Henke: "Sind nicht automatisch wieder ein Aufstiegsfavorit"

Im Interview mit liga3-online.de spricht Ingolstadts Sportdirektor Michael Henke über den immer noch tief sitzenden Frust nach der Last-Minute-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg in der Relegation, aufmunternde Nachrichten von Fans, Ziele für die kommende Saison und den späten Vorbereitungsstart des FCI.

"Kommt auch vor, dass ich nachts aufwache"

liga3-online.de: Rund zwei Wochen nach der Relegation: Sitzt der Frust über den in letzter Sekunde verpassten Aufstieg noch tief, Herr Henke?

Michael Henke: Ja, den schüttelt man nicht so einfach ab. Es kommt auch vor, dass ich nachts aufwache und mir die Szenen noch einmal durch den Kopf gehen. Um jetzt schon ausschließlich nach vorne blicken zu können, war es zu emotional. Ich hoffe, dass das den Spielern leichter fällt.

Wie viel Aufbauarbeit bei den Spielern war und ist immer noch notwendig?

Unmittelbar nach dem Relegations-Rückspiel war die Enttäuschung natürlich riesig. Bei unserem anschließenden Saisonabschlussabend, bei dem wir noch gemeinsam etwas gegessen und getrunken haben, waren alle niedergeschlagen. Wie viel Aufbauarbeit noch nötig ist, werden wir sehen, wenn wir Mitte August wieder zu 100 Prozent ins Mannschaftstraining einsteigen. Ich denke aber, dass sobald die Vorbereitung beginnt und der Platz um die Stammplätze wieder losgeht, alle wieder nach vorne blicken können.

Der FC Ingolstadt bekam von Fans aus aller Welt Nachrichten, sogar aus Nigeria meldete sich ein Anhänger. Wie sehr hilft das bei der Frustbewältigung?

Die große Anteilnahme unserer Fans, die leider nicht im Stadion dabei sein durften, hilft auf jeden Fall. Ich habe sogar persönlich Briefe erhalten. Das zeigt uns, dass wir nicht alleine sind und viele Menschen an diesem Abend mit uns gelitten haben. Insgesamt ist die Unterstützung unserer Fans großartig.

Es war ein emotionales und ereignisreiches erstes Jahr für Sie als Sportdirektor in Ingolstadt. Ihr Gesamtfazit?

Die letzte Saison war das Forderndste und Anstrengendste, was ich jemals erlebt habe. Angefangen mit der Aufbauarbeit und dem großem Kaderumbruch nach dem bitteren Abstieg aus der 2. Bundesliga bis hin zu einer langen Corona-Pause mit vielen Unklarheiten und Planungsunsicherheiten und dem kräfte- und nervenaufreibenden Saisonfinale nach dem Re-Start. Es war eine historische Saison, an die wir uns alle glaube ich noch lange erinnern werden.

Wie geht es nach nun zwei Relegations-Niederlagen in Serie in Ingolstadt weiter – gibt es den nächsten Angriff auf die 2. Bundesliga?

Nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga im Sommer 2019 haben wir uns das Ziel gesetzt, möglichst innerhalb von zwei Jahren zurückzukehren. Nachdem wir es jetzt in der ersten Saison schon fast geschafft haben, wollen wir natürlich auch in der anstehenden Spielzeit wieder oben mitspielen. Der FC Ingolstadt ist ein Klub, der in Zukunft wieder in die 2. Bundesliga gehört – aber unsere Gegenwart heißt erst einmal 3. Liga. Großer Vorteil ist, dass wir jetzt ein eingespieltes Team sind und sich nicht viel am Kader verändert. Allerdings ist uns bewusst, dass wir nicht automatisch wieder ein Aufstiegsfavorit sind – nur, weil wir die Zweitliga-Rückkehr zuletzt knapp verpasst haben. Es ist wieder viel Arbeit notwendig, um der starken Konkurrenz in der 3. Liga Paroli zu bieten.

 

Neuzugänge? "Lassen uns Zeit"

Wie läuft die Kaderplanung?

Anders als in der letzten Saison brauchen wir nicht allzu viel zu machen. Fast alle Spieler haben laufende Verträge für die 3. Liga und bis auf Maximilian Thalhammer, der zum SC Paderborn in die 2. Liga gewechselt ist, konnten wir alle Leistungsträger halten. Es kann sein, dass wir den Kader noch geringfügig anpassen. Dafür lassen wir uns aber Zeit. Schließlich ist das Transferfenster bis zum 5. Oktober offen. Wir sind gerade erst einmal dabei, den Kader und den Markt intensiv zu analysieren.

Während der FCI erst Mitte August in die Vorbereitung startet, trainieren die Aufsteiger schon fleißig. Ist der Trainingsstart des FCI nicht etwas spät?

Wir haben den Spielern bewusst einen längeren Urlaub gegeben, damit sie nach den emotionalen Ereignissen der letzten Wochen fitnesstechnisch sowie mental genug Regenerationszeit haben. Die Jungs müssen nach den nervlichen Belastungen abschalten können. Und um Ihre Frage auch einmal direkt zu beantworten: Nein. Selbst ab Mitte August haben wir einige Wochen Zeit, um uns optimal auf die neue Saison vorzubereiten. Schon weit davor absolvieren die Jungs ihre individuellen Programme und Leistungstests an unserem Stadion. Die konditionelle Basis haben wir also bereits geschaffen, wenn wir mit dem Mannschaftstraining loslegen.

Sie glauben also nicht, dass der dieses Jahr große Unterschied beim Vorbereitungsstart der Vereine Auswirkungen auf die Ergebnisse in den ersten Saisonwochen haben wird?

Das wäre möglicherweise so gewesen, wenn die Saison bereits Anfang oder Mitte August angefangen hätte. Mit dem verspäteten Beginn im September kann sich jeder Verein ordentlich vorbereiten. Wann der jeweils beste Zeitpunkt für den Trainingsstart ist, muss jede Mannschaft für sich selbst entscheiden.

   

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