Hansa Rostock und die Causa Sebastian Pelzer

Es gibt viele Persönlichkeiten im Sport die polarisieren. Einige tuen es absichtlich, schließlich ist der Spagat zwischen menschlicher Verachtung und sportlicher  Vergötterung ein  sicherer Weg in höhere Popularitätssphären.  Doch diese zwischenmenschliche Polarisierung muss nicht immer gewollt  und berechnend einkalkuliert sein. Ein Drittliga-Fußballer, der sich mit diesen Problemen bestens auskennt, ist der Kapitän von Hansa Rostock. Sebastian Pelzer, seines Zeichen 31-Jähriger Linksverteidiger, ist an der Ostseeküste  trotz seines Amtes als oberster Maat der Kogge keine unumstrittene Stammkraft.  Verdeutlicht wurde dieses erneut am vergangenen Samstag, dem ersten Spieltag in neuen Drittliga-Saison. Als der FC Hansa Rostock auf seiner Facebook-Plattform die Startaufstellung veröffentlichte war die Stimmungslage bei den meisten Fans schon ein wenig gedrückt, viele Statements begannen mit  inflationär gebrauchten Phrasen wie „Oh mein Gott, Pelzer“ oder „ da können wir ja gleich einpacken“. Zu sehr hat die Personalie Pelzer die Fans in den letzten Monaten aufgerieben.

 Pelle – ein Mann mit Erfahrung

Dabei bringt Pelzer vieles mit, was ihn fast schon automatisch zum Kapitän einer Drittliga-Mannschaft deklariert. Zum einen unbändigen Kampfgeist, Leidenschaft, Loyalität und eine immense Erfahrung. Pelzer hat im Fußball einiges erlebt. Er lebte seinen Traum von Profidasein in England, doch sein Aufenthalt bei den Blackburn Rovers blieb ein kurzes, wenig genügsames Intermezzo. Doch Pelzer blieb seiner kämpferischen Linie treu und kämpfte sich in seiner Heimat Trier  zurück ins deutsche Fußballgeschäft. Er wechselte ins Elbvenedig  nach Dresden und wurde schnell zum Kapitän. Zu einer starken Persönlichkeit, die Sympathien erntete und den Dresdner Fußball die extra Portion Leidenschaft vermittelte. Doch Pelzers Traum von der Insel blieb in ihm. Er wollte ihn leben, die Scharte von Blackburn vergessen machen. Er verließ die sichere Heimat Dresden und zog erneut in die Ferne. Doch „Pelle“ blieb erneut erfolglos, Probetrainings erwiesen sich als  nicht erfolgreich. Er ging zurück nach Dresden, wo  die Geschäftsführung ihn mit offenen Armen empfing. Die Fans taten dies nicht, sein Abgang hatte Spuren hinterlassen. Er war nicht mehr der kleine Fußballgott mit der Kapitänsbinde, sondern ein Verräter, ein Spielführer der auf einem besseren Schiff anheuern wollte.  Der Rückhalt in der Mannschaft brach, Maik Wagefeld agierte im Untergrund gegen seinen Kapitän, schließlich hegte auch der heutige Leitwolf der Hallenser Ambitionen auf die Binde. Es blieb nur die Flucht, der mentale Druck lastete zu groß auf seinen breiten Schultern. Pelzer kam in Ahlen unter und zog weiter zu Hansa.  An der Warnow fand „Pelle“ zunächst das Glück- er wurde erneut zum Spielführer auserkoren. Die Mannschaft brachte Erfolg, der Aufstieg wurde mit jeden Spieltag mehr zur zuckersüßen Realität an der Ostsee. Pelzer war einer der großen Helden- keiner der Tore schoss oder die Fans mit Kabinettstückchen verzückte, sondern einfach eine ehrliche Haut die alles in die Waagschale warf. Solche Spieler liebt der bescheidene Rostocker Fan. Die Bilder, als Pelzer nachdem 1:0 Derbysieg gegen Dresden im blauen „I love Hansa“ Shirt zu Südtribüne schritt brannten sich in die Köpfe der Hansafans.  Rostock stieg auf, Rostock feierte, Rostock liebte- Sebastian Pelzer.

