Frank Schmidt im Interview: „Wir sehen uns nicht als Topfavorit!“

Dienstältester Drittliga-Trainer und das mit nur 39 Jahren. Zudem Ex-Profi, Motivator und heimlicher Filmstar. Es gibt fast nichts, was Frank Schmidt nicht ist. Im Interview mit liga3-online.de spricht Schmidt über den Saisonstart seines Teams und dem der Konkurrenz. Über den Konkurrenzkampf im Team und die akribisch und leidenschaftliche Arbeit, mit der in Heidenheim seit Jahren gearbeitet wird. Frank Schmidt steht bereits seit 2007 an der Seitenlinie beim FCH. Innerhalb von nur zwei Jahren führte er Heidenheim aus der Oberliga mit drei Aufstiegen in Folge in die 3. Liga.

liga3-online.de: Vor der Saison galt Ihr Team als der Topfavorit für den Aufstieg. Nach neun Spieltagen stehen Sie auf dem ersten Tabellenplatz. Wie zufrieden sind Sie mit den bisher gezeigten Leistungen Ihres Teams?

Frank Schmidt: Wir selbst sehen uns nicht als Topfavorit. Das haben die Trainer der anderen Drittligateams gesagt. Ich sehe noch vier bis sechs andere Mannschaften, die mit uns um den Aufstieg mitspielen werden. Es ist aber klar, dass wir nach zwei knapp gescheiterten Versuchen nun endlich den Sprung in die 2. Bundesliga schaffen wollen. Wir sind viel stabiler als noch in der vergangenen Saison, deshalb bin ich auch mit dem Saisonstart sehr zufrieden.

Das können Sie auch sein, denn Mannschaften wie Münster und Chemnitz, die vor der Saison deutlich stärker eingeschätzt wurden, als es der derzeitige Tabellenplatz aussagt, hinken ihren Erwartungen etwas hinterher. Wie sehen Sie die Leistungen dieser Konkurrenten?

Dies bestätigt mich in meiner Annahme, dass unser guter Saisonstart nicht selbstverständlich ist. Wir haben die richtigen Maßnahmen getroffen. Das mit Münster und Chemnitz kann mal passieren. Eine gestiegene Erwartungshaltung zu befriedigen, ist nicht so einfach. Die 3. Liga ist sehr ausgeglichen und es sind 38 Spieltage zu absolvieren.

Sind Sie vom starken Saisonstart des Aufsteigers aus Kiel überrascht?

Keineswegs. Als Aufsteiger ist die Euphorie im Umfeld riesig und es unterstreicht nochmals, dass in der 3. Liga nahezu jeder jeden schlagen kann.

Vergangene Saison rutschte Ihr Team zwischenzeitlich von Rang eins bis auf Platz neun ab. In dieser Saison konnte mit einem Sieg gegen die Stuttgarter Kickers erstmals eine Tabellenführung verteidigt werden. Was macht Ihr Team stärker und auch besser, als noch in der abgelaufenen Spielzeit?

Da gibt es einige Gründe. Die Mannschaft konnte Erfahrungen sammeln und ist nun wesentlich stabiler. In der Vergangenheit waren unsere Leistungen einfach nicht konstant genug. Zudem hat sich das Gesicht der Mannschaft geändert. Es galt sieben Neuzugänge zu integrieren und das hat sehr gut funktioniert. Auch haben wir einige taktische Veränderungen vorgenommen und sind dadurch viel flexibler geworden. Fundament ist jedoch ein gutes Defensiv-Verhalten. Offensiv sind wir auch nicht mehr so stark von Marc Schnatterer abhängig, auf dessen Schultern, in der zurückliegenden Saison, viel Last lag.

Sie haben es bereits angesprochen. Sieben Neuzugänge galt es zu integrieren. Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen der neuen Spieler, auch wenn eine Beurteilung des langzeitverletzten Timo Beermanns schwer fällt?

Timo Beermann war als Nachfolger für Kevin Kraus (war ausgeliehen von der SpVgg Greuther Fürth) eigentlich fest eingeplant. Es spricht für das Team, dass sie die Verletzung von Beermann so gut weggesteckt haben. Vier von den Neuzugängen haben sich in der Startelf etabliert. Auch der zuletzt verletzte Smail Morabit hat gleich gezeigt, dass er in dieser Saison noch sehr wichtig für uns werden kann.

Drei der sieben Neuzugänge haben dabei eine sehr auffallende Entwicklung genommen. Sebastian Griesbeck spielte vor drei Jahren noch in der Landesliga (7. Liga) beim TV Wiblingen und entwickelt sich jetzt schon zu einem Publikumsliebling. Philip Heise war in der vergangenen Saison bei Münster kein Stammspieler und kam nur sporadisch zum Einsatz. Beide sind nun aber wichtige Stützen in Ihrem Team. Ein drittligaerfahrener Spieler wie Lukas Kohler dagegen kam bisher noch zu keinem Einsatz. Geben Sie bitte ein kurzes Statement zu diesen drei Spielern ab.

Schmidt über Sebastian Griesbeck: Er ist sicher die große Überraschung in dieser Saison. Durch gute Leistungen hat er sich auch einen Stammplatz verdient, denn Leistung wird bei mir belohnt. Man sollte ihn aber nicht zu sehr unter Druck setzen. Griesbeck ist noch jung und man sollte ihm auch Fehler zugestehen. Genügend Potential ist bei ihm auf jeden Fall vorhanden. Im Offensivspiel und der Ballzirkulation hat er noch Luft nach oben.

