Riedel: "Müssen leidenschaftlicher arbeiten als alle anderen"

In Doppelfunktion als Führungsspieler und Sportdirektor stieg Florian Riedel mit Regionalliga Nord-Meister TSV Havelse in die 3. Liga auf. Mit liga3-online.de spricht der 35-Jährige nach dem Erfolg in den Aufstiegsspielen gegen den 1. FC Lok Leipzig über die Party danach, Herausforderungen und Visionen für den Verein sowie seine Zukunft als Spieler und Funktionär.

"Unser wirtschaftlicher Rahmen ist der mit Abstand kleinste"

liga3-online: Herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg in die 3. Liga, Herr Riedel. Wie ist wenige Tage nach dem Erfolg Ihre Gefühlslage?

Florian Riedel: Vielen Dank! Es war ein ganz besonderer Moment für den Verein, das Team und auch für mich persönlich. Der Fokus liegt aber bereits wieder auf der Vorbereitung für die 3. Liga. Aus Sicht des Sportdirektors bin ich längst wieder im Arbeitsmodus. Während die Mannschaft auf Mallorca feiert, arbeiten das Trainerteam und ich intensiv daran, die richtigen Weichen für eine erfolgreiche Saison zu stellen.

Macht es Sie auch etwas traurig, dass Sie nicht mit dem Team ausgelassen feiern können?

Tatsächlich gar nicht. Ich hätte eher ein schlechtes Gewissen, wenn ich mitgeflogen wäre. Es gibt sehr viel zu tun. Wir waren zwar der erste Meister aller Regionalligen, sind aber als letztes aufgestiegen. Wir dürfen keinen Tag verlieren.

Nach dem 1:1 im Hinspiel gab es in einem umkämpften Rückspiel gegen Nordost-Meister 1. FC Lok Leipzig einen 3:0-Heimsieg nach Verlängerung. Wie haben Sie das Spiel erlebt?

Das Rückspiel war intensiv und man hat gemerkt, wie viel für beide Mannschaften auf dem Spiel stand. Insgesamt haben wir uns aber verdient durchgesetzt. Schon in der ersten Halbzeit hatten wir klare Chancen und in der zweiten Hälfte konnten wir auf die kurze gute Phase von Lok Leipzig mit den richtigen Wechseln gut reagieren. Nachdem wir den Grundstein mit einer hohen taktischen Disziplin bereits im Hinspiel gelegt hatten, konnten wir im Rückspiel unsere Stärken in unserem Stadion optimal ausspielen. Unser Plan für Hin- und Rückspiel ist perfekt aufgegangen.

Was passierte nach dem Abpfiff – wo und wie lange wurde gefeiert?

Hier begannen schon die infrastrukturellen Herausforderungen, die wir in Havelse haben. (lacht) Weil wir den VIP-Raum aufgrund des großen Medieninteresses zum Presseraum umfunktionieren mussten, haben wir auf einem der Trainingsplätze ein großes VIP-Zelt aufgebaut. Am Ende war das eine super Entscheidung. Mithilfe unserer Sponsoren konnten wir hier den Abend und die Saison großartig ausklingen lassen und den Aufstieg gemeinsam mit Freunden, Familien und Unterstützenden feiern. Unser Trainer Samir Ferchichi wurde dabei kurzzeitig vom Coach zum DJ. Ich denke, das sagt alles über die Stimmung aus! Es war ein besonderer Abend mit vielen tollen Momenten, die wir alle nicht vergessen werden. Genau wie die ganze Saison.

Nach dem Aufstieg ist vor dem Saisonstart in der 3. Liga in weniger als zwei Monaten. Was sind nun die größten Herausforderungen für den Verein?

Unser wirtschaftlicher Rahmen ist der mit Abstand kleinste. Das war in der Regionalliga Nord schon so und in der 3. Liga wird das noch spürbarer. Das ist ein Fakt – aber kein Alibi. Wer wenig Budget hat, braucht doppelt so viel Klarheit. Wir müssen kreativer denken, präziser entscheiden und leidenschaftlicher arbeiten als alle anderen. Das ist intensiv und sicher manchmal frustrierend – aber kann auch zu unserem Vorteil werden. Weil es uns zwingt, besser zu sein als die Konkurrenz. Wenn wir in allen Bereichen ans Limit gehen und uns schnell weiterentwickeln – sportlich, organisatorisch und kommunikativ – dann können wir auch in der 3. Liga überraschen.

