Der neue Neuanfang für Stephan Gusche bei Hansa Rostock
Wir schreiben den 24. Februar 2012. Über der Rostocker DKB-Arena liegt eine angespannte Stimmung. Es ist frostig und feucht an diesem Freitagabend in der Hansestadt. Der Rasen im ehemaligen Ostseestadion verdient seine Bezeichnung schon längst nicht mehr. Aufgerissen vom schlechten Wetter und vom unermüdlichen Kampf der Blau-Weißen. Im Duell gegen den direkten Konkurrenten aus Ingolstadt brennt dennoch die Luft. Hansa ist überlegen und führt hochverdient mit 1:0 und drückt auf die endgültige Entscheidung. Es ist die 49. Spielminute, Tobias Jänicke stürmt allein auf den besten Ingolstädter zu, Torhüter Ramazan Özcan. Dieser hält den wuchtigen Schuss des Rostockers erneut bravourös. Der Konter läuft, Hansa-Kapitän Sebastian Pelzer verschätzt sich, der Linksverteidiger der Gäste Andreas Schäfer hat viel Platz.
Als Gusche den Ball ins eigene Tor schoss
Er drischt die Flanke in den Strafraum. In der Mitte steht der 22-jährige Stephan Gusche und sieht die Bedrohung auf sich zukommen. Es sind Sekundenbruchteile in denen sich der junge Abwehrrecke entscheiden muss, entweder den Ball durchlassen und eventuell den Gästen eine Kopfballchance aus ganz schlechtem Winkel ermöglichen oder den Ball in Richtung Stadiondach köpfen, was sich aufgrund der nähe zum eigenen Tor sehr bedrohlich auswirken kann. Er entscheidet sich für die zweite Variante und geht entschlossen zum Ball. Ein entsetztes raunen geht durch die Massen, vereinzelte Jubelschrei bahnen sich leise einen Weg durch den monotonem Lärm der Entrüstung. Die Rostocker Spieler, noch frustriert von der vergebenen Torchance, stehen regungslos auf den zerwühlten Rasen. In den Augen Gusches scheinen sich Tränen zu sammeln. Er schämt sich. Torhüter und Freund Kevin Müller holt den Ball aus den eigenen Maschen.
Hansa und Gusche in der Krise
Als Gusche in der 78. Minute ausgewechselt wird. liegt Hansa 1:2 hinten – Trotz einer Vielzahl von weiteren Einschussmöglichkeiten. Rostock verliert, für viele ist es bereits damals der eingeläutete Abstieg. Dass der gebürtige Schweriner die Nummer dreizehn trägt, passt perfekt ins Bild an diesem aus Rostocker Sicht schwarzen Freitag. Gusche wird von vielen Fans zum Sündenbock erklärt, Beleidigungen und Hetzreden in Online-Foren bleiben keine Seltenheit und siedeln sich weit unter der Gürtellinie an. Vier Wochen später wirkt der gebürtige Schweriner immer noch in Gedanken versunken. Rostock befindet sich in einer schweren Krise. Erneut fünf Spiele ohne Sieg, in der vorherigen Woche drei Punkte leichtfertig beim KSC verschenkt und nun die letzte Chance gegen Erzgebirge Aue vor Augen. An ein Wunder glauben die wenigsten Fans- doch klammert sich jeder Anhänger mit der Kogge auf der Brust an die letzten verbliebenen Hoffnungsschimmer. Nach dem letzten Training vor dem Aue Spiel stapft Stephan Gusche von dannen. Der Gesichtsausdruck wirkt immer noch gebunden an diesen trostlosen Februarabend, ohne Mut und voller Selbstzweifel.
Eine Tragische Figur
Im kleinen Ostderby gegen die Erzgebirgler aus Aue agieren die jungen Hanseaten motiviert und forsch. Ein Erfolg und alles wäre wieder im Bereich des Möglichen. In der zwölften Minute wartet erstmals Arbeit auf die Hansa Deckung. Der junge Mann mit der Trikotnummer 13 geht motiviert zum Ball und will das runde Leder unbedingt aus der eigenen Hälfte verbannen. Der Ball verspringt aufgrund einer der vielen Wölbungen auf der Spielfläche, er tritt ins leere. Ein Schmerzschrei vehallt in der Arena. Der Gegenspieler krümmt sich am Boden. Der 34-jährige Schiedsrichter Tobias Welz aus Wiesbaden schreitet im schnellen Schritt zum Übeltäter. Alle erwarten Gelb wegen gefährlichen Spiels, der Unparteiische zückt glatt rot. 13.000 Zuschauer sind entsetzt, Wolfgang Wolf ist außer sich und der 1,94 Mann versteht die Welt nicht mehr. Einen Monat nach seinem unglücklichen Missgeschick ist es wieder er, der seinen Herzensklub in schwere Nöte bringt. Wütend und maßlos von sich und der Fußballwelt enttäuscht stapft der kahlköpfige Innenverteidiger in Richtung der Katakomben ab. Vereinzelte Fans verschmähen ihn, doch einige versuchen ihren Stephan wieder aufzubauen. Stephan Gusche wird vom DFB für vier Begegnungen gesperrt, für ein Foul, das keins sein sollte. Rostock verliert erneut, doch ist diesmal nicht Gusche der Schuldige, diesmal ist er die tragische Figur in einem Drama Namens Hansa.
Stammplatz für Gusche?
Am Ende dieser verkorksten Saison, die bereits mit seiner Suspendierung mit August einen bitteren Anfang nahm, blieben Gusche nur wenige Erfolgserlebnisse. Immerhin schnupperte er erneut Zweitligaluft (zwei Kurzeinsätze in der Spielzeit 2009/10) und eroberte sich einen Platz in der Startelf. Er konnte zwei Profitreffer verbuchen, dass alles nach seiner schweren Verletzung im vorrangegangenen Drittliga-Saison. Doch es bleiben vor allem auch die bitteren Erinnerrungen und der sowohl bittere als auch unnötige Abstieg. Doch Stephan Gusche ist kein Spieler, der davon läuft oder aufgibt. Er verlängerte seinen Vertrag bei seinem Lieblingsverein. Die 3. Liga ist für das Abwehrtalent kein unbekanntes Territorium, aber auch mit dieser Spielklasse verknüpft er schlechte Erinnerrungen. Nach elf Einsätzen in der Startelf und acht Siegen verletzte sich Gusche schwer am Knie. Für den schlaksigen Abwehrrecken die erste bittere Pille in seiner jungen Karriere. Momentan scheint es so, als ob Gusche ein Stammplatz winkt. Der Platz neben Routinier Mathias Holst scheint Ihm vorbehalten. Doch scharren mit Andreas Pfingstner und Patrick Wolf zwei Talente mit viel Potenzial mit den Hufen. Doch Stephan Gusche hat es selbst in der Hand, die körperlichen Voraussetzungen als auch das nötige Talent besitzt er ohne jeden Zweifel. Was er noch braucht, ist Mut und Selbstbewusstsein sowie das nötige Vertrauen. Setzt er sich dieses Jahr nicht durch, kann es aber auch das Ende seiner Profi-Ambitionen bedeuten. Sein Vertrag läuft schließlich nur bis zum Jahr 2013. Wir wünschen Ihm alles Gute für seine dritte Profisaison. Ohne Pleiten, Pech und Pannen. Denn wie lautet die vom Volksmund inflationär gebrauchte Floskel: „Alle guten Dinge sind Drei“.
FOTO: Sebastian Ahrens / www.rostock-fotos.de