Saisonvorschau Chemnitzer FC: Neuanfang nach Fast-Pleite
Am 21. Juli startet die 3. Fußball-Liga in die Jubiläums-Saison 2017/18. Vor der zehnten Spielzeit der eingleisigen dritthöchsten Spielklasse im deutschen Profifußball wirft liga3-online einen Blick auf das Teilnehmerfeld: 20 Drittligisten gehen mit Chancen, Risiken und Erwartungen in die Spielzeit. Wir schätzen die Möglichkeiten und Gefahren der Teams ein. In diesem Text schauen wir auf den Chemnitzer FC.
So lief die Vorbereitung
Ein neues Spielsystem erfordert intensives Training, findet Horst Steffen. Unter dem neuen Cheftrainer hat der CFC „nur“ fünf Vorbereitungsspiele absolviert. Die restliche Zeit galt der Einübung des 3-1-2-2-2-Systems, dass der gebürtige Krefelder spielen lassen will. Unter Karsten Heine und zuletzt Sven Köhler war es noch ein 4-2-3-1. Steffen ist Verfechter einer offensiven Ausrichtung, setzt deshalb auf zwei Stürmer und zwei kreative Zehner. Die Außenbahnspieler sollen sich bei eigenem Ballbesitz sofort ins Offensivspiel einschalten, bei gegnerischen Angriffen die Dreier- zur Fünferkette aufwerten.
Die Ergebnisse der Testspiele lesen sich ganz passabel. Nach einem lockeren Aufgalopp gegen Barkas Frankenberg (9:0) ging es gegen den tschechischen Zweitligisten Banik Sokolov (2:0), Dynamo Dresden (3:1) und Regionalligist ZFC Meuselwitz (1:0). Nach vier Siegen setzte es ausgerechnet im Härtetest gegen den tschechischen Erstligisten Dukla Prag eine Niederlage (0:2).
Die Transferperiode
Zugänge | Abgänge |
Janik Bachmann (Hannover 96 U23) | Pierre Kleinheider (SC Hessen Dreieich) |
Maurice Trapp (Berliner AK 07) | Kevin Conrad (SV Waldhof Mannheim) |
Laurin von Piechowski (SV Babelsberg 03) | Stefano Cincotta (SV Elversberg 07) |
Fabio Leutenecker (MSV Duisburg) | Alexander Bittroff (KFC Uerdingen) |
Marcus Mlynikowski (Hertha BSC U23) | Björn Jopek (Würzburger Kickers) |
Florian Trinks (Ferencvaros Budapest) | Dennis Mast (Würzburger Kickers) |
Alexander Dartsch (ZFC Meuselwitz/Leihende) | Tim Danneberg (VfL Osnabrück) |
Okan Aydin (FC Rot-Weiß Erfurt) | Philip Türpitz (1. FC Magdeburg) |
Myroslav Slavov (Berliner AK 07) | Anton Fink (Karlsruher SC) |
Marvin Thiele (Chemnitzer FC U19) | Mario Rodriguez (Dynamo Dresden/Leihende) |
Berkay Dabanli (Rot-Weiß Erfurt) | |
Fabian Stenzel (Unbekannt) |
Wer soll noch kommen?
Ein Stürmer soll noch her. Testspieler Melih Hortum (zuletzt Hannover 96 II) konnte nicht überzeugen. Der hochveranlagte Björn Kluft (zuletzt FC Homburg 08) durfte gegen Dukla Prag ran und besitzt gute Chancen ein Arbeitspapier zu erhalten. Sportvorstand Ziffert hatte den gebürtigen Wuppertaler einst 2015 in seiner Funktion als Sportdirektor von Erzgebirge Aue für die Veilchen verpflichtet. Ebenfalls im Stürmerroulette vertreten ist der ehemalige Bundesliga-Profi Juvhel Tsoumou (26).
Auf diesen Spieler sollte man achten
Florian Trinks sticht aus dem aktuellen Kader heraus. Der Neuzugang wurde 2009 mit den DFB-Junioren U17-Europameister und galt als ganz großes Talent. Bei Werder Bremen konnte sich der gebürtige Geraer allerdings nicht durchsetzen und kam nur zu 14 Einsätzen. Besser lief es in Fürth, wo Trinks von 2013 bis 2016 51 Partien (sechs Tore) bestritt. Nach einem einjährigen Intermezzo beim ungarischen Rekordmeister Ferencvaros Budapest heuerte der offensive Mittelfeldspieler nun bis 2019 in Chemnitz an. Dort soll er offensiver Dreh- und Angelpunkt werden, die Stürmer mit Bällen füttern und selbst mit Abschlüssen für Torgefahr sorgen.
