Dank gibt es nur zum Begräbnis

„Dank gibt es nur zum Begräbnis", erklärte der deutsche Fußballprofi Thomas Hitzlsperger kürzlich in einem Interview mit einem Fußballmagazin. Der 1. FC Saarbrücken hat diese These widerlegt. Im Jahr 2008 hatten die Fans ihrem Verein in der Hoffnung auf gutes Geleit in die Tiefen des Amateurfußballs bereits eine Münze in den Mund gelegt. Für viele war es die letzte, die sie noch hatten. Für die Münze aber sollte der Fährmann, der den Verein nun im 3. Jahr in Folge begleitete keine Verwendung mehr haben. Bereits bei der Präsentation des neuen Trainers Dieter Ferner wurde deutlich, dass die Flussfahrt ins Ungewisse nicht nur vorbei sein würde, sondern ab sofort Kurs gegen den Strom gesetzt war. Nach diversen vereinsinternen Querelen rund um Trainer, Spieler und Vorstand war nun etwas Ruhe eingekehrt. Präsident Hinschberger, seines Zeichens Unternehmer und Lokalpolitiker war selbst erst seit etwa einem Jahr im Amt und konnte zunächst kaum fassen, was da passiert war. Trotz großzügiger Investitionen, die die Qualifikation für die 4. Liga hätten sichern und den FCS schon bald in Liga 3 bringen sollen, erreichte man am Ende der Oberligasaison Platz 5.

Im Rahmen der Spielklassenreform des DFB wurden in der darauffolgenden Saison die bisherigen 9 Oberligen durch 3 Regionalligastaffeln ersetzt. Sie bilden seitdem die 4. Ebene im deutschen Vereinsfußball. Auf der 3. wird nun bundesweit gegen den Ball getreten. Der Traditionsklub aus der Landeshauptstadt hätte unter die ersten 4 seiner Oberligastaffel gemusst, um sich das Spielrecht in der neuen Regionalliga West zu sichern. Am Ende fehlte ein Punkt. Der Verein war dort, wo er nie hin wollte.

„Fußball ist schnelllebig" sagten einige, man werde das alsbald wieder repariert haben. Aber diesmal fühlte es sich anders an. Ab jetzt standen keine Namen mehr auf den Trikots der Spieler. Selbstverständlich hießen auch die Gegner anders. Bei Auswärtsfahrten gab es nun weniger Fremdenverkehrsangebote. Einmal konnte man das Spiel der eigenen Mannschaft sogar von der Terrasse eines naheliegenden Hallenbades beobachten, während den Kameraden in der Sauna  ständig der Spielstand mitgeteilt werden musste. Auch diese Randerscheinungen hatte der neue Übungsleiter wohl im Sinn gehabt, als er bei seinem Amtsantritt davon gesprochen hatte, dass der Aufstieg kein Selbstläufer werden würde. Und er sollte Recht behalten. Jedes Spiel hatte nun DFB-Pokal-Charakter, in dem sich Automechaniker, Lehrer und Azubis gegen eine Saarbrücker Nachwuchsmannschaft verausgabten. Für die Gegner war es das Spiel des Jahres, Saarbrücken hatte das nun eine ganze Saison lang an jedem Wochenende.

Am Ende der Reise stand der Erfolg. Der direkte Wiederaufstieg in die Regionalliga West hatte verschiedene Faktoren. Viele junge Spieler hatten nicht nur die Mühen, die in der Jugendarbeit in sie investiert worden waren, gerechtfertigt, sondern  waren auch durch ältere Mitspieler unterstützt worden. Diese hatten gewusst, wie man in einer hitzigen Dorfplatzatmosphäre einen 0:1 Rückstand noch in ein 2:1 dreht und den Sieg nach Hause bringt. Anstelle einer großen Euphorie und weiteren Aufstiegsparolen hielt der Trainer nun aber den Ball flach, so wie er es von Anfang an und über die ganze Saison hinweg getan hatte. Das Gespür des Trainers für das Umfeld zeigte sich nicht nur in seiner Artikulation, sondern vor allem in der Transferpolitik. Statt wie in früheren Jahren unter hohem finanziellen Aufwand  die geforderten„Kracher" in Form alternder Stars zu verpflichten, wurde die Mannschaft mit weitaus größerer Zielsicherheit verstärkt.

