"Blanker Hohn": Ultra-Gruppen gegen Geisterspiele

Während die Drittligisten noch darüber streiten, ob die Saison mit Geisterspielen fortgesetzt oder abgebrochen werden soll, haben sich mehrere Ultra-Gruppen bereits klar positioniert – und sich in einer Stellungnahme gegen Geisterspiele ausgesprochen.

Profifußball längst "krank genug"

In einer gemeinsamen Erklärung der "Fanszenen Deutschland", einem bundesweiten Zusammenschluss von Fangruppen, heißt es: "Die Wiederaufnahme des Fußballs, auch in Form von Geisterspielen, ist in der aktuellen Situation nicht vertretbar." Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre "blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft und insbesondere all denjenigen, die sich in der Corona-Krise wirklich gesellschaftsdienlich engagieren". Der Profifußball sei längst "krank genug" und gehöre weiterhin in Quarantäne. Die Fans fordern, dass es keine "Lex Bundesliga" geben dürfe – also ein Gesetz, das aus bestimmtem Anlass erlassen wird. Zwar habe der Fußball eine "herausgehobene Bedeutung", sei aber "ganz sicher" nicht systemrelevant.

In einer Zeit, "in der wir alle sehr massive Einschränkungen unserer Grundrechte im Sinne des Gemeinwohls hinnehmen", sei an einen Spielbetrieb nicht zu denken. Die Idee, Fußballspieler in einer extrem hohen Taktung auf das Virus zu untersuchen, sei "schlicht absurd. Ganz zu schweigen von der Praxis eines Fußballspiels mit Zweikämpfen, eines normalen Trainingsbetriebes in Zeiten von Versammlungsverboten und eines gemeinsamen Verfolgens potenzieller Geisterspiele durch Fans". Die Rede von gesellschaftlicher Verantwortung und Pläne für exklusive Testkontingente (über 20.000 Stück) für den Profifußball würden nicht zusammen passen, kritisieren die Fans.

Kritik am DFB

Die Ultras sehen viel tieferliegende Probleme: "Ein System, in das in den letzten Jahren Geldsummen jenseits der Vorstellungskraft vieler Menschen geflossen sind, steht innerhalb eines Monats vor dem Kollaps. Der Erhalt der Strukturen ist vollkommen vom Fluss der Fernsehgelder abhängig, die Vereine existieren nur noch in totaler Abhängigkeit von den Rechteinhabern." Die Frage, weshalb es trotz aller Millionen keinerlei Nachhaltigkeit im Profifußball zu geben scheint, wie die Strukturen und Vereine in Zukunft robuster und krisensicherer gemacht werden können, sei zumindest öffentlich noch von keinem Funktionär gestellt worden.

Die Argumentation, auch Jobs innerhalb der Vereine zu retten, halten die Fanszenen "in den meisten Fällen für einen Vorwand". Dies zeige sich auch in der "absoluten Untätigkeit des DFB", im Hinblick auf den Fußball unterhalb der 2. Bundesliga. "Dass Geisterspiele hier viel stärkere Folgen hätten, als in den Ligen der DFL, wird ausgeblendet. Hauptsache das "Premiumprodukt" kann weiterexistieren", kritisieren die Anhänger. "Hier wird der DFB seiner Rolle nicht nur nicht gerecht, er zeigt auch wiederholt, wessen Interessen er vertritt."

Seit Jahren fordern Fans Reformen für eine gerechtere Verteilung der TV-Einnahmen und kritisieren die mangelnde Solidarität zwischen großen und kleinen Vereinen. "Wir weisen auf Finanzexzesse, mangelnde Rücklagenbildung und die teils erpresserische Rolle von Spielerberatern hin." Die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen großen Geldgebern sei anhand von Beispielen wie 1860 München und Carl Zeiss Jena immer wieder aufgezeigt worden. Die jetzige Herausforderung sei daher auch eine Chance: "Die Verbände sollten diese Krise als solche begreifen und die Strukturen des modernen Fußballs grundlegend verändern. Es ist höchste Zeit!"

Was die Ultras fordern

Konkret fordern die Ultras, den Spielbetrieb ab Mai in Form von Geisterspielen nicht wieder aufzunehmen, eine sachliche Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage und eine Abkehr vom "blinden Retten der TV-Gelder". Auch ein möglicher Abbruch der Saison dürfe kein Tabu sein. "In diesem Fall sollten nicht nur Horrorszenarien in Form von drohenden Insolvenzen skizziert werden, sondern Lösungsmöglichkeiten in Form von Förderdarlehen, erweiterten Insolvenzfristen und anderen Kriseninstrumenten, denen sich auch die restliche Wirtschaft stellt, diskutiert werden."

Zudem dürfe es unter den Vereinen keine Krisengewinner- und verlierer geben. Die Schere zwischen "groß" und "klein" dürfe nicht noch weiter auseinandergehen. Außerdem müssten jetzt Diskussionen über grundlegende Reformen, um den Profifußball nachhaltiger und wirtschaftlich krisensicherer zu gestalten, beginnen. "Sie darf nicht nur von Fans und Journalisten geführt werden, sondern ist die zentrale Aufgabe der Verantwortlichen der Clubs und Verbände. Strukturen und Vereine müssen auf einen finanziell und ideell sicheren Boden zurückgeholt werden. Dabei muss die 50+1-Regel weiterhin unberührt bleiben." Die Phase einer von der restlichen Gesellschaft komplett entkoppelten Fußballwelt müsse ein Ende haben!

   

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