Stärken
Offensive ist bei Horst Steffen Trumpf und in der Tat lässt die Angriffsreihe mit Daniel Frahn sowie den beiden Zehnern Florian Trinks und Dennis Grote aufhorchen. Steffen lässt schnelles Kurzpassspiel praktizieren, aber auch mit Diagonalpässen den Raum überbrücken. Zudem setzt er auf aggressives Pressing gegen den Ball. Der Offensive kann das nur zuträglich sein. Außerdem verfügt der CFC im Deckungsverbund mit Marc Endres, Fabio Leutenecker und Julius Reinhardt über drei erfahrene Korsettstangen. Endres, als neuer Mannschaftskapitän, kommt die Aufgabe zu Teil, die Dreierkette zu dirigieren. Ein Job, den der gebürtige Friedrichshafener auch ausfüllen kann.
Schwächen
Das hohe Anlaufen macht die Mannschaft anfällig für Tempogegenstöße, zumal die Defensivreihe mit nur drei Mann hinter dem Ball leicht zu überspielen ist. Außerdem kann die filligrane Spielweise gerade gegen kampfstarke "Zerstörertrupps“ zum Problem werden. Ein weiteres Manko ist die Durchschlagskraft. Außer Frahn verfügt der CFC über keinen erfahrenen Zweitstürmer. Florian Hansch (21), Danny Breitfelder (20/soll noch ausgeliehen werden) und Myroslav Slavov (26) sind keine gestandenen Drittliga-Profis.
Grundsätzlich ging in den letzten Wochen enorm viel Erfahrung und Qualität verloren. Anton Fink, Kevin Conrad, Fabian Stenzel, Tim Danneberg, Philip Türpitz, Dennis Mast oder Berkay Dabanli – die Liste prominenter Abgänge ist lang. Auch wenn viele der Transfers den zwingenden Sparmaßnahmen zuzuschreiben sind – das Spielerbudget sank von 3,4 auf 3,0 Mio. Euro – kann der verordnete Aderlass auch als Ausbluten gesehen werden.
Die Erwartungen der Fans
Der zwanghafte Versuch, in den Spielzeiten 2015/16 und verstärkt 2016/17 den Zweitliga-Aufstieg zu forcieren, wäre beinahe in einem finanziellen Fiasko geendet. Im Sommer fehlten 4,6 Millionen Euro und die Lizenz wurde auf dem letzten Drücker erteilt. Die Anspruchshaltung ist klar: Es darf nicht mehr über die Verhältnisse gelebt werden. Die Fans wissen, dass die nächsten Jahre in finanzieller und damit auch sportlicher Hinsicht zum Stahlbad werden. Nichtsdestotrotz hat das Zittern und Bangen um und mit dem Club eine neue Aufbruchstimmung entfacht. 2.397 Zuschauer zum letzten Testspiel vor dem Punktspielstart können sich sehen lassen!
Fazit & Prognose
Die Erwartungshaltung ist im Gegensatz zum Vorjahr kein Hemmschuh. Die Himmelblauen können befreit aufspielen und mit etwas Glück für ähnliche Furore sorgen, wie zu Beginn der Saison 2014/15. Damals startete eine „No-Name-Elf“ mit Reagy Ofosu, Stefano Cincotta oder Nils Röseler mit sechs Siegen in die ersten acht Spieltage und stand längere Zeit auf dem ersten Tabellenplatz.
Gelingt vor heimischem Publikum im Westsachsenderby ein Sieg, dürfte eine Euphoriewelle losgetreten werden, die bis in den Herbst hinein tragen kann. Allerdings sind die Voraussetzungen für einen Fehlstart ebenfalls gegeben. Eine in großen Teilen drittligaunerfahrene Mannschaft in ungewohntem Spielsystem offensiver Prägung, kann sich schnell eine blutige Nase holen. Horst Steffen wird aber so oder so nicht nur als Taktiker, sondern auch als Lehrmeister gefragt sein, der aus einer unerfahrenen Mannschaft eine funktionierende Einheit formt. Wenn er dies schafft, ist für die Himmelblauen ein einstelliger Tabellenplatz drin.