Strittige Szenen am 3. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

25 Jahre war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 3. Spieltag hat er sich fünf Szenen einmal genauer angeschaut.

Szene 1: Aias Aosman (Dresden) trifft zum 2:1 für die SGD, Justin Eilers (Dresden) läuft jedoch vorher durchs Abseits und behindert die Sicht von Erfurt-Keeper Philipp Klewin. Schiedsrichter Florian Mayer gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 4:20]

Babak Rafati: Beim Torschuss von Aosman auf das Erfurter Tor steht Justin Eilers deutlich im Abseits und versperrt die Sicht des Torhüters. Hierbei muss Eilers sogar hochspringen, um nicht vom Ball getroffen zu werden. Hier ist es für den Assistenten sehr schwierig diese Situation aus ca. 30 Entfernung mit Seitenblick richtig einzuschätzen. Er kann nur beurteilen, dass der Angreifer näher als zwei Verteidiger zur Torlinie steht, aber nicht, ob er auch ins Spiel eingreift. Der Schiedsrichter wiederum kann aus seiner frontalen Sicht zum Geschehen nicht beurteilen, ob Eilers im Abseits steht oder nicht, jedoch ob er ins Spiel eingreift und den Torwart damit irritiert. Wenn der Schiedsrichter und der Assistent gemeinsam diese Situation über ihr Headset (richtig) kommuniziert hätten, wären sie zum Ergebnis gekommen, dass jeder einen Teil zur Entscheidungsfindung beitragen kann.

Der Assistent sagt z.B. über sein Headset: "Der Mitspieler stand im Abseits, aber ich kann nicht beurteilen, ob er ins Spiel eingegriffen hat. Was meinst Du?" Somit hätte der Schiedsrichter die fehlende Info, die er selbst nicht sehen kann und könnte aufgrund seiner Sicht endgültig beurteilen und entscheiden. Da das aber offensichtlich nicht erfolgte und keiner kommuniziert hat bzw. falsch kommuniziert wurde, wird folglich eine Fehlentscheidung getroffen, denn der Treffer hätte wegen Abseits nicht anerkannt werden dürfen. Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man zukünftig mit einer optimalen Teamabsprache derartige Situationen richtig einschätzen und kommunizieren kann, um in dieser kniffligen Situation eine richtige Entscheidung zu treffen.

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Szene 2: Robin Szarka (Energie Cottbus) foult Reagy Ofosu (Chemnitzer FC) und verhindert damit eine gute Torchancen. Schiedsrichter Benjamin Brand zeigt nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 4:30]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Foulspiels an Ofosu sind zwei weitere Verteidiger von Cottbus ca. 2-3 Meter entfernt. Der Angreifer hatte eine sehr gute Torchance und somit wurde diese vereitelt, sodass die sogenannte "Notbremse-Regelung" hätte angewendet werden müssen. Nach dem Pfiff verschiebt sich die Situation innerhalb von nur einer Sekunde, so dass plötzlich die beiden Verteidiger in unmittelbarer Nähe zum Angreifer/Tatort postiert sind und das Bild verzerren. Ohne das Foulspiel wäre Ofosu aber "durch" gewesen. Der Schiedsrichter kann aus seiner frontalen Position diese Situation nicht einschätzen und ist unbedingt auf die Unterstützung des Assistenten angewiesen, der die ideale Seiteneinsicht hat und bei voller Konzentration auf die Szene den Moment des Foulspiels und die Position des Angreifers von Chemnitz sowie der beiden Verteidiger von Cottbus gedanklich festhalten muss, damit er dem Schiedsrichter die richtige Entscheidung mitteilen kann. Leider ist das nicht geschehen und es hätte eine rote Karte ausgesprochen werden müssen, so dass eine Fehlentscheidung vorliegt. Wieder eine Szene, die im Team nicht richtig gelöst wurde. Auch hier ein sehr gutes Beispiel, wie man zukünftig mit einer optimalen Teamabsprache bzw. Teamleistung eine richtige Entscheidung treffen kann.

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Szene 3: Kickers-Keeper Carl Klaus sieht nach einer Notbremse Rot. Zudem gibt Schiedsrichter Günter Perl Elfmeter für Aue. [TV-Bilder – ab Minute 7:30]

Babak Rafati: Beim Angriff des Auer Angreifers im Strafraum von Stuttgart trifft ihn Claus beim Abwehrversuch in die Beine und bringt ihn dadurch zu Fall. Da hier eine klare Torchance vereitelt wurde, ist die rote Karte eine völlig richtige Entscheidung und die logische Konsequenz und lässt dem Schiedsrichter überhaupt keinen Spielraum. Nach dem Ausspielen des Torhüters hätte der Angreifer den Ball nur noch ins leere Tor einschieben können.

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Szene 4: Markus Kolke, Torhüter des SV Wehen Wiesbaden, bringt einen Mainzer im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Steffen Mix entscheidet auf Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Kolke kommt einen Moment zu spät aus seinem Tor heraus und rennt den Angreifer von Mainz im eigenen Strafraum komplett um. Somit ist die Strafstoß-Entscheidung vollkommen richtig, da die Attacke nur dem Angreifer gilt und der Ball nicht gespielt wird. Da noch zwei Verteidiger in unmittelbarer Nähe stehen und zudem der Angreifer keine Ballkontrolle hat, ist auch die gelbe Karte eine vollkommen richtige Entscheidung.

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Szene 5: Pasacl Breier (SG Sonnenhof Großaspach) wird im Strafraum gefoult, Schiedsrichter Sven Waschitzki lässt jedoch weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 4:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf befindet sich der Schiedsrichter ein wenig zu weit vom Geschehen entfernt, denn bei Strafraumsituationen empfiehlt es sich immer eine gnadenlose Präsenz zu zeigen, denn dort ist der Brennpunkt und somit spielen sich häufig die spielentscheidenden Szenen des Spiels dort ab. Man muss aber auch dem Schiedsrichter zugutehalten, dass es in dieser Szene äußerst schwierig zu erkennen ist, ob der Verteidiger oder der Angreifer den Ball spielen, weil beide die Füße durch ein langes Bein zum Ball strecken. In dieser Szene kann man anhand der TV-Bilder erkennen, dass Breier den Ball spielt und der Verteidiger etwas zu spät kommt und nur noch das Bein des Angreifers im Strafraum trifft. Folglich wäre hier ein Strafstoß fällig und damit liegt eine Fehlentscheidung vor.

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