Schmidt über Philip Heise: Ich habe ihn immer wieder beobachtet, auch wenn er in Münster nicht regelmäßig zum Einsatz kam. Dabei ist er mir immer wieder positiv aufgefallen. Er ist sehr ausdauernd und schnell und da er noch sehr jung ist, darf auch er Fehler machen aus denen er lernen kann. Philip Heise hat bewiesen, dass er zu Recht in der ersten Elf steht, aber auch er darf sich nicht auf den bisher gezeigten Leistungen ausruhen.

Schmidt über Lukas Kohler: Ich habe viel mit ihm gesprochen, versuche ihm zu helfen. Lukas tut sich schwer und konnte bisher noch nicht so auf sich aufmerksam machen. Er weiß, auf was ich Wert lege und wir geben ihm auch die Zeit. Man darf nicht vergessen, dass mit Malura, Feistle, Scioscia, Heise und auch Strauß die Konkurrenzsituation auf den Außenverteidiger-Positionen groß ist.

Großen Konkurrenzkampf gibt es auch auf der Torhüter-Position. Mit 39 Jahren ist Erol Sabanov der älteste Stammtorhüter der Liga. Im kommenden Sommer läuft sein Vertrag aus und während seiner Verletzung zu Saisonbeginn konnte Ersatztorhüter Rouven Sattelmaier mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen. Gibt es Überlegungen, dass Sattelmaier schon im Laufe der Saison Sabanov als Nummer eins ablöst, um Spielpraxis für die kommende Saison zu bekommen?

Mit Erol Sabanov, Rouven Sattelmaier und Felix Körber, der aus dem direkten Umkreis stammt, haben wir drei sehr gute Torhüter, die allesamt unser Team voranbringen. Es könnte vermutlich wirklich die letzte Saison von Erol Sabanov werden. Vor der Saison habe ich mich entschieden, dass wir mit Sabanov als Nummer eins in die Saison gehen werden. Das hat er sich mit seinen Leistungen auch verdient. Wichtig für mich ist, dass wir mit Sattelmaier einen Torhüter haben, der sofort da ist und auf den ich bauen kann. Mit Überlegungen zu einem möglichen Torwartwechsel während der Saison, beschäftige ich mich zurzeit nicht.

Sie selbst sind nun seit 2003 (seit 2007 Trainer) in Heidenheim und kickten damals vor ein paar hundert Zuschauern in der Verbandsliga. Beschreiben Sie doch mal kurz, wie Sie die Entwicklung des Vereins miterlebt haben.

(lacht) „Kickten“ ist gut gesagt. Mein Co-Trainer Alexander Raaf und ich starten bereits  in das elfte Jahr in Folge. Was wir zu sehen bekamen ist einfach eine enorme Entwicklung mit viel Weitsicht. Der Großteil ist der Verdienst von Holger Sanwald, aber auch das Team um ihn herum hat erheblichen Anteil an der großartigen Entwicklung. Hier sind keine Träumer beschäftigt sondern „schwäbische Schaffer“, die ständig die Bereitschaft dazuhaben, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wir sind bereit für die Zukunft.

Wie akribisch und leidenschaftlich in Heidenheim gearbeitet wird, konnte im Juni ganz Deutschland sehen. Im Dokumentarfilm „Trainer“ von Aljoscha Pause, waren Sie einer von drei Trainern, die über ein Jahr lang von einem Kamerateam begleitet wurden und gewährten tiefe Einblicke in das Leben eines Trainers. Hat sich daraufhin die Wahrnehmung von Außenstehenden zu Ihrer Person in irgendeiner Weise geändert?

Natürlich wurde ich immer wieder darauf angesprochen. In Heidenheim wird vieles als „normal“ angesehen. Das stimmt aber nicht. Wir haben bisher immer eins drauf gesetzt und dass das nicht selbstverständlich ist, wollte ich vermitteln. Zudem wollte ich den Leuten, die jeden Samstag im Stadion sind, tiefere Eindrücke gewähren, die der Beruf als Trainer mit sich bringt. Um als Trainer erfolgreich zu sein muss man eine klare Philosophie haben und fleißig sein. Es war eine sehr schöne Erfahrung, die sich gelohnt hat und die ich auch nicht bereuen werde.

Die wohl emotionalste Szene im Film war in der Kabine nach dem verpassten Sieg gegen den OFC am letzten Spieltag. Es war totenstill, zu Ihrem Team sagten Sie: „Das ist der Fußball, das ist der Sport, das ist das Leben.“ Vielmehr kann man in solch einer Situation wohl auch nicht sagen. Aber welch positiven Dinge lassen sich aus solch einer schmerzhaften Niederlage gewinnen?

Dieser Moment war für Alle sehr schwer, doch schon am nächsten Tag richteten wir den Blick wieder nach vorne. Es bringt nichts zu jammern, sondern man muss weiter an sich arbeiten. Erol Sabanov hat auch erwähnt, dass er seine Karriere nicht mit so einer schmerzlichen Niederlage beenden will. So bitter, hart und traurig das auch  war, diese Erfahrung hat uns stärker gemacht. Am Ende der vergangenen Saison war der VfL Osnabrück oben auf. Nächstes Mal wollen wir der Gewinner sein.

 

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

 

FOTO: 1. FC Heidenheim

   
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