Der Hallesche FC steht vor offenen Türen

Am Ende lagen sich alle in den Armen – Spieler, Funktionäre, Fans. Der HFC hatte trotz zweier roter Karten, von denen eine mindestens fragwürdig war, die 2:1-Führung gegen den Chemnitzer FC über die Zeit gerettet und kletterte am vergangenen Samstag durch diesen Sieg auf Platz 9 in der Tabelle, schmale vier Punkte hinter dem Relegationsplatz. Wer hätte das nach dem herben Saisonstart mit vier Niederlagen aus vier Spielen für möglich gehalten? Die Überraschung über diesen Schub wurde in diesem Moment nur noch von der Überraschung über das Wie überboten.

Halle nimmt sich ein Beispiel an Heidenheim

Von einem glücklichen Sieg zu sprechen wäre bei aller Erleichterung in den Gesichtern der Spieler aber falsch, denn der HFC dominierte das Spiel auf eigenem Rasen ohne die aktivere Mannschaft am Ball zu sein. Allein durch die selbstbewusste Ausstrahlung der meisten Spieler gelang es der Mannschaft von Sven Köhler das Spiel des CFC immer wieder zu verkomplizieren. Eine exakte Kopie des Aufstiegsanwärters aus Heidenheim, der im Heimspiel zuvor auf ähnliche Art den HFC dominiert hatte und ohne sonderlichen Aufwand aufopferungsvoll kämpfende Hallenser zur Verzweiflung getrieben hatte. Gleiches galt nun für die Hausherren gegen Chemnitz. Zwei vorbildlich ausgespielte Konterattacken mitten ins Herz der Chemnitzer Spielfreude sicherten den Saalestädtern den verdienten Erfolg, der nur durch einen verwandelten Foulelfmeter des Chemnitzers Fink kurzzeitig in Gefahr gebracht wurde.

Köhler der „Rotationskönig“

Doch die hervorragend eingestellte Mannschaft des HFC wusste die Angriffe des CFC ein ums andere Mal abzuwehren und offenbarte dabei die Stärke, die vor der Saison, vor allem in Anbetracht der Ergebnisse, nicht bewusst war. Vom Torhüter bis zur Sturmspitze verfügt die Mannschaft auf jeder Position über mindestens einen überragenden Spieler, teilweise sind es sogar mehrere. Die Torhüterposition teilen sich mit Pierre Kleinheider und Dominik Kisiel zwei starke Keeper, von deren jeder einen Ausfall des anderen eins zu eins ersetzen könnte. In der Abwehr regiert die Flexibilität und Routinier Daniel Ziebig. Mit Spielern wie Adli Lachheb oder Pierre Becken, die nach Verletzungen oder Formkrisen zurückgefallen sind, steht eine starke Bank hinter der neuen Stammverteidigung. Gleiches gilt für das Mittelfeld, bei dem sich Sven Köhler zum neuen „Rotationskönig“ krönen lassen kann. Symptomatisch, dass selbst Spieler wie Sören Bertram, der zuletzt zurückgefallen war, den Kampfgeist beweisen, sich in die Mannschaft zurückzuspielen. Gleiches gilt für den gelernten Linksverteidiger Robert Schick, der sich alleine mit seinem Einsatz eine Position in Köhlers Stammelf praktisch aussuchen konnte. Akaki Gogia und Timo Furuholm haben sich in einer ursprünglich eher gesichtslosen Mannschaft als klare Stars herauskristallisiert, ohne einen Bonus zu genießen. Das spricht für den Teamgeist der Hallenser und der wiederum ist erneut der klare Verdienst von „Zauberer“ Sven Köhler.

HFC nun auch auswärts souverän

Nach dem Saisonstart hart kritisiert und von lokalen Foren wieder einmal fiktiv aus der Distanz zum Rücktritt gedrängt, stand der mittlerweile schon als HFC-Urgestein zu bezeichnende Trainerfuchs erneut über dem Gerede und taktierte sich und die Mannschaft mit Systemwechseln und der angesprochenen Rotation zum eindrucksvollen Erfolg. Köhler band ein weiteres Mal neu verpflichtete Einzelspieler zur Mannschaft und flößte anfangs enttäuschenden Neuzugängen wie Gogia neues Selbstbewusstsein ein. Auch Timo Furuholm schöpfte seine Torgefahr sicher nicht ausschließlich aus der Luftveränderung, der Finne spürt das unbedingte Vertrauen des Trainers und spielt trotz anfänglichem Druck befreit auf. Trotzdem ist Köhler kein sanfter Kumpel und setzte mit der heftigen Degradierung von Ex-Star Lachheb und den regelmäßigen Denkpausen für formschwache Spieler wie Bertram oder auch Toni Lindenhahn klare Zeichen, die zumindest bei Bertram für eine konstruktive Reaktion sorgten. Der HFC ist brandgefährlich und vor allem zuhause unberechenbar, aber mittlerweile auch, wie in der „bayrischen Woche“ gegen Unterhaching und Regensburg, auswärts durchaus in der Lage, sein eigenes Spiel aufzuziehen.

Merkel mault, Wagefeld wartet

Also alles fidel beim Club von der Saale? Beinahe, denn zwei kleine Brandherde lodern noch leise vor sich hin. Zum einen ist Ersatzstürmer Pierre Merkel angefressen, weil er im funktionierenden Kollektiv momentan keine Rolle spielen kann. Merkel agierte zum Saisonauftakt fleißig, aber extrem glücklos und ist nun alles andere als ein Schlüsselspieler. Stattdessen reiht er sich im Moment noch zwischen Angelo Hauk und Nils Pichinot, den glücklosen Ex-Ersatzstürmern der letzten Jahre ein. Brandherd Nummer zwei ist Kapitän Maik Wagefeld. Köhler wird nicht müde, die mentale Bedeutung des Leaders für die Mannschaft hervorzuheben, wird aber zustimmen müssen, dass das Spiel des HFC seit der Verletzung seines Kapitäns flüssiger und strukturierter wirkt. Nicht wenige fragen sich, ob Wagefeld nochmal in die Startelf zurückehren kann und wird.
Trotzdem ist der HFC auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft – im aller positivsten Sinne. Spielt sie weiterhin so souverän wie gegen Chemnitz, stehen alle Türen offen, erst Recht, weil nur der 1. FC Heidenheim in dieser Saison ohne größere Patzer um den Aufstieg zu spielen scheint. Alles ist möglich an der Saale, auch wenn das zum jetzigen Zeitpunkt natürlich wieder keiner so recht für möglich hält…

FOTO: Marcus Bölke

   

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