Strittige Szenen am 6. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 6. Spieltag hat er sich acht Szenen einmal genauer angeschaut.

Szene 1: Christopher Handke (FCM) und Michael Kessel (Köln) stoßen im Strafraum zusammen, Schiedsrichter Benedikt Kempkes gibt Strafstoß für Köln. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]

Babak Rafati: Bei dieser Situation im Strafraum von Magdeburg kommt es zu einem Zweikampf um den Ball. Der Schiedsrichter hat einen guten Blick auf die Szene, vielleicht ist er etwas zu nah dran am Geschehen und dadurch fehlt ihm ein wenig die Übersicht. Handke ist etwas früher am Ball und spitzelt den Ball vor Kessel weg und spielt somit ganz klar den Ball. Dadurch, dass der Angreifer spektakulär zu Fall kommt, wird sich der Schiedsrichter wahrscheinlich getäuscht und ein Foulspiel wahrgenommen haben. Eine nützliche Hilfe für den Schiedsrichter wäre hier auf die Richtungsänderung des Balles zu achten, denn daran erkennt man, dass der Verteidiger den Ball spielt. Das Zusmmenrasseln ist absolut fußballtypisch und nicht relevant. Hier wäre weiterspielen lassen die richtige Entscheidung gewesen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

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Szene 2: Maximilian Ahlschwede bringt Dominick Drexler im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Tobias Welz gibt Elfmeter für Aalen. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum von Rostock kann man noch nicht einmal von einem Zweikampf sprechen, geschweige denn von einem Foul. Ahlschwede läuft nur geradeaus und Drexler fällt urplötzlich hin. Der Kommentator sagt im O-Ton: "Der Schiedsrichter  fällt darauf rein.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Der Schiedsrichter hat optimale Sicht zum Geschehen, daher ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, wie er zu dieser Entscheidung gekommen ist. Weiterspielen wäre die richtige Entscheidung gewesen, somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Die gelbe Karte für das vermeintliche Foul ist folglich auch nicht angebracht bzw. unberechtigt.

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Szene 3: Luca Schnellbacher (Wehen Wiesbaden) bringt den Ball im Tor unter, Schiedsrichter Sven Waschitzki gibt den Treffer aber aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition nicht.  [TV-Bilder – ab Minute 6:30]

Babak Rafati: Beim Torschuss des Angreifers von Wiesbaden steht ein Mitspieler im Abseits, dieser greift jedoch nicht ins Spielgeschehen ein. Schnellbacher, der den Ball zugespielt bekommt und anschließend ein Tor erzielt, steht nicht im Abseits. Der Assistent hat sich sicherlich zu schnell festgelegt und dadurch falsch entschieden. Besser wäre es gewesen, beim Torschuss die Szene gedanklich festzuhalten und anschließend zu bewerten, welcher Spieler tatsächlich ins Spiel eingreift. Die Anweisung für die Assistenten lautet: "Wait and see." Somit ist es besser, in engen Spielsituationen eine etwas spätere Entscheidung zu treffen, die aber richtig ist, als zu schnell und falsch zu entscheiden. Diese Szenen sind aber auch schwierig und erfordern viel Erfahrung. Das Tor für Wiesbaden hätte zählen müssen und somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 4: Andras Lambertz (Dynamo Dresden) schubst Tobias Duffner (Werder Bremen), sieht nur Gelb, wenig später bekommt er für ein Foul im Mittelfeld Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:50 // 5:15]

Babak Rafati: In der ersten Szene hätte der Schiedsrichter am besten gleich abgepfiffen und auf Freistoß im Strafraum für Duffner entschieden, dann wäre es erst gar nicht so weit gekommen, wie es dann kommt. Anschließend schubst Lambertz den Torhüter mit beiden Armen und vollem Schwung um. Dieser lässt sich keinesfalls fallen, da er sofort wieder aufsteht und sich zu Recht aufregt und somit nicht theatralisch eine Rote Karte provozieren will. Das ist aber eine Tätlichkeit und hätte mit Rot bestraft werden müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. In der zweiten Szene spielt Lambertz klar den Ball, sodass kein Foul vorliegt. Der Bremer Spieler dreht sich in den Dresdner Spieler hinein und nur dadurch kommen beide sehr schwungvoll zu Fall. Hier wäre weiterspielen lassen die richtige Entscheidung gewesen. Auch hier liegt eine Fehlentscheidung vor.

