Würzburg im freien Fall: Die Gründe für die Kickers-Krise

14 von 20 Drittliga-Trainern sahen die Würzburger Kickers vor der Saison in der Umfrage von liga3-online.de als klaren Aufstiegskandidaten. Nach nur elf Spieltagen sieht die Lage am Dallenberg allerdings gänzlich anders aus. Der FWK steht auf Tabellenplatz 17, flog gegen Regionalligist 1860 Rosenheim aus dem Verbandspokal und steht derzeit ohne Trainer da. Nach einem steilen Aufstieg, mit dem Durchmarsch von der Regionalliga bis in die Zweite Liga, droht den Unterfranken der tiefe Fall. Wir begeben uns auf Spurensuche für die Gründe der Kickers-Krise.

Die sportliche Talfahrt 2017

Am Samstag des 28. Januars 2017, bis 14:45 Uhr, war die Welt der Würzburger Kickers noch in Ordnung. Die Mannschaft von Bernd Hollerbach dominierte den Gegner aus Braunschweig, im ersten Rückrundenspiel der Zweitliga-Saison 2016/17, nach Belieben und führte bis zur 90 Minute hochverdient mit 1:0. Tabellenplatz fünf in der Zweitliga-Blitztabelle und kein Mensch in Würzburg dachte jetzt mehr an die Niederungen des Amateurfußballs, aus dem der FWK im Rekordtempo enteilte. Die erste Minute der Nachspielzeit sollte dann alles ändern, das war zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht zu erahnen. Eintracht-Stürmer Christoffer Nyman schoss den schmeichelhaften Ausgleich und das Spiel endete 1:1. Es war das vielleicht beste Kickers-Spiel des Jahres 2017. Denn in allen folgenden war der Wurm drinnen.

Die Rothosen konnten einfach nicht mehr gewinnen und stiegen am Ende aus der Zweiten Liga ab. Ein einziger Dreier hätte die Rettung bedeutet. Die sportliche Talfahrt setzte sich dann ligaübergreifend nahtlos fort. Unter Hollerbachs Nachfolger Stephan Schmidt holte die neu formierte Kickers-Elf in bisher elf Spielen nur zwei Siege und vier Unentschieden und verlor bereits fünf Mal. In der heimischen Flyeralarm Arena wartet Würzburg immer noch auf den ersten Sieg im laufenden Jahr. Am 2. Oktober wurde Schmidt, dessen Amtszeit in Würzburg letztlich nicht mehr als ein großes Missverständnis war, nun bereits wieder entlassen. Ohne ihn, unter Interimstrainer Michael Schiele, setzte es tags nach der Trennung eine peinliche Niederlage im bayerischen Toto-Pokal gegen den Regionalligisten aus Rosenheim. Die sportliche Talfahrt der Kickers scheint weiter unaufhaltsam ihren Lauf zu nehmen.

Hollerbach hinterließ eine Riesenlücke

Bernd Hollerbach gilt im Umfeld des Vereins nach wie vor als der große Macher, der einer ganzen Region unverhofft Profifußball vor die Haustüre brachte. Daran änderte auch der bittere Abstieg, mit einer kompletten Rückserie ohne Sieg, nichts. "Holler" war nicht nur Cheftrainer und Sportdirektor in Personalunion, er war quasi alles. Er erklärte 2014 dem Umfeld wie das Geschäft funktioniert, er hatte die Kontakte zu Spielern, Vereinen, Beratern und trimmte alle in seinem Jugendverein auf Profifußball. Ende Mai trat der 47-jährige zurück, verließ den Verein und hinterließ ein nicht zu füllendes Vakuum. Die Kickers haben im Rausch des Erfolges, unter ihrem Übervater Bernd Hollerbach, offenbar vergessen selbst das Laufen zu lernen.

