Die Blende polieren

Das Saarbrücker Fantreffen zeigt, dass der FCS an der Schwelle zum modernen Fußball steht. In welche Richtung es in Zukunft gehen wird, hängt von der Entscheidung der Region für oder gegen höherklassigen Sport ab.

„Sie werden es erleben“ sagt Präsident Paul Borgard in Bezug auf den Stadionneubau. Rund 100 Personen hören nicht nur das am gestrigen Abend auf dem Fantreffen in Alt-Saarbrücken. Das Präsidium macht vor allem deutlich, dass das Vorhaben am Ludwigspark einer der wichtigsten Indikatoren dafür ist, ob Saarpolitik und -wirtschaft einen eigenen Verein im bezahlten Fußball sehen wollen. Die Wirtschaftskraft sei da, erklärt Aufsichtsratchef Reinhard Klimmt. Er bemängelt aber, dass potentielle Geldgeber und Entscheidungsträger sich nicht sicher sind, ob es für die Bürger nicht ausreichend ist, in andere Städte zu fahren, anstatt im eigenen Land für höherklassigen Fußball zu sorgen.

Bei den Beiträgen des Bundesverkehrsministers a. D. scheint vor allem sein Enthusiasmus spürbar, den er noch immer für die Blau-Schwarzen hegt: „Wenn ich noch Ministerpräsident wäre, hätten wir das neue Stadion schon längst“ versichert er. Damit lässt er nicht nur vermuten, dass der Hauptstadtklub nicht zu den Lieblingsvereinen der aktuellen Machthaber zählt. Es wird auch deutlich, dass er sich dem Neubauprojekt verschrieben hat, um seinen Verein nach vorne zu bringen.

Aus diesem Grund wurden von Vereinsseite insbesondere in den vergangenen Monaten in Sachen Vereinssponsoring viele Klinken geputzt. Entgegen der bei Verhandlungen üblichen Praxis, nennt Klimmt Namen von Firmen, mit denen er gesprochen hat, um dem vorgebrachten Wunsch der Fans nach Offenheit entgegenzukommen. Neben diversen Absagen, u. a. von „Villeroy und Boch“, „Cosmos Direkt“, „ZF“ und „Ford“, hat lediglich „Globus“ hier und da einige Zuschüsse gegeben, jedoch ohne Interesse an einem verbindlichen Engagement. Die Loge im nicht weit entfernten Erstligastadion ist letztlich etwas, das das VIP-Zelt des FCS und seine „kalten Plastiksitze“ nicht ersetzen können.

Sogar mit der Deutschen Bahn hat er gesprochen und seine Kontakte aus der bundespolitischen Zeit spielen lassen, „…aber die machen schon Hertha BSC Berlin“. Beim französischen Autobauer „Peugeot“ könnte sich allerdings in Zukunft ein Richtungswechsel anbahnen. Der einstige Hauptsponsor des Clubs ist allem Anschein nach dabei, seine Konzeption, nur noch bei Tennis und Golf Sponsoring zu betreiben, zu überdenken.

„Ich brauche den VIP-Bereich nicht“

Doch auch zur Gewinnung dieses Geldgebers ist eine neue Spielstätte notwendig. Denn blau-schwarze Herzen sind rar gesät. So fügt Vizepräsident Ebertz hinzu, dass es sehr selten vorkommt, dass ein Geldgeber auftritt, für den Sympathie der ausschlaggebende Grund für ein Engagement ist. Stattdessen ist es von Vereinsseite aus notwendig, den Gönnern etwas zu bieten. Neben dem Rundum-Service, den die modernen VIP-Bereiche ihren Nutzern bieten, stellen sie sowohl für

Sponsoren, als auch den Verein vor allem einen Raum dar, um Geschäftskontakte zu knüpfen und zu pflegen und die eigene Marke zu vermarkten.

Solche Möglichkeiten zu bieten, ist der FCS zurzeit nicht fähig. Um dazu in der Lage zu sein, müsste ein neues Stadion her, von dem man sich ebensolche Strukturen verspricht. „Ich brauche den VIP-Bereich nicht, aber für die ist er eben wichtig!“ erklärt Klimmt.

