Fortuna-Coach Koschinat: "Wir sind nicht auf Glück angewiesen“

Nach vier Spieltagen legt die 3. Liga an diesem Wochenende eine Pause ein. liga3-online.de hat die Gelegenheit genutzt, um sich ausführlicher mit Fortuna-Trainer Uwe Koschinat zu unterhalten. Im Interview spricht der 42-Jährige über die ereignisreiche Zeit nach dem Aufstieg, das Potenzial seiner Mannschaft und verrät seine Rechnung für den Klassenerhalt. Koschinat steht seit Juli 2011 an der Seitenlinie der Südstädter, die er in diesem Sommer nach einem dramatischen Relegationsspiel gegen den FC Bayern München II nach 14-jähriger Abstinenz wieder in den Profifußball führte.

liga3-online.de: Herr Koschinat, hinter Ihnen und der Fortuna liegen intensive Wochen. Vier Spieltage sind in der 3. Liga absolviert, davor lag eine kurze und knackige Vorbereitung. Inwiefern konnten Sie überhaupt bislang die Zeit in der neuen Liga genießen?  

Uwe Koschinat: Beim Saisonstart war genau das unser größter Fehler. Wir haben zum Auftakt noch zu sehr in der Vergangenheit gelebt. Die Anerkennung und das mediale Interesse waren nach dem Aufstieg im Juni extrem groß. Da ist uns auch erst bewusst geworden, welche immense Bedeutung dieser Aufstieg für den Verein hatte. Nach diesem Erfolg unter den bekannten Begleitumständen hatten wir es sicher verdient, uns ein wenig zurückzulehnen. Rückblickend muss ich aber sagen, dass wir das zu lange getan haben.

Der dramatische Aufstieg in München liegt über zwei Monate zurück. Hand aufs Herz, wie häufig erwischen Sie sich dabei, dass Sie an diesen Tag zurückdenken?

Jetzt nicht mehr so häufig, aber in der kurzen Ruhephase und im Urlaub waren die Bilder natürlich allgegenwärtig. Der Aufstieg hat ja nicht nur regionale Wellen geschlagen. Es ist demnach sicher nicht verwerflich, dass wir ein bisschen länger gebraucht haben, um diese Geschichte aufzuarbeiten. Man hört ja von vielen Spitzensportlern, die das erste Mal ein großes Ziel erreichen, dass diese positiven Erlebnisse zunächst ein Stück weit wirken müssen. Für uns ist es jetzt eine große Aufgabe diese Erlebnisse richtig einzuordnen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir in der Gegenwart leben. Die Aufgaben die vor uns liegen werden sicher nicht leichter werden.

Ihre Mannschaft holte vier Punkte aus den ersten vier Spielen. Sind Sie mit der Ausbeute zufrieden?

Meiner Meinung nach ist die Ausbeute immer ein Resultat von Leistung. Wenn wir auf unsere Leistungen aus den ersten vier Spielen zurückblicken, müssen wir kritisch sein und bilanzieren, dass wir nicht mehr Punkte verdient gehabt hätten. Die Verteilung der Punkte ist sicherlich ungewöhnlich. Niemand hätte gedacht, dass wir in Halle vor über 8.000 Zuschauern bei einem Geheimfavoriten so souverän mit 2:0 gewinnen. Auf der anderen Seite war der Auftritt in Großaspach erschreckend schwach. Sowieso war die Punktausbeute aus den ersten beiden Spielen gegen die Mitaufsteiger nicht in Ordnung. Nichts gegen Großaspach oder Mainz, aber diese Teams müssen wir hinter uns lassen wenn wir nicht absteigen wollen. Nur ein Punkt aus diesen zwei Spielen ist einfach zu wenig. Wir haben unsere Physis nicht in dem Maße auf den Platz gebracht wie wir es können. Das müssen wir aber tun, um überhaupt eine Chance zu haben in dieser Liga. Von daher ist die bisherige Punktausbeute ein gerechtes Spiegelbild unser gezeigten Leistungen. Damit können wir aber sicherlich nicht zufrieden sein.