Der gescholtene Hund

Doch das Glück blieb dem sympathischen Verteidiger nicht treu. Hansa geriet auf die Verliererstraße mit Pelzer in vorderster Front.  Die Mannschaft enttäuschte und erst jetzt  wurde den meisten Fans klar wie das sportliche Niveau Pelzer überforderte. In der siegenden Mannschaft war Pelzer der Typ Spieler der die Mannschaft als Motivator und Kämpfertyp von Sieg zu Sieg führte, in der sich aufgebenden war er der Sündenbock. Die Nummer 25 musste sein wahres fußballerisches Gesicht zeigen. Das blasse, fußballerisch limitierte, das langsame und das fehlerhafte. Die Fehlpässe und seine läuferischen Defizite konnten selbst von unbändigem Kampf nicht retuschiert werden. Die Tore vielen meist über seine Seite, offensiv blieb Pelle ein Indikator für Harmlosigkeit. Dennoch blieb er lange Stammkraft. Ex-Trainer Peter Vollmann hatte mit ihm gemeinsam eine starke Lobby im Team um Pelzer Aufgebaut. Den Leitwolf draußen lassen lassen? Nicht leicht für den neuen Mann an der Seitenlinie Wolfgang Wolf. Fast schon dramatisch ächzend: Pelzer verletzte sich – Rostock holte 3 Siege aus vier Spielen.  Am Ende ist die Bilanz ernüchternd. Mit Pelzer holte Hansa in 23 Spielen nur 11 Punkte. In den elf Begegnungen ohne ihren Kapitän erbeutete die Hansa Kogge 16 Zähler. Eine Statistik die man in vielen Punkten entkräften kann – die aber dennoch tiefe Narben hinterlässt.

Lieber ein Ende mit….

Die neue Vorbereitung begann für Pelzer schwer. Der Trainer bestätigte ihn nicht sofort im Amt, gab ihn wenig Rückendeckung. Mit den fitten Mathias Holst, absoluter Sympathieträger bei den Fans und einer der wenigen Lichtblicke  der Vorsaison und dem neuverpflichteten authentischen Beißer Ken Leemans bekam Pelle Konkurrenz. Holst die Wunschlösung der Fans, Leemans nach wenigen Wochen bereits in der Fangunst mit oben dabei. Der Belgier verkörpert ähnliche Ideale wie Pelzer. Kampf, Mut und obersten Einsatzwillen. Aber ein Spieler, der auch sportlich alles mitbringt. Der heimliche Startransfer neben den Franzosen Mendy, der Spieler der vielleicht der beste 6er der gesamten 3. Liga werden kann. Der Trainer ließ die Mannschaft wählen- doch die blieb ihrem Kapitän treu. Eine Persönlichkeit wie Holst, der bereits der stille Kapitän der Mannschaft ist, unternahm allerdings auch keine konspirative Position gegenüber seinen Kapitän, die vielleicht die Wahl verändert hätte. Pelzer spielte gegen die Stuttgarter Kickers von Anfang an. Die erste Halbzeit war desolat, die zweite nur ein wenig besser. Pelzer biss, er grätschte um jeden Zentimeter. Doch seine Seite war die Naht im Rostocker Team. Denis Berger bekam vorne keine nennenswerte Unterstützung, hinten riss Pelle Löcher in den eigenen Abwehrverbund. Am Gegentor war Pelzer, wie sagt man es in der Wirtschaft: Hauptaktionär. Ließ sich die Nominierung  erst noch taktisch damit begründen, dass Pelzer als defensiver Gegenpol zum  offensiveren rechten  Außenverteidiger Rick Geenen fungieren sollte, entkräftete Sebastian Pelzer diese Argumentationsgrundlage für einen Einsatz von selbst.  Hinter dem Kapitän lauern mit Michael Blum und den hochveranlagten Ronny Marcos junge spritzige Alternativen. Die Zeit läuft gegen Pelzer, schließlich wird Hansa nicht mit 10 ½ Kräften in der Startelf aufsteigen können. Sebastian Pelzer ist ein Leader vor dem Herrn und dieser Leader kann „Pelle“ auch von der Bank aus noch sein. Seine Zukunft liegt nicht auf dem Rasen – sie liegt am Spielfeldrand. Als Motivator, der die jungen Wilden hilft, der sich fernab von eigenen Ambitionen als Kapitän für die Mannschaft einsetzt. Als der Mann, der für seine Ehrlichkeit und Loyalität von den Fans geliebt wird.

FOTO: Sebastian Ahrens

 

 

   
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