Strittige Szenen am 21. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 21. Spieltag hat er sich sechs Szenen einmal genauer angeschaut.
Szene 1: Soufian Benyamina (Hansa Rostock) wird von Fabian Stenzel (Chemnitzer FC) im Strafraum zu Fall gebracht, Schiedsrichter Florian Heft lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat eigentlich optimale Sicht auf den Zweikampf im Strafraum. Stenzel tritt seinen Rostocker Gegenspieler Benyamina auf den Fuß und hindert ihn gleichzeitig durch Ausstrecken des Hinterteils am Weiterlaufen, sodass der Angreifer zu Fall kommt. Nicht nur in der Summe wäre ein Strafstoß die richtige Entscheidung gewesen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.
Szene 2: Marcel Ziemer trifft zum 2:0 für Hansa, Schiedsrichter Heft gibt den Treffer aufgrund eines Foulspiels jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 8:25]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat auch hier eine optimale Sicht auf den Zweikampf. Er sieht sehr gut, dass der Torschütze, Ziemer, zunächst den Verteidiger wegschiebt und anschließend ungehindert den Ball ins Tor befördert. Dadurch, dass der Stürmer den Verteidiger wegschiebt, stolpert der Torhüter über seinen am Boden liegenden Mitspieler und kommt ebenso zu Fall. Der gesamte Vorgang wurde vom Schiedsrichter sehr gut erkannt und geahndet. Eine vollkommen richtige Entscheidung, den Treffer nicht zu geben.
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Szene 3: Guwara (Werder Bremen II) spielt den Ball zum eigenen Torhüter zurück, dieser nimmt ihn im Strafraum auf. Schiedsrichter Florian Kornblum lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 8:25]
Babak Rafati: In dieser Situation spielt Guwara den Ball nicht absichtlich zu seinem Torhüter, sondern der Ball springt ihm an den Fuß und von dort aus zum Torhüter. Somit lässt der Schiedsrichter richtigerweise weiterspielen.
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Szene 4: Elia Soriano (Stuttgarter Kickers) wird gefoult und bleibt liegen. Osnabrück spielt jedoch weiter und trifft zum 1:0. Schiedsrichter Felix-Benjamin Schwermer gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf wäre es richtig gewesen, das Foulspiel im Mittelfeld abzupfeifen, da der am Boden liegende Spieler zuvor getroffen wurde. Anschließend reagiert der Schiedsrichter regelkonform. Das Spiel kann ohne Unterbrechung weiterlaufen, bis der Ball aus dem Spiel ist, wenn ein Spieler nach Ansicht des Schiedsrichters leicht verletzt ist. Bei ernsthaften Verletzungen musss der Schiedsrichter das Spiel allerdings sofort unterbrechen und den Spieler behandeln lassen. Die Spieler brauchen übrigens nichts zu beachten, da es nur dem Schiedsrichter obliegt, das Spiel zu unterbrechen. Bei ernsthaften Verletzungen können sich die Gegenspieler somit nicht darauf verlassen, dass der Ball ins Seitenaus geschossen und eine Behandlung ermöglicht wird. Zuvor war es vom Schiedsrichter falsch, nicht zu pfeifen. Da das aber nicht zur Debatte steht, ist die anschließende Handhabung der Verletzung und das Weiterspielen richtig.
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Szene 5: Adam Jabiri (Würzburger Kickers) trifft Michael Hefele (Dynamo Dresden) mit dem Ellenbogen im Gesicht – das Spiel läuft weiter. Eine Karte zeigt Schiedsrichter Timo Gerach nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:28]
Babak Rafati: Wie so oft ist das Stellungsspiel des Schiedsrichters wichtig, um die Vorgänge richtig einzuschätzen. Dies ist hier durchaus der Fall. Bei diesem Luftkampf trifft der Jabiri seinem Gegenspieler Hefele mit dem Ellenbogen ins Gesicht. Hierbei hat der Ellenbogen des Würzburger Spielers dort nichts zu suchen. Diese Spielweise hat sich leider eingebürgert. In dieser Szene liegt allerdings auch kein bewusstes Schlagen mit dem Ellenbogen vor, sodass diese Spielweise lediglich mit der Gelben Karte bestraft hätte werden müssen. Der Schiedsrichter pfeift aber noch nicht einmal. Hier hätte es einen Freistoß und die Gelbe Karte geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.
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Szene 6: David Kienast (SG Sonnenhof Großaspach) foult Skarlatidis (Erzgebirge Aue). Schiedsrichter Daniel Schlager unterbricht das Spiel, zeigt allerdings Timo Röttger (Großapach) die Gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat nicht die optimale Sicht auf den Tritt und pfeift zunächst einmal ein Foulspiel. An seiner zurückhaltenden Geste erkennt man, dass er den Vorgang nicht genau gesehen hat und nicht beabsichtigt, eine Gelbe Karte zu zeigen. Dann legt er sich während der Bahandlungspause sehr spät fest, dass er dem schuldigen Spieler für das Foulspiel nun doch eine Gelbe Karte zeigen will. Vermutlich wird er über das Headset von einem seiner Assistenten darauf aufmerksam gemacht, was auch absolut berechtigt ist. Dadurch, dass der Spieler (Kienast), der das Foul begangen hat, sich bereits vom Tatort entfernt hat und ein anderer (Röttger) noch am Tatort ist und eine Geste (kurzes Handlegen auf den Rücken des am Boden liegenden Spielers) vollzieht, wird der Schiedsrichter vermutlich diese Geste als eine Entschuldigung gewertet haben, diesen als schuldigen Spieler ausgemacht und somit mit Gelb verwarnt haben. Hier wird natürlich der falsche Spieler verwarnt und somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Allerdings muss man den Bericht des Schiedsrichters abwarten, ob dem auch so ist, was allerdings durch die Reaktionen der Beteiligten, dafür spricht.