Faszination Groundhopping: Hobby oder Lebenseinstellung?

Hamburg, Bremen, Dortmund oder München – Diese Stadien kennt ein erprobter Bundesliga- Auswärtsfahrer aus dem FF. Es sind Fans, die unterstützen ihre Mannschaft bei Heimspielen, als auch bei Auswärtsspielen. Sie sind jedes Wochenende unterwegs und tragen ihren Verein im Herzen. Aber was tun, wenn es nicht mehr reicht? Wenn die Liebe zum Fußball größer wird? Nicht nur in Deutschland wird Fußball gespielt, sondern auch in Europa und auf der ganzen Welt. Das Fernweh und die Abenteuerlust werden geweckt. Ein Hobby entsteht, das ein Fußballlaie nicht nachvollziehen kann: Groundhopping.

Ursprung in England

Groundhopping, ist eine besondere Leidenschaft. Aber was verbirgt sich dahinter? Groundhopping kommt aus dem englischen Sprachraum und ist eine Zusammensetzung aus dem Nomen "ground" und dem Verben "to hop". Ground wird wörtlich übersetzt mit Ground, Boden, Erde oder Gebiet. Umgangssprachlich wird ground auch für die Spielstätte eines Fußballvereins verwendet. To hop bedeutet hüpfen oder springen. Sinngemäß wird Groundhopping mit „hüpfen von Stadion zu Stadion übersetzt“. Geschichtlich gesehen entstand Groundhopping im Mutterland des Fußballs in England. 1974 hatte Geoff Rose die Idee eine spezielle Krawatte zu produzieren. Diese Krawatte sollten die bekommen, die alle 92 Stadien der vier englischen Profiligen besucht hatten. Vier Jahre später am 2. September 1978 wurde der 92er Club gegründet, für dessen Mitglieder strenge Regeln bestehen. Sie müssen alle besuchten Stadien mit Datum, Ergebnis, beteiligten Mannschaften und Zuschauerzahl dokumentieren. Eine Überprüfung ihrer Daten, findet allerdings nicht statt. Britische Hopper verlassen Großbritannien bzw. Irland nie oder selten. Das ist der entscheidende Unterschied zum kontinentalen Hopping.

Groundhopping seit 1990 auch in Deutschland

Das kontinentale Hopping, vor allem der in Deutschland, entwickelte sich zu Beginn der 1990er Jahre. Für viele Fans war die Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien der Anlass, erstmals Spiele im Ausland zu besuchen. Neben dem 92er Club und 38er Club (schottische Profiligen), wurde 1993 die V.d.G.D in Deutschland gegründet. Die Idee der Vereinigung der Groundhopper Deutschland hatten neun Deutsche Fans ein Jahr zuvor beim Römer Derby Lazio gegen AS Rom. Derzeit umfasst die Vereinigung 75 Mitglieder. Die Szene ist allerdings weitaus größer und unübersichtlicher. Das beweisen Thomas (Hansa-Fan) und Uwe (Erfurt-Fan), die liga3-online.de Rede und Antwort standen.

Hallo Thomas und Uwe! Vielen Dank, dass ihr Euch die Zeit genommen habt. 

Wieso machst ihr beiden überhaupt Groundhopping?

Thomas: Am Groundhoppen interessieren mich zum einen die Stadien. Da gibt es schon viele historisch interessante Grounds. Wenn man sich mit der Geschichte der Stadien befasst, kommen einige interessante Geschichten zum Vorschein. Im Ausland interessiert mich auch die Stimmung im Vergleich zu Deutschland.

Uwe: Wieso sammeln andere Briefmarken oder gehen zu 20 Konzerten der gleichen Band? Es ist halt ein Hobby, einmal verfallen ist es schwer da wieder raus zukommen, speziell weil es ja unendlich Spaß macht und man viele neue Länder, Städte, Stadien und Leute kennenlernt. Im Vordergrund steht aber das "Ausbrechen" aus dem Alltag, das Abenteuer und die Neugierde auf neue Dinge und bei mir auch eine gehörige Portion Fernweh.

Wann fing bei Euch diese Leidenschaft an?

Thomas: Mit Hansa Rostock fahre ich seit 1992 auswärts. Damals war in erster Linie Hansa wichtig. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Interesse an den Stadien. Da kann ich noch nicht mal einen ungefähren Zeitpunkt nennen.