Fehlende sportliche Kompetenz

Rein wirtschaftlich muss man sich um den 1907 gegründeten Verein kaum Sorgen machen. Aufsichtsratsvorsitzender Thorsten Fischer, Inhaber der Online-Druckerei Flyeralarm, hält dort alle Fäden in der Hand – zumindest solange wie er selbst am Projekt Profifußball in Würzburg glaubt. In Sachen sportlicher Kompetenz scheint der Zweitliga-Absteiger allerdings weniger professionell aufgestellt. Dort muss nämlich der erst 35-jährige Ex-Handballprofi Daniel Sauer seit dem Weggang von Hollerbach, als Vorstandsvorsitzender und neuer Sportdirektor, den neuen starken Mann mimen. Dem wird er aber nicht gerecht – und das ist noch nicht einmal ein Vorwurf.

Stephan Schmidt durfte im Sommer augenscheinlich nach Belieben seine Wunschelf zusammenstellen. Der Erfolg blieb trotzdem aus. Daher stellt sich natürlich dringend die Frage: Warum holt der Verein sich keinen Sportdirektor, mit Erfahrung im Profifußball, der dem (nächsten) Trainer ebenbürtig erscheint, der Transfers abwickelt und fortwährend die Arbeit des Trainerstabs und der einzelnen Spieler mit hoher Fachkompetenz auf die Probe stellt? Die Würzburger Kickers wollen mittelfristig zurück in die 2. Bundesliga. Doch ohne ausreichend sportlicher Kompetenz im Klub wird das ein Wunschtraum bleiben. Ein zweiter Bernd Hollerbach wird nie wieder am Dallenberg vorbeischauen.

Keine öffentlichen Ziele

Die Kickers stecken knöcheltief in der Krise. Ob der Verein das nach außen hin auch so kommunizieren würde? Wohl kaum! Bereits im Verlauf der Sieglos-Rückrunde in der 2. Bundesliga ließ man nicht zu, die Saison und den Abstieg als Misserfolg zu werten. Auch die laufende Saison, mit einem bis dato völlig enttäuschenden Verlauf, wurde bisweilen versucht positiv zu verkaufen. So war es womöglich längst überfällig, dass die Stimmung bei den Fans und Zuschauern im Heimspiel gegen Unterhaching (0:2) kippte. Noch während des Spiels skandierte das Publikum im kompletten Rund der Flyeralarm Arena "Trainer raus". Der Verein reagierte. Noch in der Mixed-Zone sprach Vorstandsvorsitzender Daniel Sauer überraschend klare Worte, entschuldigte sich bei den Fans für das Auftreten der Mannschaft und distanzierte sich erstmals vom Trainer.

Die Bemühungen sich selbst keinen Druck zu erzeugen gingen offenbar nach hinten los. Die Zuschauerzahlen sind rückläufig, gegen Unterhaching waren es gerade einmal 4660 Zuschauer – Saisonminusrekord am Dallenberg. Glaubt man dem "transfermarkt.de" hat Würzburg den wertvollsten Kader der Liga, demnach wohl auch einen der teuersten. Ein offizielles Saisonziel ließen sich Sauer, Schmidt und Co. vor Ligastart trotzdem nicht entlocken. 2014 noch rief der Verein "3×3 – In 3 Jahren in die 3. Liga“ aus. Wurde dafür bundesweit gefeiert und generierte damit hohe Aufmerksam. 2017 weiß außerhalb der Geschäftsstellenräume kein Fan, kein Zuschauer, kein Beobachter wohin die Reise der Würzburger Rothosen führen soll.

Es droht der Totalschaden

Nach dem Durchmarsch von der Regionalliga in die Zweite Liga droht nun der umgekehrte Weg. Ein neuerlicher Abstieg würde einen Totalschaden entstehen lassen und womöglich das komplette Projekt, Profifußball in Würzburg zu etablieren, jäh zum Einsturz bringen. Der geplante Stadionneubau würde spätestens dann ins Wanken geraten und ob Mäzen Thorsten Fischer einen kompletten Neustart mitfinanzieren würde, erscheint zumindest fragwürdig. So weit ist es aber längst nicht. Nach elf Spieltagen bleibt dem FWK noch genügend Zeit in die Spur zu kommen. Klar ist nur: Bei der Trainersuche dürfen sich Fischer und Sauer nun keinen Fehlgriff mehr erlauben.

 

   
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