Neben den Logen vermissen die angesprochenen Firmen allerdings ebenso eine höhere Spielklasse des Vereins, die ein Sponsoring u. a. aufgrund der stärkeren Medienpräsenz interessanter machen würde. Wie aber ohne Sponsoren ein neues Stadion gebaut und sportlicher Erfolg vorgewiesen werden kann, wenn die Geldgeber, die zur Erreichung dieser Ziele notwendig wären, ebendiese als Vorraussetzung für ihre Beteiligung sehen, wissen die FCS-Verantwortlichen auch nicht. Deshalb setzen sie in Absprache mit Stadt und Land auf eine Spielstätte für das ganze Bundesland, um mit den Kosten nicht alleine dazustehen. Am 31. Januar soll dann im Saarbrücker Stadtrat ein entsprechender Beschluss getroffen werden, der die Position der Stadt in dieser Frage manifestieren wird.

Mit dem Duo der Infrastruktur und des sportlichen Erfolges geht nach Aussage von Vizepräsident Ebertz die Jugendarbeit Hand in Hand. Auf Nachfrage der Besucher erläutert Vizepräsident Ebertz, dass alleine in den vergangenen drei Jahren 22 Spieler die FCS -Jugend verlassen haben, um sich den Internaten von Erstligisten anzuschließen. Zurückzuführen sei dies in erster Linie auf die fehlende sportliche Perspektive für den Nachwuchs. Mindestens in der 2. Bundesliga müsse die 1. Mannschaft spielen, um ein ansprechendes Argument für einen Verbleib vorzuweisen. Die flutartigen Abgänge haben schließlich unter anderem dazu geführt, dass die Mannschaften der A-und B-Jugend nun nicht mehr in den Juniorenbundesligen vertreten sind. Auch diese sportliche Herausforderung fehlt somit.

Die Spieler kommen als Wracks zurück

Sportdirektor Dieter Ferner weiß jedoch zu ergänzen, dass die Mehrzahl der abgeworbenen Akteure von den Bundesligisten „auf Halde“ gekauft wird und über die Vielzahl, die nach 3 Monaten wieder zu Hause ist, weil sie es nicht schafft, nicht gesprochen wird: „Für einen jungen Spieler ist es in der Regel besser, in seinem gewohnten Umfeld zu bleiben und erstmal 2 oder 3 Jahre bei uns in der 1. und 2. Mannschaft zu spielen, bevor er weggeht. Viele, die uns verlassen, erleben bei ihren neuen Vereinen eine andere Welt, mit der sie nicht klarkommen. Manchmal endet das sogar in menschlichen Tragödien und sie kommen als Wracks zurück.“

Ebertz weiß zu ergänzen: „Die meistens Jungs sehen sich dann schon in der Bundesliga und lassen die Schule und alles sausen, während sie in ihrer Jugendmannschaft dann nur verhältnismäßig wenig Einsatzzeit bekommen. Sie sind dann einer unter vielen und machen nur manchmal ein ganzes Spiel. Mike Frantz hat bei uns auch erstmal 2 Jahre bei den Profis gespielt, bevor er nach Nürnberg gegangen ist. Wir haben auch dem Phillipp Wollscheid angeboten, sich erstmal über die 2. Mannschaft für unsere Profis zu empfehlen. Er wollte aber, statt in unserer, lieber in Nürnbergs 2. Mannschaft auflaufen.“

Um die Missverständnisse, die es in diesem Zusammenhang bei den Fans gegeben hat, weiter auszuräumen, erklärt er auch, dass das vermeintlich niedrige Gehaltsangebot für Wollscheid, das durch die Medien ging, schlicht falsch war. Vor allem habe man ihn nicht weggeschickt, sondern wollte ihm eine Perspektive bieten, wie es bei jedem jungen Spieler mit Entwicklungspotential üblich ist. Dass der Spieler nun nach seinem Weggang den Sprung in Nürnbergs Innenverteidigung

geschafft habe, sei natürlich, ebenso wie die Etablierung von Patrick Herrmann bei Borussia Mönchengladbach, erfreulich.

