Kosta Runjaic – Eine Darmstädter Erfolgsgeschichte
Als einen entscheidenden Einschnitt in die Geschichte des SV Darmstadt 98 lässt sich der 20. März 2010 ohne Frage bezeichnen. Soeben hatte der SV Darmstadt 98 sein Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden II mit 1:3 verloren. Der Verein lief mehr denn je Gefahr, erstmals in seiner Geschichte in die Fünftklassigkeit zu stürzen. SV98-Urgestein Zivojin Juskic trat nach dieser Partie mit Tränen in den Augen als Trainer zurück und machte damit, ohne es zu wissen, den Weg frei für einen zu diesem Zeitpunkt vollkommen für unmöglich gehaltenen, kometenhaften Aufstieg der Lilien.
Nicht der Wunschkandidat der Fans
Das Staunen war groß, als Präsident Hans Kessler den gebürtigen Rüsselsheimer Fußballlehrer Kosta Runjaic der Öffentlichkeit präsentierte. Ein klangvollerer Name hätte es nach dem Abgang von Vereinslegende Zivojin Juskic nach Meinung vieler Fans sein sollen. Bekannte Namen wie Thomas Oral oder Christian Hock standen in den einschlägigen Fan-Foren zuvor im Raum. Der Wunschkandidat der Lilienfans war Runjaic anfangs wahrlich nicht. Doch die Lösung mit dem „Nobody“ aus der Region sollte sich am Ende als großer Glücksgriff für den SV Darmstadt 98 herausstellen.
Hospitanzen beim FC Barcelona und bei Arsenal London
Denn dieser hatte zu diesem Zeitpunkt zwar lediglich Praxiserfahrung als Stützpunkttrainer beim DFB, als Co-Trainer beim VfR Aalen oder als Verantwortlicher eben beim SV Wehen-Wiesbaden II. Diese jedoch täuschte darüber hinweg, welch hervorragende Ausbildung der damals 39-jährige zuvor genossen hatte. Hospitanzen beispielsweise beim großen FC Barcelona oder unter Arsene Wenger bei Arsenal London konnte Runjaic vorweisen. Der als akribische Arbeiter bekannte Runjaic schaffte es innerhalb kurzer Zeit, dem Team neues Selbstbewusstsein einzuhauchen und sicherte in der Saison 2009/2010 mit dem SV 98 frühzeitig den Klassenerhalt in der Regionalliga Süd.
Runjaic formte eine Einheit
Die Zielsetzung zur neuen Saison war daher schnell formuliert: Abstiegsgefahr frühzeitig bannen und im Mittelfeld der Tabelle etablieren. Dass es am Ende ganz anders kommen sollte, war nicht zuletzt ein Verdienst Runjaics. Er formte aus der zuvor kaum funktionierenden Truppe schnell eine funktionierende Einheit, die sich bis zur Winterpause im vorderen Tabellendrittel positionieren konnte. Vor allem in den Heimspielen legte das Team eine lange vermisste Dominanz an den Tag. Runjaics Philosophie, den Gegner speziell zu Hause 90 Minuten lang unter Druck zu setzen, brachte eine zuvor jahrelang vermisste Euphorie zurück ans Böllenfalltor.
Neun Siege in Folge bringen den Aufstieg
Konkurse der direkten Konkurrenten aus Ulm und Weiden spülten das Team nach der Winterpause auf Schlagdistanz zu Tabellenführer Hessen Kassel. Namhafte Wintereinkäufe wie Ex-Bundesligakeeper Jan Zimmermann von Eintracht Frankfurt, Top-Torjäger Michael Schürg oder Ex-Profi Abdelaziz Ahanfouf gaben der Euphorie in Darmstadt zusätzlich neue Nahrung. Und während der Favorit aus Kassel in der Rückrunde Punkt um Punkt liegenließ, startete Runjaics Team eine furiose Aufholjagd. Neun Siege in Folge (darunter ein 3:2 gegen Kassel oder das abschließende 4:0 gegen den FC Memmingen vor 17.000 Zuschauern) bedeuteten am 34. Spieltag die erneute Süddeutsche Meisterschaft und nach 18 Jahren die lange ersehnte Rückkehr in den bezahlten Fußball.
Mit Mini-Etat in die dritte Liga
Mit Mini-Etat und kaum Erfahrung ging der SV Darmstadt 98 also das Wagnis dritte Liga an. Und zu Beginn schien es, als würden die Lilien auch diese Hürde problemlos meistern. Nach fünf Spieltagen und den völlig überraschenden 1:0-Erfolg der „Lilien“ bei Aufstiegsfavorit SV Wehen-Wiesbaden platzierte sich die Truppe als bestes hessisches Team zwischenzeitlich auf Rang acht der Tabelle.
Nur ein Sieg in acht Partien
Ein unerklärlicher Einbruch in den folgenden Spielen und nur ein weiterer Sieg in acht Partien brachten die Mannschaft jedoch wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. Dazu kam, dass das Team teilweise sicher geglaubte Punkte in der Schlussphase leichtfertig verspielte. Die Folge war aufkeimende Kritik an Runjaics Personalpolitik. Zu viel Rotation warf man dem Coach vor und mangelnde Bereitschaft, in der II. Mannschaft stark aufspielende Talente wie z.B. den vor der Saison verpflichteten Fabian Broghammer, auch einmal in der dritten Liga einzusetzen.
Der Darmstädter Traum von Liga zwei
Der Sieg am vergangenen Samstag gegen den Chemnitzer FC tat gut und sollte dem Team und der Anhängerschaft zunächst einmal wieder etwas Luft im Abstiegskampf verschaffen, bevor der SV Darmstadt 98 dann auf die direkten Konkurrenten im Kampf um den Verbleib in Liga drei trifft. Können die „Lilien“ hier fleißig Punkte sammeln, rückt der Klassenerhalt schon bald wieder in greifbare Nähe. Und dann wird man am Böllenfalltor nur zu gerne wieder träumen. Träumen von der zweiten Liga.
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