Halle gegen Erfurt: Hinten zu einfach, vorne zu kompliziert

Der Winter hält Einzug in Deutschland und während die Temperaturen sich bemühen, dieser zumindest kalendarischen Tatsache entgegenzuwirken, ähnelt der Hallesche FC im Moment dem Braunbär, der sich nach dem Winterschlaf sehnt. Nachdem die letzten Spiele, das 0:0 gegen Münster und das 0:1 in Burghausen, schon herbstlich trocken die Grundfeste des halleschen Tabellenmittelfeldplatzes durcheinanderwirbelten, zeigt die Formkurve der rot-weißen Sachsen-Anhalter nach dem 0:2 gegen die rot-weißen Thüringer aus Erfurt nun eindeutig steil nach unten.  Jonas Nietfeld und Patrick Göbel besorgten für den Gast bereits in der 3. und 41. Spielminute den Endstand. Dabei wurde, mehr noch als bei den Spielen gegen Münster und Burghausen der erschreckende Unterschied zwischen einer spielerisch und mental gefestigten und einer spielerisch und mental ziemlich unsicheren Mannschaft deutlich. Und kommenden Samstag wartet bereits RB Leipzig…

Standards werden zum Problem

Während RWE souverän und unaufgeregt seinen momentan ziemlich gut passenden Stiefel herunterspielte, wirkte der HFC fahrig und unausgeglichen. In der Abwehr ging es mehrfach viel zu schnell in Richtung von Pierre Kleinheiders Tor, im Angriff wurde scheinbar jede Möglichkeit genutzt, um das Angriffsspiel zu verkomplizieren. Symbolfiguren wurden die beiden Sturmspitzen, die Trainer Sven Köhler, zumindest zu 50 Prozent überraschend, aufgeboten hatte. Während Merkel-Ersatz Tony Schmidt mehrfach viel zu einfach gegen Luka Odak im Strafraum zu Fall ging und mit derlei Aktionen vornehmlich das Misstrauen von Schiedsrichter Dr. Robert Kampka auf sich zog, trat der wackere wie glücklose Finne Timo Furuholm erneut in der Rolle des Pechvogels auf. Trotz engagierter Leistung findet der 26-jährige Mittelstürmer zurzeit einfach nicht zu seiner Form zurück und ist damit beileibe nicht allein an der Saale. Erschreckend, wie einfach es am Samstag zwischenzeitlich war, den HFC auszukontern oder auch Tore gegen die Mannschaft zu erzielen. Beim 0:1 standen drei Hallenser um Torschützen Jonas Nietfeld herum, einnetzen durfte dieser trotzdem. Was beim 0:2 in Rostock vor einigen Wochen noch der Ausnahme geschuldet sein sollte, entwickelt sich so langsam zum Problemfaktor der Mannschaft von Sven Köhler, denn auch in Duisburg war es den Gastgebern mit einem simplen Bauerntrick nach einer Ecke gelungen, nochmal ins Spiel gegen den HFC zu finden, glücklicherweise ohne schlussendlichen Punktverlust für die Hallenser. Unverständlich, weil der HFC mit Becken, Franke und Kojola drei zum Teil massive Kopfballriesen und mit Ziebig und Brügmann zwei ebenso wendige Verteidigungsspieler in den eigenen Reihen hat.

Ziegenbein „überrascht“ im übertragenden Sinne

So kassiert der HFC immer wieder ärgerliche Tore, wie am Samstag in der 3. Minute. Nun wäre durchaus Zeit übrig gewesen, um diesen Fehler auszumerzen, aber wie ebenfalls vermehrt in den letzten Wochen, schien auch das die Saalestädter massiv zu überfordern. Das Ärgerliche dabei: Die Mannschaft hat in so gut wie keinem Spiel in dieser Saison so richtig, hanebüchen schlecht ausgesehen.  Trotzdem misslingt es ihr seit mehreren Wochen, sich für die zum Teil wirklich engagierten Leistungen gebührend zu belohnen. Auch am Samstag konnten es die Zuschauer zum Teil nicht fassen, wie kompliziert der HFC erdachte, die Bälle in des Gegners Tor unterzubringen. Manche Versuche erinnerten dabei mehr an American Football als an Fußball, nicht der Härte, sondern der Tatsache wegen, dass man auch gegen Erfurt vereinzelt versuchte, den Ball ins gegnerische Tor zu tragen, als einfach mal riskant abzuschließen. Fast schon kurios: Mit Startelfdebütant Björn Ziegenbein stand genau jener Spieler für die wenigen beherzten Versuche, den Angriff zu vereinfachen, der zuvor monatelang verletzt war und an der Teambildung nach dem Umbruch im Sommer lange Zeit kaum teilnehmen konnte. Und hier schließt sich der Kreis.

Welche Rolle spielt Sven Köhler?

Nach einem solch massiven Umbruch wie dem des HFC im Sommer nun alles infrage zu stellen, ist logischerweise der falsche Weg, allerdings verwundert es, wie deutlich sich die Mannschaft in den letzten Wochen zurück zu entwickeln scheint. Es wirkt fast, als bräuchte es neue Impulse wie Björn Ziegenbein, um die hallesche Trägheit und festgefahrene Denkmuster auf dem Spielfeld zu überwinden, bzw. sprichwörtlich: zu besiegen. Hier wird nun jeder Fan und Beobachter des HFC seinen eigenen Lösungsansatz vertreten, es liegt aber nach den letzten Wochen nahe, dass man bei aller Loyalität nun möglicherweise doch einmal die Situation rund um Trainer Sven Köhler analysiert. Wie beschrieben fehlt es den Spielern momentan an taktischem Feintuning, um ein Abwehrbollwerk, wie das von Erfurt am Samstag zu knacken oder wenigstens einmal entscheidend zu überraschen. Das zu vermitteln, ist in erster Linie Köhlers Aufgabe und die Frage steht im Raum, ob es einfach an der Qualität der Spieler fehlt, diese taktischen Anweisungen umzusetzen oder womöglich doch daran, dass Köhler die aktuelle Mannschaft weniger mit seiner Taktikleidenschaft erreicht, als vorherige Teams des HFC. Vor dem Spiel bei RB Leipzig müssen freilich kurzfristigere Lösungen her, denn die Partie ist allein aufgrund der strukturellen Umstände der Leipziger und der geographischen Nähe beider Teams, sowie der innigen Fanfreundschaft zwischen Halle und RB-Lokalrivale Lok Leipzig ein besonderes Kaliber. Nach der Partie gegen Erfurt ist es aber höchst fraglich, ob der den Winterschlaf herbeisehnende Bär noch ein letztes Mal vor der wohlverdienten Pause die Kräfte bündeln kann.

FOTOS: Marcel Junghanns / Klettermaxe Photographie / Fototifosi

 

 

   
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