Aufstiegsrelegation: Gewinner und Verlierer der Hinspiele

Die ersten 90 Minuten sind absolviert, die Ausgangspositionen erarbeitet. Der erste Teil der diesjährigen Aufstiegsspiele hat uns viele Erkenntnisse gebracht. Wir haben einige Gewinner und Verlierer gefunden.
[box type="info" size="large"]Gewinner[/box]
Alle, die Saarbrücken gegen 1860 München gesehen haben
Was für ein Spiel. Selten lässt es sich einem Spiel anmerken, das zwei Mannschaften erbarmungslos ins Risiko gehen. Beim Aufeinandertreffen des 1. FC Saarbrücken und 1860 München, Endstand 2:3, war das der Fall. Nach nicht einmal einer Minute zappelte der Ball zum ersten Mal im Netz, nach zehn Minuten hätte Saarbrücken drei Tore machen können. Selbst in Unterzahl ackerten die Saarländer bis zum Umfallen, spielten einen beeindruckenden Fußball – und scheiterten doch an der Effizienz und Abgezocktheit der Sechziger.
Umrahmt wurde dieses besondere Spiel von einer geradezu malerischen Kulisse: Ein eigentlich viel zu kleines Stadion, fernab vom Fußball-Glamour, auf einer Seite nicht einmal mit Tribünen ausgestattet. Dazu schüttete es phasenweise wie aus Kübeln – durchnässt und verschwitzt jagten die zunächst 22, dann nur noch 21 Kicker dem Leder hinterher. Und vor dem Bildschirm? Da jubelten abwechselnd der Bayrische Rundfunk im Löwentrikot und das saarländische Pendant mit der schwarz-blauen Brille in einer herzerfreuenden, emotionalen Parteilichkeit. Ein toller Abend. Beide Mannschaften hätten nach diesem inspirierenden Fußballspiel den Aufstieg in die 3. Liga verdient.
Sascha Mölders
"Er ist da, wo der Ball steht", sagte der SR-Kommentator eine Minute vor Anpfiff über Sascha Mölders. 45 Sekunden nach Spielbeginn hatte dieser bereits den ersten Ball ins Netz gewuselt. Ein faszinierender Spieler ist dieser 33-Jährige, einst Torjäger bei Rot Weiss Essen, dann Bundesligaspieler in Augsburg – nun Leitfigur bei den Münchner Löwen. Er, der im Winter noch offen und ehrlich über sein Übergewicht sprach, zeigte, dass ein Vollblutstürmer keinen Sixpack braucht, wenn er das Näschen für die Gefahr im Strafraum hat. Seine tolle Leistung krönte er mit einem Doppelpack, öffnete das Tor zur 3. Liga für 1860 München weit. Gelingt am Sonntag der Coup, muss der TSV umgehend den Vertrag mit seinem 21-Tore-Stürmer erneuern.
Pele Wollitz
Er ist so einer, den einige gerne als "Typen" dieses Sports bezeichnen, den manche bewundern und andere nicht ausstehen können: Pele Wollitz, der polarisieren kann und von diesem Charakterzug so oft Gebrauch macht, dass er einen damit übersättigen kann. Aber er hat abseits vieler Äußerungen, die sich hinterfragen ließen, gehandelt. Er hat Energie Cottbus die Treue erwiesen, er hat den Verein durch das Tal der Regionalliga Nordost geführt und ihm neue Hoffnung gebracht.
Auch in Flensburg gab sich Pele Wollitz so, wie man ihn kennt. Emotional, laut, stets an der Grenze. Er legte sich mit Flensburgs Reservetrainer an. Stand Stirn an Stirn in handfester Diskussion mit einem Ersatzspieler des SC Weiche. An der Persönlichkeit Wollitz wird man immer wieder Reibungspunkte finden – und daher braucht der manchmal zu glatte Profifußball ihn irgendwie auch. Und: Was er mit Energie Cottbus rein sportlich geleistet hat, ist beeindruckend. Allein das verdient den Aufstieg.