Uwe: Wahrscheinlich wie bei den meisten Hoppern mit regelmäßigen Besuchen des Heimatvereins, bei mir der RWE aus Erfurt. Irgendwann mit 12, 13 Jahren fährst du dann auch ohne Papa auswärts, lernst dort Leute kennen und wirst zum Allesfahrer. Irgendwann kommt dann einer aus der Gruppe auf die Idee, doch auch mal zu einem Länderspiel zu gehen, nach 5,6 Länderspielen muss man die DFB-Elf auch mal auswärts begleiten. Früher hat immer die U21 ein Tag vorher gespielt, also wurde das sowohl zu Hause als auch auswärts auch mit ins Programm aufgenommen. Ja und die Leute, die man da so kennenlernt waren natürlich auch schon mal in einer ausländischen Liga unterwegs und haben so tolle Geschichte parat, dass man da auch unbedingt mal hin will! Der richtige Durchbruch kam dann 1996 mit der EM in England, absolut geniale Tour mit genialen Leuten. Da war es dann um mich geschehen!

Was war Euer erster Ground?

Thomas: VfL Oldenburg im Marschwegstadion.

Uwe: Wie bei wohl 99,9% aller Hopper, der des Heimatvereins, den jeder irgendwo immer im Herzen trägt, auch wenn es mit der Zeit seltener wird, dass man da vorbeischaut! Bei mir also das Erfurter Steigerwaldstadion!

Ist es bei Euch beiden Hobby oder mehr?

Thomas: Groundhoppen ist bei mir ein Hobby. Aufgrund von Familie und Beruf ist für mehr keine Zeit.

Uwe: Schwer zu beantwortende Frage! Kollegen und Freunde sagen eindeutig, dass es mehr ist! Ich denke, ich hab das gut im Griff. Ich bekomme keine Entzugserscheinungen, wenn wie gerade durch den lang anhaltenden Winter mal 1,2 Wochen ohne Fußball laufen. Leute die Kunst sammeln, geben sicher mehr Geld aus, Leute die aktiv in einem Orchester spielen opfern sicher auch ähnlich viel Zeit – daher ist es schon ziemlich aufwendig aber doch definitiv noch ein Hobby!

Wie bekommt ihr beide Arbeit, Familie und Groundhopping unter einen Hut?

Uwe: Viele, viele Überstunden, gutes Zeitmanagement, entsprechende Position und Standing in der Firma, da geht das mit der Arbeit schon ganz gut zu organisieren. Familie wird halt dazwischen geklemmt. Im Winter sehen die mich definitiv häufiger als im Frühjahr / Herbst, aber so richtig hat sich noch keiner beschwert! Karten, kleine Mitbringsel und Dia-Shows helfen auch die Abwesenheit etwas auszugleichen

Thomas: Da ist das bei mir schon einfacher. Da ich eine Freundin habe, die das Hobby akzeptiert und teilweise sogar mitmacht. Wir schauen, dass wir gelegentlich Wochenendtripps in europäische Städte machen. Diese kann man dann gut mit dem hoppen verbinden.

Was sagt die Familie/ Lebenspartnerin, wenn es wieder heißt: Morgen geht es wieder los und ich bin für ein paar Tage unterwegs.

Uwe: Das wichtigste ist, frühzeitig Bescheid zu sagen! Je nach Mitreisenden und "kulturellem Anspruch" des Landes "darf" sie auch schon mal mit! Das schafft Verständnis und zeigt, dass so ein Hopping-Trip deutlich mehr ist als Bier trinken und Fußball schauen. Kürzlich in den Kosovo / Albanien / Mazedonien bin ich lieber mit einem unerschrockenen Hopper-Kollegen gefahren, aber nach Schweden, England usw. kommt sie schon gerne mit!

Thomas: Aufgrund der o.g. Situation gibt es die Situation bei mir so nicht. Das längste sind da mal 1,5 Tage die man unterwegs ist. Da steht sie aber auch hinter mir.

Was war euer erster längster Auslandsaufenthalt?

Thomas: Der längste Aufenthalt in Verbindung mit Fußball war Ende letzten Jahres in Dublin. Dort haben wir das Länderspiel und noch ein Ligaspiel der irischen Liga mitgenommen.