Das Ende der Chaosjahre

Als erfreulich kann man zugleich auch die ruhige und besonnene Art betrachten, mit der die Verantwortlichen auf dem Podium die Fragen der Anhängerschaft beantworten. Die Professionalität, die dahinter ein kleines bisschen hervorzuschauen scheint, ist etwas, das beim FCS nicht immer anzutreffen war. Ob die Sachlichkeit und Unaufgeregtheit, um die der Präsident bei einigen Wortmeldungen bittet, den Verein nach den zurückliegenden Chaosjahren vollkommen durchdrungen hat, wird sich besonders in seiner Amtszeit erweisen müssen. Borgard steht zusammen mit der übrigen Führungsriege vor entscheidenden Weichenstellungen für den Verein. In den Diskussionen des Abends bittet er mehrfach um mehr Vertrauen und empfiehlt, den Blick in die Zukunft, statt auf die Enttäuschungen in der Vergangenheit zu richten.

Zusammen mit den Beziehungen Klimmts in Politik und Wirtschaft lässt der gewissenhafte Eindruck, den der Präsident hinterlässt, ein großes Bemühen um den Verein erkennen. Die sportliche Leitung bekräftigt auf diesem Hintergrund schließlich, dass neben der Vereinsführung vor allem die Fans einen ausgesprochen wichtigen Teil zum sportlichen Erfolg beitragen können. „Wenn wir dieses Jahr die Klasse nicht halten, dann weiß keiner, wohin die Reise geht“ erklärt Ferner. „Dann können wir alle Themen, über die wir heute Abend gesprochen haben, in die Tonne kloppen-ob das der Stadionneubau oder sonst was ist. Vielleicht könnt Ihr Fans einfach mal die Schwierigkeiten untereinander wenigstens für die restliche Saison beiseite legen. Die Mannschaft merkt, wenn Ihr da seid und sie braucht Euch!“ Dies bestätigt Cheftrainer Luginger und bedankt sich für die bisherige Treue und die Mühen, die die Anhänger vor allem bei weiten Auswärtsfahrten auf sich nehmen.

Dem die Fans lobenden Bericht von Saarbrückens Polizeidirektor Peter Becker, der dann folgt, fügt der Präsident die Anmerkung an, dass das Image des Vereins unmittelbar mit dem Verhalten seiner Anhängerschaft verknüpft ist. Seinem Vorgänger Horst Hinschberger habe einmal ein Vertreter von Mercedes gesagt, dass er erst einmal die Blende des Leuchtturms polieren müsse. Solange in den Medien immer wieder von unschönen Vorkommnissen durch die Anhängerschaft zu lesen ist, sei angesichts der Öffentlichkeitswirkung einer solchen Partnerschaft für den Autoriesen nicht an eine Unterstützung der Saarbrücker zu denken.

Der Insolvenzexpress

Was letztlich bleibt, ist die Frage, welche Art von Fußball die verschiedenen Beteiligten wollen. Ähnlich, wie Politik und Wirtschaft entscheiden können, ob sie höherklassigen Fußball an der Saar wollen oder nicht, haben auch die Fans einen Einfluss auf das mediale Bild des Vereins.

Das große Geld, das sportlichen Erfolg ein Stück weit wahrscheinlicher macht, ist allem Anschein nach nur mit entsprechenden Strukturen erreichbar. Manche Clubs bringen sich dafür durch horrende Finanzierungsmodelle an den Rand der Wirtschaftlichkeit.

So weit ist der FCS jedoch nicht: „Wir können aus den Fehlern, die andere gemacht haben, lernen“, sagt Borgard. Er findet, dass es auf diesem Hintergrund gar nicht mal so schlecht ist, dass der FCS noch nicht auf den rasenden Zug aufgesprungen ist, der sich da Neubau nennt und ganz Deutschland ununterbrochen befährt, und er scheint Recht zu haben. Was passiert, wenn mehr Geld

in die Hand genommen wird, als da ist, um den Anschluss nicht zu verpassen, ist derzeit beispielsweise in Bielefeld, Rostock oder Essen zu sehen. Der Insolvenzexpress hätte darüber hinaus beinahe in Dortmund oder Gelsenkirchen Station gemacht.

Der Verein ist nun in der komfortablen Lage, es angesichts dieser Beispiele besser machen zu können. Voraussetzung dafür ist nach den vergangenen turbulenten Jahren die sportliche Stabilisierung, ohne die alles andere hinfällig wird. Unter dieser Vorraussetzung werden die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft dann zu entscheiden haben, wie sie die Weichen für den FCS stellen, bevor der Zug für den Club ganz abgefahren sein wird.

   
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