In der Regionalliga verfolgten Sie in den letzten Jahren stets den viel zitierten Zwei-Punkte-Schnitt. Wie sieht Ihre Rechnung für diese Saison aus?  

Für uns muss es ein visuelles Ziel sein permanent mehr Punkte als Spiele zu haben. Leider haben wir dieses Ziel mit der Niederlage im letzten Spiel gegen Chemnitz verpasst. Trotzdem wäre es möglich gewesen. Wir haben aber im ersten Spiel gegen Großaspach versagt. Da lebten wir noch zu sehr im Gestern. Hätten wir an diesem Tag alle Aufgaben zu 100% erfüllt, wären wir sicherlich in der Lage gewesen dort zu punkten und dann wären wir auf Kurs. Demnach ist noch Steigerungspotential vorhanden.

Inwiefern schauen Sie jetzt auch schon auf die Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt?

Ich bin kein Trainer der nur auf sich schaut und seine Spielphilosophie durchbringen will. Meiner Meinung nach wäre so eine Einstellung falsch. Wir arbeiten sehr gegnerorientiert und ziehen aus den Analysen Stärken und Schwächen der anderen Teams heraus. Anders als in der Regionalliga kannst du in der 3. Liga aber nur sehr schwer prognostizieren welche Mannschaft am Ende der Saison wo in der Tabelle landet. Bis auf zwei, drei Ausnahmen sind alle Teams auf einem ähnlichen Niveau. Keine Mannschaft wird abgeschlagen am Tabellenende landen oder vorne wegmarschieren. Dafür ist diese Liga viel zu ausgeglichen.

Ausgerechnet beim Saisonauftakt in Großaspach zeigte die Fortuna eine erschreckend schwache Leistung. In den folgenden Spielen hat sich die Mannschaft allerdings gesteigert. Die Leistungskurve zeigt klar nach oben. Eine Entwicklung die Hoffnung macht für die kommenden Wochen?

Ja, absolut. In der öffentlichen Wahrnehmung hatte Chemnitz gegen uns einen schwachen Tag. Auf der anderen Seite haben wir eine ganz starke Partie gemacht. Wir haben Chemnitz vor viele Rätsel gestellt und in taktischer Hinsicht ein sehr hohes Niveau gezeigt. Auch körperlich zeigen wir einen positiven Trend. Wir können gegen die etablierte Mannschaften mitspielen, das macht mir Hoffnung. Wir sind nicht auf Glück angewiesen um gegen diese Teams zu punkten, sondern besitzen die Qualität um es aus eigener Kraft zu schaffen. Sowieso müssen wir uns immer vor Augen halten, dass in dieser Liga die Rahmenbedingungen eines Vereins nicht immer identisch sind mit der Qualität der Mannschaft. In Halle gibt es beispielweise ein großes Publikum. Die Bedeutung des Vereins für die Menschen in dieser Region ist enorm. Die Rahmenbedingungen sind mehr als zweitligatauglich. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Spieler die in den Trikots stecken auch immer diese Qualität repräsentieren. Die ersten vier Spiele haben gezeigt, dass wir uns an guten Tagen auf einem ähnlichen Niveau bewegen und gegen diese Mannschaften nicht chancenlos sind.

Gegen Halle und Chemnitz fehlten verletzungsbedingt gleich fünf potentielle Leistungsträger. Der personelle Substanzverlust war der Mannschaft allerdings nicht anzumerken. Ein Zeichen für die Ausgeglichenheit des Kaders.