Der neue Wind, der den moderigen Geruch auf der Saar verdrängt hatte, war von sehr frischer und beständiger Natur und ist es noch immer. Nach und nach hielt er auch bis in das letzte Wohnzimmer der Landeshauptstadt und in die blau-schwarze Geschäftsstelle an der Berliner Promenade Einzug. Es war zwar eine neue Luft, weil ihr Ton in den Ohren der Saarländer anders als bisher klang. In Wirklichkeit aber gründet sie auf fundiertem fußballerischen Sachverstand: „Man sprich heute so viel über Viererketten, Dreierketten und welche Ketten es da auch immer gibt. Wenn ich die überwiegende Zahl meiner Zweikämpfe gewinne, gewinne ich auch normalerweise das Spiel. Es gibt Dinge im Fußball, die waren vor 50 Jahren wahr, sind heute wahr und werden in 50 Jahren noch wahr sein." Dieses für Ferner sinnbildliche Zitat offenbart nicht nur seine Arbeitsauffassung, sondern liefert auch einen Hinweis darauf, wie der erneute Aufstieg  in die 3. Liga zustande kam. Im Verein waren z.B. mit dem Cheftrainer und mit Vizepräsident Ebertz nicht nur Menschen am Ruder, die etwas von Fußball und Umgang mit Umfeld und Medien verstehen. Von Bedeutung war hier auch die Haltung des Präsidenten in sportlichen Belangen. Erst jüngst war aus dem Munde des jetzigen Sportdirektors Ferner zu vernehmen, dass ihm bei seiner Arbeit niemand dazwischen geredet hat. Diese Veränderung ging mit einer bereits angeklungenen neuen Aussendarstellung Hand in Hand. Die verantwortlichen gaben somit eine neue Richtung für den Verein vor. Die Früchte sind bereits sichtbar.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren, die durch hohe Ansprüche und das Bild des schlafenden Riesen, der nur erweckt werden müsste, gekennzeichnet waren, läuft es seitdem anders. Man hat sich entschlossen, den Riesen nicht durch lautes Geschrei und Unruhe zu erwecken und wach zu halten. Stattdessen setzt man auf nachhaltiges Flüstern, ganz so, als hätte man etwas sehr wertvolles und kostbares zu sagen, das verschwinden könnte, wenn man zu laut davon spricht. Oder als hätte man einen sehr seltenen und wohlduftenden Geruch in einer Schatulle, der im Wind verfliegt, wenn man sie zu weit öffnet. Dieser Geruch trägt den Namen Erfolg und hat die Saar ganz leise aber sicher in seinen Bann gezogen. Er ist aufs engste mit dem Namen Dieter Ferner verbunden. Nicht nur, weil der FCS für ihn „sein" Verein ist, sondern auch  weil er eine Mannschaft geformt hat, von der der Spieler Nico Weißmann sagt: „Im Gegensatz zu den Jahren vorher ist das wirklich jetzt eine Mannschaft mit einem tollen Trainer und ich denke, die Ergebnisse sprechen auch für sich."

Der neue Trainer heißt Jürgen Luginger und wurde aufgrund Ferners fehlender Lizenz für Liga 3 verpflichtet. Lassen wir uns überraschen, in welche Richtung die Saar in Zukunft weiter fließen wird. Sollten weiter Leidenschaft und Sachverstand sowie das notwendige Geld das Ruder in der Hand halten, werden es die Fans dem 1. FC Saarbrücken auch weiterhin in Dankbarkeit für die frische Brise verbunden bleiben.

   
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