Härtel im Interview: "Transfer-Domino trifft auch die 3. Liga"

Im Interview mit liga3-online.de spricht Hansa-Trainer Jens Härtel über vorsichtige Saisonziele, wer den abgewanderten Merveille Biankadi ersetzen soll sowie die Entwicklung des Ost-Fußballs.

[box type="info"]"Abgang von vier Stammkräften schmerzt"[/box]

liga3-online.de: Wer über die kommende Saison 2019/20 redet, spricht oft über die beste 3. Liga in ganz Europa. Sie auch, Herr Härtel?

Jens Härtel: Um einen wirklich seriösen Vergleich zu ziehen, müsste ich mal in England oder Italien arbeiten. Aber klar lesen sich die Namen der Klubs jetzt noch um einiges klangvoller als zu meiner Zeit als Co-Trainer in Babelsberg. Dazu kommt, dass sich das Transfer-Domino aus den oberen Ligen auf die 3. Liga auswirkt. So wird dann kurz vor dem Saisonstart unser Offensivspieler Merveille Biankadi noch aus seinem Vertrag heraus gekauft. Oder der Fall Ingolstadt und Maximilian Beister: Wer hätte gedacht, dass mal solche Ablösesummen (200.000 Euro; Anm. d. Red.) innerhalb der 3. Liga fließen?

Sieben Trainer nannten den F.C. Hansa Rostock in diesem Jahr wieder als Aufstiegskandidat. Im Vergleich zu den Vorjahren formuliert man diesmal intern das Saisonziel eher defensiv.

Manch einer mag uns das als Understatement auslegen, aber 46 Punkte + X sind bei dieser hohen Qualität der Liga sowie Dichte an individuell herausragenden Spielern eine realistische Einschätzung. Die Favoritenrolle gehört den Absteigern Ingolstadt, Magdeburg und Duisburg. Auch Teams wie der Hallesche FC, der nach dem 4. Platz im Vorjahr sein eingespieltes Team zusammenhalten konnte, sehe ich – Stand jetzt – einen Schritt weiter als Hansa.

Unter Ihrer Regie gingen in der abgelaufenen Rückrunde nur vier Spiele verloren. Worauf kann das Team aufbauen?

Die Mannschaft hat die Spielidee vom frühen Pressing verinnerlicht und auch gegen Teams aus der Spitzengruppe gepunktet. In der neuen Saison versuchen wir, noch dominanter aufzutreten – auch wenn der Abgang von vier Stammkräften schmerzt. Die Jungs, die noch hier und fit sind, müssen jetzt neue Lösungen zum Tor finden.

Zum Abschluss der Vorbereitung gelang gegen Bundesliga-Absteiger Hannover 96 (0:0) ein Achtungserfolg. Wie viel Wert messen Sie diesen Testspielen bei?

Der Gegner befand sich in etwa auf dem gleichen Fitness-Level. Für die Meisterschaft und unser Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart können wir daraus jedoch nicht allzu viel mitnehmen. Dafür war es eben nicht ganz die erste Elf, die Hannover aufgeboten hat. Nicht zuletzt ist Druck in einem Pflichtspiel vor 10.000 Zuschauern im Ostseestadion ein ganz anderer.

 

[box type="info"]"Es kann kurzfristig etwas passieren"[/box]

Mit Cebio Soukou (Arminia Bielefeld) und Merveille Biankadi (1. FC Heidenheim) mussten Sie ausgerechnet die beiden Spieler ziehen lassen, die in der Saison 2018/19 zweistellig getroffen hatten. Welchem Spieler trauen Sie auch eine Zehn Tore + X-Saison zu?

Der kurzfristige Wechsel von Biankadi wirft unsere Planungen etwas über den Haufen. Es liegt an uns, einen Teil der Ablöse nun sinnvoll wieder in das Team zu investieren. Es kann kurzfristig etwas passieren. Dass dieser Neuzugang dann aber sofort spielt, schließe ich aus. Um auf die eigentliche Frage zurückzukommen: Marco Königs, der von einem Mittelfußbruch zurückkommt, und Pascal Breier bewegen sich sicherlich in dieser Benchmark. Breier hätte die letzte Saison auch mit zehn oder mehr Toren abgeschlossen, wenn er nur 50 Prozent seiner Chancen verwertet hätte.

Zum vierten Mal in den zurückliegenden fünf Spielzeiten startet Hansa gegen einen Aufsteiger (Viktoria Köln). Anschließend geht es nach Halle. Was haben Sie mit Blick auf den Spielplan gedacht?

Klar hätte es angenehmer kommen können. In der Kabine gibt es aber keinen Spieler, der darüber jammert. Wir wissen, was auf uns zukommt und die Fans von uns am Samstag erwarten.

Bei Viktoria Köln steht mit Pavel Dotchev außerdem ein Trainer an der Seitenlinie, der Hansa bestens kennt.

Pavel kennt doch im Grunde die gesamte 3. Liga in- und auswendig. Er hat nun ein Team übernommen, das gut zu seiner Art von Fußball passt und mit einigen Routiniers gespickt ist. Tobias Willers und vor allem Mike Wunderlich sind nach so vielen Jahren im Amateurfußball bestimmt heiß, es noch mal allen zu beweisen.

Zum Abschluss noch ein Blick über den Tellerrand: Sie waren für Babelsberg (Co-Trainer), Magdeburg und Rostock sowie als U19-Trainer bei RB Leipzig tätig. Wie sehen die Entwicklung im Ost-Fußball und die Rolle von Leipzig?

Recht positiv. Nachdem mein früherer Verein Union Berlin den Aufstieg aus eigener Kraft geschafft hat, stellt der Osten – genau wie kurz nach der Wende – wieder zwei Erstligisten. In der 3. Liga herrscht bei den Duellen gegen Halle, Magdeburg und Co. eine ganz besondere Atmosphäre. Viele Leute lechzen nach mehr, aber jedem sollte klar sein, dass wir Spieler mit anderen Argumenten für uns gewinnen müssen als Leipzig das tut.

   
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