Auf jeden Fall. Diese Qualität hat die Mannschaft schon immer ausgezeichnet. In den letzten Jahren wurden wir ja vom Verletzungspech weitestgehend verschont. Mit Sascha und Kris fehlte uns aber zuletzt schon das gedachte Herzstück. Man kann im Laufe einer Saison aber sowieso nur selten mit seiner absoluten Idealformation antreten, deshalb ist es ja auch so wichtig sich einen ausgewogenen Kader zusammenzustellen. Den haben wir und das sollte uns auch Sicherheit für die nächsten Wochen geben.

Sascha Marquet und Kristoffer Andersen werden in den kommenden Wochen zurückerwartet. Es wird zu Härtefällen kommen. Können diese zu einem Problem werden?

Es darf kein Problem werden. Letztendlich bin ich die Person, die Personalentscheidungen treffen muss. Diese sind teilweise auch unangenehm. Die Spieler müssen die Entscheidungen auch nicht immer verstehen. Es ist ganz normal, dass der Eine oder Andere unterschiedlicher Meinung ist, aber letztendlich müssen sie die Entscheidungen im Sinne der Mannschaft akzeptieren. Die Unzufriedenheit eines Spielers darf sich nie auf die Gruppe auswirken. Wir haben einen so gefestigten Stamm, dass ich in dieser Hinsicht eigentlich keine Probleme sehe.

Gegen Chemnitz hat man klar erkennen können, was die Mannschaft noch verbessern muss. Die Effektivität vor dem Tor und die hohe Fehlerquote. Gibt es weitere Baustellen?

In der Tat, gegen Chemnitz haben wir die Effektivität vermissen lassen. Allerdings war die Art und Weise wie die Chancen in Torabschlüsse umgesetzt wurden absolut in Ordnung. Allgemein würde ich nicht sagen, dass es uns jetzt an Effektivität mangelt. Das zeigt ja auch die Tatsache, dass wir bislang in jedem Spiel mindestens einen Treffer erzielt haben. Was die Gegentore betrifft, haben wir vor allem beim ersten Treffer von Anton Fink ordentlich Lehrgeld bezahlt. Ihn hatten wir eigentlich 60 Minuten lang ganz gut im Griff. Er bewegte sich häufig nur in den neutralen Räumen in denen es nicht weh tat ihn zu verteidigen. Aber seine Bewegungen hin zum Ball in der entscheidenden Situation sind einfach nochmal eine Klasse besser. Das ist für unsere Verteidigung ein Anpassungsprozess, obwohl sie in Halle auch gezeigt hat, dass sie einen Topstürmer wie Timo Furuholm über 90 Minuten im Sechszehner ausschalten kann.

In der kommenden Woche geht es nach Bielefeld. Sie sind ja bekanntlich ein Freund von Statistiken. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Arminia auch ihr drittes Liga-Heimspiel in der laufenden Saison verliert?

Das ist ein Spiel auf das man sich einfach nur freuen muss und wofür sich die drei Jahre harte Arbeit gelohnt haben. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte uns Arminia Bielefeld wahrscheinlich sogar als Testspielgegner abgelehnt, auch wenn wir Geld bezahlt hätten. Jetzt spielen wir in einer Liga. Das zeigt auch die Entwicklung der Fortuna in den letzten Jahren. Trotz der kleinen Krise bei Bielefeld erwartet uns aber auf der Alm eine imposante Kulisse. Wenn wir unsere Leistungen auf den Platz bringen, bin ich aber davon überzeugt, dass wir der Arminia Paroli bieten können. Dabei wird der psychologische Faktor sehr entscheidend sein. Bielefeld ist mit großem Druck in die Saison gegangen, weil sie eigentlich aufsteigen müssen. Unsere Aufgabe wird es sein, eine Spielweise auf den Platz zu bringen die den Gegner und das Publikum beeindruckt. Diese Aufgabe gehen wir jetzt mit sehr viel Vorfreude an, weil wir die Gewissheit haben, solchen Teams auf Augenhöhe zu begegnen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

FOTO: ef-pixx.de

   

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