[box type="info" size="large"]Verlierer[/box]
Die fleißigen Organisatoren des SC Weiche Flensburg
Straffe Wochen für Weiche Flensburg: Der sympathische Verein erlebt seine ersten Aufstiegsspiele und schuftet dafür im Hintergrund Tag und Nacht Überstunden. Man stelle sich das vor: Die Mannschaft reist aufgrund etlicher Spielabsagen im Winter seit Wochen teils im Zwei-Tages-Rhythmus durch Norddeutschland, die Verantwortlichen müssen nach jedem Erfolg besorgter schauen, die Drittliga-Auflagen im Aufstiegsfall auch zu erfüllen. Doch die Chancen, dafür belohnt zu werden, sind nun trotz beeindruckender Aufholjagd gering.
Es ist kaum in Zahlen zu bemessen, welchen Wert diese Arbeit hinter den Kulissen gerade bei solch kleinen Clubs besitzt. Noch einen Tag vor den Aufstiegsspielen stand das Sicherheitskonzept nicht, die Partie stand auf der Kippe. Weiche Flensburg gab alles für die Austragung im fremden Kieler Stadion – und wurde zunächst abgewatscht. 0:3 stand es nach gut 35 Minuten bereits gegen Energie Cottbus. Weiche streckte sich beträchtlich, steckte nicht auf und robbte sich bis auf 2:3 heran. Ein Funken Hoffnung ist geschaffen. Dennoch: Die Lausitzer können zu geschätzt 80 Prozent für die 3. Liga planen. Flensburg wird für seinen großen Aufwand wohl nicht belohnt.
Das WDR-Kameraexperiment
Gewohnheiten entwickelt jeder und lernt sie zu schätzen, das gilt auch für den Fußballkonsum im heimischen Wohnzimmer. Schade genug, dass das Spiel zwischen dem KFC Uerdingen und Waldhof Mannheim – wie übrigens auch die Partie Flensburg-Cottbus – keiner Rundfunkanstalt eine TV-Übertragung wert war, so wagte sich der WDR in seinem stattdessen angebotenen Livestream auch noch an ein Experiment: Die übliche Totale zeigte nicht im weiten Format auf das Spielfeld, sondern zoomte hin und her. Noch dazu wechselte die Perspektive nach wenigen Sekunden wild, teils sogar von Pass zu Pass. Überblick über das Spielgeschehen oder wenigstens? Fehlanzeige. Stattdessen: Völlige Orientierungslosigkeit.
Nutzer bedachten die Regisseure für ihr Wagnis in sozialen Netzwerken mit einem kleinen Shitstorm. "Bedient da ein Nashorn die Kameras?", war noch eine milde Form der Rückmeldung. Andere unterstellten dem Kameramann Trunkenheit, oder wähnten Praktikanten am Werk. Am schlimmsten erwischte es jedoch empfindliche Personen – sie klagten über Übelkeit. Das hatte selbst dieses lange Zeit wenig spektakuläre Aufstiegsspiel nicht verdient.
Aber: Der WDR reagierte fix. Und stellte zur zweiten Halbzeit wieder auf das gewohnte Bild um – zur großen Erleichterung vieler Fußballfans. Prompt wurde auch das Spiel besser…
Waldhof Mannheims Torlos-Offensive
Sie lässt sich wahlweise kleinreden oder auch größer machen, als sie ist: Die Torflaute von Waldhof Mannheim in Aufstiegsspielen. Dass es der SVW weder 2016 noch 2017 in die 3. Liga geschafft hat, liegt einzig und allein an der mangelnden Treffsicherheit seiner Stürmer. Diese schafften es zunächst in 180 Minuten gegen Lotte und ein Jahr darauf dank Verlängerung sogar in 210 Minuten jeweils nicht, auch nur einen Ball über die Linie zu drücken.
Und auch in Duisburg machten die "Buwe" genau da weiter: Sie spielten lange bis zum Strafraum gefällig. Dann fehlte etwas. Die entscheidende Idee, der körperliche Durchschlag, das Glück eines gegnerischen Fehlers. Und die Kaltschnäuzigkeit, wie spätestens Dorian Diring nach 68 Minuten bewies. Oder wahlweise Jannik Sommer, nur etwa zehn Minuten später. Der KFC Uerdingen bestrafte das konsequent, machte das entscheidende Tor – und stößt den SV Waldhof mit dem 1:0-Hinspielsieg an die dritte Aufstiegsspiel-Pleite in Folge.