Strittige Szenen am 11. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Der verwehrte Treffer von Meppen, die nicht gegebenen Elfmeter für 1860, Magdeburg und Dortmund II, die gelb-roten Karten gegen Niklas Kreuzer und Moritz Fritz, das 1:0 von Saarbrücken, Foulspiele von Niklas Tasky und Moritz Stoppelkamp sowie der Elfmeter für Mannheim: Am 11. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Morgan Faßbender (Meppen) verwandelt einen Pass von Lukas Krüger zum 2:0 für Meppen, Schiedsrichter Tom Bauer entscheidet jedoch auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Nach einem Torschuss von Krüger auf das Tor von Duisburg wehrt der Keeper den Ball nach vorne ab und das Spielgerät gelangt zu Faßbender, der einen Treffer erzielt. Das Tor wird aber wegen Abseits aberkannt. Zum Zeitpunkt des Torschusses von Krüger steht Faßbender jedoch nicht in Abseitsposition, da der Duisburger Verteidiger Vincent Gembalies beim Abwehrversuch sein Bein streckt, um den Schuss von Krüger zu blocken. Dadurch ist er zusammen mit seinem Torhüter näher zur eigenen Torlinie als Torschütze Faßbender und hebt eine mögliche Abseitsposition auf.

Nach dem Schuss sieht alles anders aus. Durch die Vorwärtsbewegung des Angreifers verschieben sich die Positionen, sodass innerhalb von Bruchteilen von Sekunden ein verzerrtes Bild entsteht. Dadurch ist die Position des Angreifers eine andere als zum Zeitpunkt der Ballabgabe beziehungsweise des Torschusses zuvor. In solchen Situationen müssen Assistenten einfach den Moment der Ballabgabe gedanklich festhalten, damit sie eben danach nicht überrascht werden und zu einer falschen Entscheidung kommen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer für Meppen zu annullieren.

Szene 2: Der bereits gelb-verwarnte Moritz Stoppelkamp (Duisburg) tritt Florian Egerer (Meppen) auf den Fuß, Bauer lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:05:35]

Babak Rafati: Durch das ungenaue Zuspiel vom Mitspieler kurz vor dem gegnerischen Strafraum sieht Stoppelkamp, dass er nicht mehr an den Ball kommt. Dabei stoppt er leicht ab und tritt nur noch aus Frust auf den Fuß von Egerer, der sich bei diesem Foulspiel nicht nur wehtut, sondern auch noch den Schuh verliert. Dieses Vergehen ist gelbwürdig, sodass es für dieses Foulspiel eine gelbe Karte hätte geben müssen, die in der Folge zu einer Ampelkarte geführt hätte. Eine Fehlentscheidung, diese nicht auszusprechen, zumal anschließend noch nicht einmal eine Ermahnung erfolgt.

 

Szene 3: Im Strafraum bringt Sascha Mölders einen Schuss auf das Tor, wird dabei allerdings von Yannis Becker (Berlin) bedrängt und geht zu Boden. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Christian Dingert. [TV-Bilder – ab Minute 2:07:50]

Babak Rafati: Mölders wird im Strafraum angespielt, nimmt Maß und schießt den Ball auf das Tor. Dabei trifft er den Ball nicht richtig und geht schmerzverzerrt zu Boden. Becker stört ihn natürlich ein wenig, indem er den Fuß davor stellt, allerdings foult er Mölders in keinster Weise. Selbst wenn es zu einem möglichen Kontakt kommen sollte, wäre dieser nicht ausreichend für einen Elfmeter. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Übrigens war die Reaktion des Schiedsrichters hervorragend, als Mölders unmittelbar nach dem Abpfiff auf den Schiedsrichter zulief, um diese Szene auszudiskutieren. Der Schiri nahm Mölders in den Arm und moderierte souverän die Szene. Selbst ein Routinier wie Mölders war damit zu beruhigen. So respektvoll sollte es immer zugehen. Nach dem Spiel sollten die Schiedsrichter den Spielern auf Augenhöhe und nicht mit Arroganz begegnen, auch wenn diese zunächst oftmals mit einem rauen Ton anfangen.

 

Szene 4: Florian Kath (Magdeburg) kommt im Strafraum an den Ball, wird aber von Türkgücü-Keeper René Vollath zu Fall gebracht. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Eric Müller nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Im Strafraum von Türkgücü kommt es zu einem Zweikampf, bei dem sich Keeper Vollath hinschmeißt, um den Ball vom Fuß des Gegenspielers Kath wegzuspitzeln. Er trifft das Spielgerät aber keinesfalls, sondern räumt nur den Stürmer ab. Den Ball hatte zuvor Kath gespielt und sich zur Seite vorgelegt, sodass ein Foulspiel des Keepers vorliegt und dieses Vergehen mit einem Elfmeter für Magdeburg hätte geahndet werden müssen. Auch wenn der Schiedsrichter eine sehr gute Position und freie Sicht zum Geschehen hat, wird er sich womöglich von der Bewegung der Ballrichtung leiten lassen haben. Wenn der Keeper den Ball gespielt hätte, wäre der Ball nämlich in diese Richtung gerollt, in der er rollt. Letztendlich hat aber der Stürmer den Ball in diese Richtung gespielt. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 5: Der bereits verwarnte Niklas Kreuzer grätscht Yannick Engelhart (Freiburg II), nachdem der Ball zuvor möglicherweise im Toraus war, von hinten um und sieht von Schiedsrichter Christian Ballweg Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:55:00]