Uwe: Da ist es schon ein bisschen anders bei mir.“ 3 Wochen England im Rahmen der EM 1996. Damals 21 Jahre alt und gerade beim Studium mit 4 Freunden im Wohnmobil! Geniale Tour. Alle Stadien, 14 Spiele, am Ende Europameister in Wembley…ziemlich genial! Mit zwei der Kollegen fahr ich heute noch ab und an durch die Lande!

Wie viele Spiele versucht ihr beide bei einem Trip zu besuchen?

Uwe: So viel wie möglich, nein im Ernst – das ist von Trip zu Trip komplett unterschiedlich! Alles was sinnvoll ist, wird mitgenommen, aber ich lass keinen Trip sausen, nur weil eventuell nur ein Spiel zu sehen ist! am Donnerstag (21.März 2013) geht es nach Kasachstan zum WM-Quali-Spiel. Da ist aller Voraussicht nach kein weiteres Spiel zu machen, aber egal! Neues Land, das östlichste der UEFA, völlig anderer Kulturkreis, sicher ein spannender Trip! Wenn es zwischen Weihnachten und Neujahr auf die Insel geht, sollten dann aber schon 5,6 Spiele möglich sein!

Thomas: So viele es möglich sind ohne die Beziehung zu gefährden.

Und schon kommen wir zur letzten Frage. Eine kuriose Geschichte, die euch beiden auf einen Trip passiert ist.

Uwe: Ohne lange nachzudenken, aber meiner Meinung nach schon relativ kurioses hat sich letztens in Albanien abgespielt. Mit dem Mietwagen (kosovarisches Kennzeichen) waren wir auf dem Weg von Tirana über Dürres nach Peqin zu einem Erstliga Spiel der Kategoria Superiore, als uns 20 Kilometer vor dem Ziel an einer Kreuzung eine Gruppe Polizisten anhielt. Keiner von denen sprach auch nur eine Silbe Englisch und unser Albanisch war auch etwas eingerostet oder halt gar nicht vorhanden. Irgendwie machten die uns dann klar, dass sie wissen wollten, wo wir hinfahren. Unser gepresstes "Peqin" haben sie auch verstanden und nach einem erleichterten Grinsen begaben sich zwei von denen an die hinteren Türen unseres Seat Ibizas, öffneten selbige, nahmen Platz und bedeuteten uns loszufahren. Unterwegs ständige Versuche uns irgendwas auf albanisch zu erzählen….Wissenstransfer = NULL! Bei einem 50 km/h Schild, bremst mein Kollege ordnungsgemäß ab, da waren die Polizisten voll am feiern und meinten nur wild gestikulierend Go! GO! GO! Die haben sich noch minutenlang darüber amüsiert, dass wir in der Tat ein Schild beachtet und abgebremst haben. In Peqin, wollten sie dann weiter Go! Go! Go! (geradeaus) aber wir hatten schon die Flutlichter entdeckt. Nach kurzem hin und her sind sie dann raus, haben artig danke gesagt und sind verschwunden! Abends in Tirana im Hotel hab ich das dem Portier erzählt (er hat uns am Vorabend die Ansetzungen aus einer Zeitung übersetzt) und der meinte nur, dass das Gang und gäbe sei, dass die Polizei früh zu einem Einsatz gefahren wird und abends zusehen muss, wie sie wieder heimkommt. Nur mit Touristen hätten sie das sonst noch nicht gemacht!

Thomas: Einer meiner schönsten Auswärtsfahrten, war zum Spiel 1860 vs. Hansa Rostock. Genau wann, weiß ich das nicht mehr – irgendwann in den 90-igern. Wir sind nie beim Spiel angekommen da ein Wintereinbruch unseren Bus auf der Autobahn in einen 60 km Stau brachte und aus dem es kein entkommen gab. Wir sind dann mit ca. 50 Leuten durch kniehohen Schnee über Felder ins nächstgelegene Dorf irgendwo in Sachsen gelaufen. Von dort ging es mit dem Zug nach Leipzig und von dort zurück nach Rostock. Wir haben dieses Spiel 1:1 gespielt wobei das Tor von Böger in der 89. Minute gefallen ist. Bei dem Spiel waren seinerzeit wohl ca. 300 Gäste obwohl ca. 3000 Mann auf dem Weg waren.

Vielen Dank für das nette Interview und viel Spaß noch bei weiteren Touren.

   
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