Strittige Szenen am 14. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 14. Spieltag hat er sich sechs Szenen einmal genauer angeschaut.
Szene 1: Sinan Tekerci (Dynamo Dresden) reißt Dominik Schmidt (Holstein Kiel) bei einem Zweikampf zu Boden – beide sehen von Schiedsrichter Frank Willenborg nach einer verbalen Auseinandersetzung Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Nachdem der am Boden liegende Spieler wieder aufsteht, stehen sich zwei Spieler Kopf an Kopf gegenüber. In dieser Szene verhalten sich beide Spieler unsportlich, aber dabei wird keiner von beiden tätlich, handgreiflich o.ä., daher ist es absolut angemessen, für diese Aktion beide Spieler mit der gelben Karte zu verwarnen. Eine richtige Entscheidung.
Szene 2: Michael Hefele (Dynamo Dresden) bekommt den Ball nach einem Schuss aus kurzer Distanz an die Hand, Willenborg lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: In dieser Szene wird dem Verteidiger der Ball aus kurzer Entfernung an die Hand geschossen, sodass der Ball zur Hand geht und nicht andersrum. Hier liegt somit keine Absicht vor. Zudem liegt eine natürliche Körperhaltung vor und der Arm wird nicht eingesetzt, um die Körperfläche zu vergrößern. Eine richtige Entscheidung, hier weiterspielen zu lassen.
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Szene 3: Soufian Benyamina (Hansa Rostock) ist frei durch, wird aber von Schiedsrichter Sven Waschitzki wegen Abseits zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Beim Abspiel zum Rostocker Angreifer ist der Assistent eigentlich optimal postiert, nämlich auf Höhe des vorletzten Verteidigers. Dadurch hätte er sehr gut erkennen können, dass sich der angespielte Angreife nicht im Abseits befindet und wäre somit besser beraten gewesen, weiterspielen zu lassen. Der Schiedsrichter-Assistent zeigt aber eine Abseitsposition an und liegt mit seiner Entscheidung falsch.
Szene 4: Dennis Erdmann (Hansa Rostock) sieht nach einem Foul an Tobias Schröck (Sonnenhof Großaspach) glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Kompliment an den Schiedsrichter! In dieser Szene steht der Schiedsrichter optimal und kann durch Seiteneinsicht den Vorgang sehr gut beobachten. Erdmann rutscht mit einer hohen Geschwindigkeit und gestrecktem Bein, mit offener Sohle voraus, seinem Gegenspieler von vorne in die Beine und trifft ihn mit den Stollen ins Schienbein. Das ist ein grobes Foulspiel.
Kompliment deshalb, weil in diesen Szenen immer die Gefahr besteht, dass der Schiedsrichter, nachdem der Ball bereits gespielt wurde, nicht mehr auf der Szene bleibt und seinen Blick Richtung Ballgeschehen richtet. Hier bleibt er aber auf der Szene. Diese Spielweise ist eine Gesundheitsgefährdung des Gegenspielers und kann nur die Rote Karte nach sich ziehen. Eine absolut richtige Entscheidung. Auch prima die souveräne Art und das Kommunizieren mit den Spielern nach dieser Entscheidung. Somit erreicht er Akzeptanz und sorgt unmissverständlich für Klarheit bei allen Beteiligten.
Szene 5: Stephan Andrist (Hansa Rostock) wird im Mittelfeld gelegt, danach fällt das 2:0 für Großaspach – Willenborg gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Hier steht der Schiedsrichter wieder richtig und kann genau sehen, dass der Spieler von Großaspach sauber den Ball spielt und somit kein Foul vorliegt. Eine richtige Entscheidung.
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Szene 6: Marcos Alvarez (VfL Osnabrück) fällt im Strafraum, Schiedsrichter Dr. Martin Thomsen entscheidet auf Schwalbe und zeigt Alvarez Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Wenn Angreifer versuchen den kleinsten Kontakt im gegnerischen Strafraum anzunehmen, um daraus einen Vorteil zu erzielen und sich dann derartig fallen lassen, ist es nachvollziehbar, dass ein Schiedsrichter auf Schwalbe entscheidet. Der Verteidiger von Erfurt will sogar noch zurückziehen und es ist gut zu sehen, dass der Angreifer selbst den Kontakt verursacht. Dadurch, dass der Schiedsrichter gut postiert ist, hat er den Vorgang genau beobachtet und richtig entschieden. Das ist eine Unsportlichkeit – derartige Aktionen will kein Fußballfan sehen.