Babak Rafati: Auch wenn der Ball bereits im Toraus gewesen sein sollte, ist eine persönliche Strafe möglich. Kreuzer kommt in dieser Szene mit vollem Anlauf und hoher Geschwindigkeit angelaufen, springt mit gestrecktem Bein und offener Sohle über dem Boden von hinten in die Beine von Engelhart und trifft ihn voll. In dieser Szene sind alle Voraussetzungen für eine Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers gegeben, sodass es für diesen überharten und brutalen Einsatz nur die rote Karte geben kann. Eine Fehlentscheidung, es bei einer gelben Karte zu belassen, die schließlich zu einer Ampelkarte führt.

 

Szene 6: Nach einem Freistoß trifft Adriano Grimaldi zum 1:0 für Saarbrücken. Braunschweig reklamiert Handspiel, Schiedsrichter Daniel Schlager gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]

Babak Rafati: Grimaldi nimmt den Ball klar und deutlich mit dem Bauch an und schießt das Spielgerät anschließend ins gegnerische Tor. Dieser Einsatz ist regelgerecht, sodass kein Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, diesen Treffer anzuerkennen.

 

Szene 7: Im Zweikampf gegen Felix Götze (Kaiserslautern) fährt Niklas Tasky (Havelse) den Ellenbogen aus, kommt bei Schiedsrichter Florian Lechner aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:33:25]

Babak Rafati: Tasky geht in den Zweikampf gegen Götze etwas rustikaler zu Werke und foult ihn. Von einem Ellenbogenschlag kann allerdings nicht die Rede sein. Der Arm ist angelegt und wird leicht ausgefahren. Somit liegt keine Tätlichkeit oder ein übermäßig harter/brutaler Einsatz mit der Folge einer roten Karte vor. Das ist eher ein robuster Einsatz mit der Schulter, mit der er Götze im Gesicht trifft. Im Fachjargon spricht man von einem rücksichtslosen Einsatz. Neben einem Freistoß für Lautern hätte es somit die gelbe Karte gegen Tasky geben müssen. Eine Fehlentscheidung, die Karte stecken zu lassen.

 

Szene 8: Einen Pass von Johannes Wurtz (Wiesbaden) bekommt der bereits gelb-verwarnte Moritz Fritz (Köln) im Mittelfeld an die Hand und sieht dafür von Schiedsrichter Franz Bokop Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:35:00]

Babak Rafati: Im Mittelfeld schießt Wurtz den Ball aus kurzer Distanz an den Arm von Fritz. Dieses Handspiel ist unbeabsichtigt, denn der Arm geht nicht zum Ball, sondern der Ball zum Arm. Aufgrund der kurzen Distanz kann Fritz so schnell gar nicht reagieren, um den Arm wegzuziehen oder gar zum Ball zu führen. Erst nach der Berührung schwingt der Arm weg, was aber eine natürliche Reaktion ist. Hier hätte es keinen Freistoß sowie die gelb-rote Karte gegen Fritz geben dürfen. Somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 9: Im eigenen Strafraum bekommt Nico Ochojski (Verl) den Ball an die Hand, das Spiel läuft weiter. Anschließend geht Joseph Boyamba (Mannheim) im Duell mit Ochojski zu Fall, Schiedsrichter Robin Braun gibt Elfmeter für Mannheim. [TV-Bilder – ab Minute 2:06]

Babak Rafati: Nach einer Hereingabe kommt der Ball in den Strafraum von Verl. Dabei will Ochojski klären und spielt sich den Ball mit dem Fuß an die Hand. Das ist kein absichtliches Handspiel, da der Ball aus kurzer Entfernung von einem anderen Körperteil abprallt und der Arm vorher nicht unnatürlich zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt wurde.

Anschließend kommt es zu einem Laufduell, bei dem Ochojski seinem Gegenspieler Boyamba unglücklich gegen den Fuß tritt und ihn dadurch zu Fall bringt. Diesen Kontakt nimmt der Angreifer dankend an und kommt zu Fall. Dennoch ist das ein Foulspiel und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, einen Elfmeter für Mannheim zu pfeifen.

 

Szene 10: Einen Schuss von Berkan Taz (BVB) bekommt Lars Dietz (Würzburg) im Strafraum an die Hand, Schiedsrichter Lukas Benen lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:27:50]

Babak Rafati: Einen Schuss von Taz fälscht ein Abwehrspieler ab, danach geht der Ball an den Arm von Dietz. Der Arm ist allerdings angelegt und wird nicht aktiv zum Ball geführt. Als Dietz den Ball an den Arm bekommt, schwingt der Arm lediglich reflexartig nach hinten. Somit liegt kein absichtliches Handspiel vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

   

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