht zu wichtig. Die Chemie im Team stimmt absolut. Eine Tatsache, die der SCP in den vergangenen Jahren vermissen ließ. Was ebenfalls für den Teamgeist spricht: Fällt eine wichtige Stütze mal aus, ist die zweite Reihe sofort da.

Darüber hinaus ist der SC Paderborn enorm heimstark, gewann neun von zehn Partien und erzielte dabei 29 Tore.

Grund 5: Der sportliche Abstieg

Abschließend ist auch der sportliche Abstieg in die Regionalliga ein Grund für den aktuellen Erfolg – auch wenn das erstmal komisch klingt. Doch die knapp drei Wochen, in denen der SC Paderborn zwischen Mitte Mai und Anfang Juni offiziell als Viertligist galt, taten dem Verein rückblickend enorm gut. Das gesamte Umfeld (inklusive der Fans) wurde geerdet und auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Hinter den Kulissen besinnte man sich auf alte Tugenden und konnte den Neustart ausrufen. Dass dieser letztlich in der 3. Liga durchgeführt werden konnte, ist ein Geschenk, das mit sehr großer Dankbarkeit angenommen wurde.

Noch vor der vergangenen Saison wäre das bloße Erreichen des Klassenerhalts als große Enttäuschung angesehen worden, nun haben Fans und Verein die 3. Liga vollends angenommen. Oder anders gesagt: Man weiß wieder, wer man eigentlich ist. Der Aufstieg in die Bundesliga war zwar der größte sportliche Erfolg der Vereinsgeschichte, hat rückblickend aber die Wahrnehmungen aller Beteiligten völlig (!) verzerrt. Plötzlich war man mit der 2. Liga, wo Paderborn jahrelang soliden Fußball spielte, nicht mehr zufrieden und liebäugelte im Größenwahn mit der Rückkehr in die Bundesliga. Ein katastrophaler Fehler, den man teuer bezahlte. Erst der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit im vergangenen Mai hat allen wieder die Augen geöffnet und den alten SCP Millimeter vor dem Absturz wieder hergestellt – und damit die Herbstmeister-Titel nicht unwesentlich begünstigt.

   
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