Szene 5: Jim-Patrick Müller (Dynamo Dresden) wird im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Florian Kornblum gibt Strafstoß für Dynamo. [TV-Bilder – ab Minute 6:30]

Babak Rafati: Müller läuft auf das Standbein des Verteidigers und kommt im Strafraum von Bremen zu Fall. Der Verteidiger verhält sich absolut fair und foult keinesfalls. Ich möchte aber auch dem Angreifer keine Absicht und demzufolge keine Unsportlichkeit/Schwalbe unterstellen, aber die meisten Schiedsrichter hätten in dieser Szene weiterspielen lassen, da ein ganz normaler Ablauf stattfindet. Für mich wäre das auch die richtige Entscheidung, sodass bei der Strafstoßentscheidung eine Fehlentscheidung vorliegt.

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Szene 6: Dorian Diring (Hallescher FC) trifft Benjamin Schwarz (Preußen Münster) im Strafraum, Schiedsrichter Florian Heft gibt Elfmeter für die Preußen.  [TV-Bilder – ab Minute 5:25]

Babak Rafati: Bei diesen Standardsituationen ist es für die Schiedsrichter sehr schwierig,  derartig viele Pärchen im Strafraum zu beobachten und die Situationen richtig einzuordnen. Man sieht in dieser Szene, wie der Ball in den Strafraum von Halle geschossen wird und im Laufduell der Verteidiger den Angreifer am Trikot hält und diesen zu Fall bringt. Das ist vom Schiedsrichter sehr gut erkannt worden. Der Strafstoß und die gelbe Karte sind somit eine richtige Entscheidung. Hier verschätzt sich der Verteidiger und es wäre gar nicht notwendig gewesen seinen Gegenspieler festzuhalten, denn der wäre gar nicht mehr an den Ball gekommen.

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Szene 7: Simon Handle (Aue) wird an der Strafraumgrenze von Peter Kurzweg (Würzburg) zu Fall gebracht, Schiedsrichter Torsten Schriever lässt weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Kurzweg sieht im Laufduell, nachdem er den Ball an Handle verloren hat, dass er diesen Angreifer von Aue nur noch durch Foulspiel aufhalten kann. Er wirft sich unsanft von hinten in den Gegner hinein und bringt diesen zu Fall, um ihn daran zu hindern auf das eigene Tor zuzulaufen und vereitelt dadurch eine klare Torchance. Das Foulspiel geschieht knapp vor dem Strafraum. Der Kontakt und das Zufallbringen geschehen außerhalb des Strafraumes, auch wenn der Angreifer anschließend im Strafraum zu Fall kommt. Der Schiedsrichter ist eigentlich sehr gut positioniert und hat sehr gute Sicht auf diese Szene. Hier hätte es Freistoß für Aue und Rot aufgrund der Notbremseregelung gegen den Verteidiger von Würzburg geben müssen, somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 8:  Fabio Kaufmann (Energie Cottbus) wird von Marc Stein (Stuttgarter Kickers) im Laufduell zu Fall gebracht – Schiedsrichter Alexander Sather gibt keinen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 0:30]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf steht der Schiedsrichter hervorragend zum Geschehen und hätte eigentlich den Zweikampf deshalb richtig bewerten können. Der Angreifer legt sich den Ball vor (man beachte auch die Richtung des Balles nach vorne) und will hinterher laufen. Der Verteidiger kommt einen Schritt zu spät und kann den Angreifer nur noch durch Beinstellen im Strafraum zu Fall bringen. Hier hätte es Strafstoß für Cottbus und eine Gelbe Karte gegen den Verteidiger geben müssen, somit liegt eine Fehlentschedung vor.

   
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