Strittige Szenen am 14. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Der Elfmeter für Würzburg, die Platzverweise gegen Hemlein und Zirkzee, die nicht gegebenen Strafstöße für 1860, Mannheim und Großaspach, der verwehrte Treffer von Köln, die gelbe Karte gegen Undav und das Foulspiel von Boyd an Ernst: Am 14. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun Szenen genauer angeschaut

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: André Hainault (1. FC Kaiserslautern) will eine Flanke abwehren, blockt den Ball aber mit der Hand. Schiedsrichter Jonas Weickenmeier gibt Elfmeter für Würzburg. Der FCK protestiert, weil das Handspiel außerhalb des Strafraums gewesen sein soll. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Bei einem Angriff von Würzburg über die rechte Seite geht Hainault aktiv und somit absichtlich mit dem Arm zum Ball, wehrt diesen ab und verhindert dadurch eine Flanke in den Strafraum. Der Assistent zeigt dieses per Fahnenzeichen an. Die Frage ist nun hierbei, ob das Vergehen innerhalb oder außerhalb passiert. Im TV-Bild kann man gut erkennen, dass Hainault parallel zur Strafraumlinie etwa einen halben Meter außerhalb des Strafraumes hochspringt, seine Arme neben dem Körper sind und das Handspiel somit außerhalb geschieht. Der Schiedsrichter hätte die Möglichkeit gehabt, wenn er gedanklich vorbereitet wäre, den Tatort zu fixieren und dort hinzulaufen, um zu einer richtigen Entscheidung zu kommen. Es hätte dann einen Freistoß und nicht Strafstoß für Würzburg gegeben. Der Strafstoß für Würzburg ist somit eine Fehlentscheidung.

Szene 2: Nach einer Grätsche im Zweikampf mit Albion Vrenezi (Würzburger Kickers) sieht Christoph Hemlein (1. FC Kaiserslautern) Gelb-Rot, obwohl er den Ball gespielt hat. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Hemlein verfolgt seinen Gegenspieler Vrenezi im Mittelfeld und setzt zur Grätsche an. Er spielt dabei mit dem rechten Fuß klar den Ball, trifft Vrenezi dann aber mit seinem Nachziehbein. Da der Ball gespielt wurde und diese Aktion entscheidend ist, hätte der Schiedsrichter die Aktion mit dem Nachziehbein nicht mehr heranziehen dürfen. Denn das passiert nun einmal im Bewegungsablauf und ist ein fußballtypischer Vorgang. Hätte Hemlein den Ball erst gar nicht gespielt, dann wäre der Vorgang anders zu bewerten. Hier weiterspielen zu lassen, wäre somit die ideale Entscheidung. Eine Fehlentscheidung, auf Freistoß zu entscheiden und in der Konsequenz die gelb-rote Karte gegen Hemlein zu zeigen.

 

Szene 3: Kevin Holzweiler trifft zum 1:2 für Viktoria Köln, Schiedsrichter Frank Willenborg gibt den Treffer jedoch nicht, weil André Dej (Viktoria Köln) im Abseits stehend einen Gegenspieler behindert haben soll. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Bei dieser Abseitsposition ist die entscheidende Frage, ob Dej aktiv ins Spiel eingreift bzw. einen Verteidiger oder den Torhüter von 1860 München irritiert. Dej berührt zwar den Ball nicht, was auch nicht maßgeblich ist, aber durch seine Position lenkt er die Aufmerksamkeit der Gegenspieler auf sich, so dass eine aktive Abseitsposition entsteht. Selbst wenn die Verteidiger Dej nicht auf dem Schirm haben sollten, hätte Dej den Torwart irritiert, denn das Spielgeschehen verlagert sich direkt auf Dej zu, worauf sich der Torwart auch fokussiert. Sehr gut, dass das Schiedsrichtergespann miteinander kommuniziert und schlussendlich zu einer richtigen Entscheidung kommt, das Tor für Köln durch Holzweiler nicht anzuerkennen.

