Investor-Rückzug bestätigt: Türkgücü vor ungewisser Zukunft

Am späten Mittwochabend, am Tag vor Heiligabend, platzte bei Türkgücü München die Bombe: Investor und Präsident Hasan Kivran, der 2016 eingestiegen war und den Klub innerhalb von drei Jahren aus der sechstklassigen Landesliga in die 3. Liga geführt hat, zieht sich zurück. Einen entsprechenden Bericht von "Sport1" bestätigte der Klub am Montag, wenngleich der genaue Zeitpunkt des Rückzugs noch offen sei. Türkgücü steht nun vor einer ungewissen Zukunft. Scheitert das Projekt gar?

Rückzug wirft Fragen auf

Viel überraschender hätte die Nachricht am Mittwoch kaum kommen können, schließlich hatte Türkgücü gerade das Nachholspiel in Meppen mit 4:1 gewonnen und war damit (bei noch einem Nachholspiel in der Hinterhand) bis auf drei Punkte an den Relegationsrang herangerückt. Doch nicht nur für Außenstehende kam der angekündigte Rückzug Kivrans unerwartet, selbst Geschäftsführer Max Kothny wusste nach eigenen Angaben nichts davon und erfuhr die Nachricht auch nicht etwa von Kivran selbst, sondern "wie alle anderen auch aus der Presse", wie er dem "Kicker" sagte. Erst am Montag äußerte sich auch der Klub: "Das Aus von Hasan Kivran können wir bestätigen", sagte Pressesprecher Frederic von Moers der "dpa". Dass sich der Rückzug intern offenbar nicht angedeutet hat, wirft Fragen auf: Hat sich Kivran spontan dazu entschlossen, seine Anteile zu verkaufen? Und warum will er dem Klub nur wenige Monate nach dem Aufstieg in die 3. Liga überhaupt den Rücken kehren? Musste er mehr investieren als gedacht?

Kothny hält sich zu den Gründen bedeckt, allerdings sollen auch "finanzielle Aspekte eine Rolle gespielt" haben. Denn aufgrund fehlender Zuschauer seien weniger Einnahmen generiert worden, zudem erhielt Türkgücü von den staatlichen Corona-Hilfen nur einen geringen Betrag, da die niedrigen Zuschauerzahlen der vergangenen Regionalliga-Saison zugrunde gelegt wurden. Dass in der 3. Liga keine großen Gewinne zu erwarten sind, dürfte Kivran jedoch klar gewesen sein. Umso mehr überrascht der Zeitpunkt des angekündigten Rücktritts, liegt Türkgücü doch in Reichweite zu den Aufstiegsplätzen. Und in der 2. Bundesliga könnte der 54-Jährige mit Gewinnen rechnen. Ob sich Kivran auch aus dem Amt des Vereinspräsidenten zurückziehen wird, sei aktuell noch nicht geklärt.

Scheitert das Projekt?

Laut Kothny laufen nun "Gespräche mit Hasan Kivran und eventuellen Interessenten, die seine Anteile übernehmen wollen". Heißt: Noch gibt es keinen neuen Investor. Es sei auch nichtmal klar, wie viele Anteile Kivran tatsächlich verkaufen werde, wie Kothny gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärt. Derzeit hält Kivran 89 Prozent. "Es kann von einem Teilrückzug bis hin zu allen 89 Prozent alles passieren", so der Türkgücü-Geschäftsführer. Möglich also, dass Kivran nur einen Teil seiner Anteile verkauft, um die finanzielle Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Doch was passiert, wenn Kivran abtritt, ohne dass ein euer Geldgeber gefunden ist? Dann droht das Projekt, einen Migrantenverein im Profifußball zu etablieren, zu scheitern.

Auch von den ambitionierten Zielen, hinter Bayern München die Nummer zwei der Stadt zu werden und bis 2023 in die 2. Bundesliga aufzusteigen, müsste der Klub vorerst Abstand nehmen. Nichtmal das Fortbestehen in der 3. Liga wäre ohne neuen Geldgeber garantiert. Zum einen fehlt es dem Klub an der Infrastruktur (kein eigenes Stadion, kein Trainingsgelände), zum anderen sind die Kosten schlicht zu hoch. Schon die aktuelle Saison wird Türkgücü wohl mit einem dicken Minus abschließen, da der derzeit 35 Spieler umfassende Kader nicht gerade günstig ist. Durchaus möglich also, dass Türkgücü im Worst-Case-Szenario mehrere Spieler abgeben oder gar verkaufen muss, um die Saison zu Ende spielen zu können. Betriebsbedingte Kündigungen scheinen laut der "SZ" nicht ausgeschlossen zu sein.

Kothny will Klub retten

Bereits vor Weihnachten hatte Kothny eine "schonungslose Analyse" des Kaders angekündigt – damals war von einem möglichen Kivran-Rückzug nach keine Rede. Nun wird Kothny nicht nur mit Spielern sprechen, sondern hinter den Kulissen auch die Zukunft des Vereins sichern müssen. Es gehe darum, die Gesellschaft "zu retten", so der 24-Jährige, dem eine Mammutaufgabe bevorsteht. Am heutigen Montag soll laut der "SZ" ein "wichtiges Gespräch" mit potenziellen Nachfolgern anstehen. Wie es weitergeht, ist offen. Vorerst blickt der Klub einer ungewissen Zukunft entgegen, den ambitionierten Plänen droht ein jähes Aus.

Wie geht es bei Türkgücü weiter? Drei Szenarien

   
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