Hansa-Niederlage im Landespokal: Das Fass ist übergelaufen

In der andauernden Diskussion um das „sichere Stadionerlebnis“ gilt eine Maßnahme, neben Pyrotechnik, Gewalt und Hassgesängen als absolut indiskutabel: Der Platzsturm. Fans stürmen auf den Rasen, um…ja was eigentlich? Spieler wurden zumindest in Deutschland bei Platzstürmen in den ersten Ligen noch nicht verletzt, in Berlin ging vor einigen Jahren die Stadioneinrichtung kaputt, in Frankfurt eine teure Kamera. Was genau ging also in den wenigen Rostockern vor, die gestern im kleinen Parkstadion nach dem 3:0 für die TSG Neustrelitz den Platz stürmten? Die Antwort: Das Fass war übergelaufen. Das Fass war nach dieser Saison mit unerwartetem Abstiegskampf in der 3. Liga schon randvoll und die schockierende Leistung der Mannschaft auf dem Feld gegen den Viertligisten ließ nun alle Grenzen wegbrechen. Es gibt ein Bild vom gestrigen Abend, auf dem ein junger Fan des F.C. Hansa auf dem Platz mit ausgetrecktem Zeigefinger vor Ondrej Smetana (wechselt zurück nach Belgien) und Johan Plat (bleibt in Rostock) steht und sie wütend anschreit. Es ist die Wut, die raus will, der Ärger über die Blamage, die sich die Mannschaft nicht nur selbst, sondern dem ganzen Verein zugefügt hat, die die Mannschaft den Fans zugefügt hat, die die gesamte Saison, in Niederlagen, wie in den seltenen Siegen, hinter diesen Spielern stand. Die Spieler, die nun wertvolles Pokalgeld verspielt haben, die aber vor allem nach dieser indiskutablen Vorstellung ihre Koffer packen und zu großen Teilen auf Nimmerwiedersehen verschwinden werden.

Früher Ostseestadion mit Hansaschal, heute Häme für den Favoriten

Es war der Ärger über ein Spiel, was niemals hätte verloren werden dürfen und, wie in Rostock üblich, der Ärger darüber, dass die Zeiten, in denen viele der jungen Fans den Verein kennengelernt haben, Bundesliga, das DFB-Pokal-Halbfinale gegen die Bayern 1999, in absehbarer Zeit einfach nicht wiederkommen werden. Stattdessen ging die TSG Neustrelitz im Finale des Landespokals nach neun Minuten durch Gramoz Kurtaj in Führung und baute in der 50. Minute durch Abwehrchef Kevin Kahnert und in der 77. Minute durch Sturmroutinier Salvatore Rogoli die Führung zum 3:0-Sieg aus. Damit war die endgültige Demontage perfekt, auch auf den Rängen. Ein Blogger von „hansafans.de“ brachte es mit einem Zitat eines ihm bekannten Fans auf den Punkt: „Mein erstes Auswärtsspiel war das Pokalfinale 1987 gegen Lok Leipzig in Berlin. Und heute muss ich mir beim Landespokal im eigenen Bundesland von Leuten blöd kommen lassen, die vor wenigen Jahren noch mit einem Hansaschal um den Hals im Ostseestadion Bundesligaspiele angeschaut haben.“.

Der Weg ist zu hinterfragen, aber der Grund ist verständlich

Was bleibt ist die Gewissheit, wie sage und schreibe 13 andere Drittligisten in der kommenden Saison nicht am DFB-Pokal teilzunehmen. Es ist das erste Mal, dass die Hanseaten, deren Landespokalauftritt erst der zweite in ihrer Geschichte war, nicht antreten. Viel schwerer als die Einzigartigkeit dieser Tatsache wiegen aber der finanzielle Verlust der damit einhergeht und die Kaderplanung für die kommende Saison zusätzlich erschwert, sowie der Verlust eines noch größeren Gutes, nämlich des Prestiges in Nordostdeutschland als einzig relevanter Verein der Region. Während man sich seit jeher in Mecklenburg-Vorpommern und bis nach Hamburg und Berlin immer auf Hansa einigen konnte, ist der Verein nun auf dem besten Weg ein Verein unter anderen Vereinen zu werden. Clubs wie die TSG Neustrelitz, Anker Wismar, Pommern Greifswald und Pommern Stralsund haben in den letzten Jahren durch ihre eigenen Fortschritte ein kleines aber solides Stammpublikum generiert, während es beim F.C.H. stetig bergab ging. Das verlorene Landespokalfinale könnte symptomatisch gewesen sein, vielleicht für diese verkorkste Saison, vielleicht aber auch für die absehbare Zukunft der Kogge. Das manch langjähriger Fan des Vereins dort nicht mehr zurückhalten konnte, was ihn seit beinahe einem Jahr belastet ist verständlich. Der Weg ist zu hinterfragen, aber der Grund ist verständlich.

FOTO: Sebastian Heger

   

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