Szene 4: Einen vom Pfosten abgeprallten Ball wehrt Mart Ristl (Viktoria Köln) mit dem Arm ab, 1860 fordert Elfmeter. Willenborg lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 34:50]

Babak Rafati: Nach dem Pfostenabpraller geht Ristl zum Ball und klärt diesen anschließend. Man sieht sehr gut, dass er sich nach dem Abpraller etwas verschätzt und durch eine aktive Bewegung mit dem Arm zum Ball geht, um diesen zu kontrollieren. Da das Handspiel auf der vom Schiedsrichter abgewendeten Seite passiert, kann er dieses Handspiel nicht zweifelsfrei sehen und ahnden. Der Assistent, der einen freien Blick auf die Szene hat, hätte es aber sehen und den hilfreichen Hinweis geben können. Diesmal klappt die Kommunikation leider nicht wie in der vorangegangenen Szene. Es hätte einen Strafstoß für 1860 München sowie eine gelbe Karte gegen Ristl geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 5: Im Strafraum will Marcel Seegert (Waldhof Mannheim) zum Ball, geht nach einem Schubser von Max Dombrowka (SpVgg Unterhaching) jedoch zu Boden. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Johann Pfeifer. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Bei der Flanke in den Strafraum von Unterhaching springt Seegert zum Kopfball hoch und wird dabei in der Luft von Dombrowka mit dem Oberkörper weggerempelt. Dieses Rempeln gilt nur dem Gegenspieler, ist nicht im Kampf um den Ball und reicht in der Luft vollkommen aus, um den Angreifer entscheidend aus dem Tritt zu bringen und ihn in einer aussichtsreichen Position am Kopfball zu hindern. Hier wäre ein Strafstoß für Mannheim fällig, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

 

Szene 6: Kai Brünker (Sonnenhof Großaspach) wird von Zwickaus Davy Frick im Strafraum am Fuß getroffen und zu Fall gebracht. Schiedsrichter Patrick Schwengers lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Brünker tanzt den ersten Gegenspieler im Strafraum von Zwickau aus und will sich anschließend den Ball an Frick vorbeilegen. Das gelingt ihm auch, aber Frick nimmt kurz und ansatzlos das Bein heraus, trifft Brünker klar am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Der Schiedsrichter hat freie Sicht auf diese Szene, lässt jedoch weiterspielen. Eine Fehlentscheidung, denn für dieses Foulspiel hätte es einen Strafstoß für Großaspach geben müssen.

 

Szene 7: Deniz Undav (SV Meppen) stört Bayern-Keeper Christian Früchtl beim Abschlag und sieht dafür von Schiedsrichter Oliver Lossius Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 50:50]

Babak Rafati: Undav geht auf Früchtl zu, will nur an den Ball und macht sonst überhaupt gar nichts. Er wird sogar selbst von Früchtl getroffen, als dieser den Ball wegschießt und im Bewegungsablauf das Bein zum Ball führt. In dieser Szene hätte der Schiedsrichter weiterspielen lassen sollen, sodass der Freistoßpfiff und die anschließende gelbe Karte gegen Undav Fehlentscheidungen sind.

Szene 8: Erst begeht Joshua Zirkzee (Bayern München II) an Marius Kleinsorge (SV Meppen) ein Foulspiel, dann fasst er Steffen Puttkammer (SV Meppen) bei der anschließenden Rudelbildung ins Gesicht. Lossius zeigt ihm jeweils Gelb und damit in der Konsequenz die Ampelkarte. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Das Foulspiel von Zirkzee zu pfeifen ist okay, jedoch ist eine gelbe Karte dafür nicht angemessen, handelt es sich doch um ein Allerweltsfoul. In der anschließenden Rudelbildung fasst Zirkzee seinen Gegenspieler Puttkammer leicht ins Gesicht. Das ist lediglich eine Unsportlichkeit und keine Tätlichkeit, wofür Gelb die richtige Strafe ist. Insgesamt hätte somit eine gelbe Karte ausgereicht, nämlich für die zweite Aktion. Zweimal Gelb zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung.

 

Szene 9: Terrence Boyd (Hallescher FC) geht an der Mittellinie mit dem Körper voran in einen Zweikampf mit Magdeburgs Dominik Ernst und bringt diesen zu Fall. Eine Karte sieht er von Schiedsrichter Manuel Gräfe nicht. [TV-Bilder – ab Minute 53:30]

Babak Rafati: Sicherlich geht Boyd rustikal in den Zweikampf und checkt Ernst an der Seitenlinie. Aber Ernst geht auch in diesen Zweikampf, bemerkt dann aber, dass er körperlich unterlegen ist. Hier keine gelbe Karte zu zeigen ist eine richtige Entscheidung, denn die Aktion ist zwar grenzwertig, aber noch im Bereich des Ermessensspielraumes. Der Schiedsrichter nutzt diesen und löst es anschließend mit seiner Erfahrung, indem er präsent ist und mit den beteiligten Spielern spricht, um die nötige Ruhe reinzubringen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

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