 

Weiter als Spieler? "Aktuell ist die Tendenz, dass ich aufhöre"

Werden Sie weiterhin die Doppelfunktion als Führungsspieler und Sportdirektor ausüben?

Das ist tatsächlich eine der offenen Kaderfragen. Eigentlich ist das Buch für meine Spielerkarriere geschrieben. Ich könnte mir keinen schöneren Abschluss vorstellen, als in Doppelfunktion und als Stammspieler mit 35 Jahren Meister zu werden und dann auch noch in die 3. Liga aufzusteigen. Allerdings versuchen unser Cheftrainer und das gesamte Vereinsumfeld bereits, mich vom Gegenteil zu überzeugen. (lacht) Ich muss schlussendlich schauen, ob ich in mein eigenes Kaderkonzept noch hinein passe und ich dem Team weiter einen sportlichen Mehrwert geben kann. Aktuell ist die Tendenz, dass ich aufhöre. Aber meine Personalie als Spieler wird vermutlich die letzte sein, die ich kläre.

Wie sieht die Kaderplanung insgesamt aus?

Wie schon erwähnt, haben wir finanziell nicht die Möglichkeiten anderer Drittligisten. Wir suchen deshalb keine Biografien, sondern Profile. Spieler, die hungrig sind, die Verantwortung übernehmen und sich für nichts zu schade sind. Unsere Transferstrategie ist einfach: Passt du zu unserer Spielidee? Hast du Lust auf die Herausforderung, mit weniger mehr zu erreichen? Ordnest du dem Teamerfolg alles unter? Dann bist du bei uns richtig. Wir brauchen ein Team, das sich wieder beweisen will. Ein Team, das füreinander da ist und einen besonderen Spirit hat. Nur so konnten wir auch in der Regionalliga Nord eine so starke Saison spielen. Und nur so können wir wieder überraschen.

Worauf freuen Sie sich am meisten in der 3. Liga?

Ich freue mich einfach riesig auf die Rückkehr auf die Profi-Bühne. Das ist unglaublich für uns. Niemand hat uns zugetraut, es nach 2021 noch einmal zu schaffen, und es ist der Lohn für harte Arbeit, Beharrlichkeit und feste Überzeugung.  In den ersten zwei Jahren nach dem Abstieg aus der 3. Liga haben wir mit einem kompletten Neuanfang in der Regionalliga Nord teilweise gegen den Abstieg gespielt, aber trotzdem nie an unserem Weg und unserer Idee gezweifelt. Und jetzt sind wir Meister mit 14 Punkten Vorsprung und Aufsteiger. Wir wissen, dass wir wieder der größte Underdog sein werden, fühlen uns in dieser Rolle aber wohl und wollen mutig und frech auftreten. Wir haben nichts zu verlieren.

Vorerst wird der TSV Havelse seine Heimspiele im Eilenriedestadion in Hannover austragen. Langfristig ist im Rahmen der “Mission Profifußball” aber der Neubau eines Stadions geplant – außerdem soll bis 2030 die 2. Bundesliga anvisiert werden. Klingt ambitioniert!

Die “Mission Profifußball" ist sozusagen eine Flucht nach vorne. Mit unseren aktuellen Rahmenbedingungen – finanziell und infrastrukturell – ist für uns im Profifußball kein Platz. Wahrscheinlich auf Dauer nicht einmal in der Regionalliga. Aber genau deshalb formulieren wir das Ziel – damit sich etwas verändert. Nur wer ein Ziel ausspricht, lädt andere ein, Teil des Weges zu werden. Wir brauchen starke Partner, die an uns glauben – vor allem bei der Finanzierung des Stadions. Aber dafür müssen wir ihnen auch zeigen, dass wir an uns selbst glauben. Trotz eines niedrigen Etats sind wir mit deutlichem Vorsprung Meister in der Regionalliga Nord geworden. Niemand hätte uns das zugetraut. Ich habe aber drei Jahre lang jeden Tag an den möglichen Erfolg gedacht. Wer im Kleinen denkt, bleibt klein. Wer groß denkt, zwingt sich zur Entwicklung. Und genau das ist die „Mission Profifußball“.

   

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