Strittige Szenen am 10. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg, Halle, Braunschweig, 1860 und Zwickau, das 3:1 von Halle, Foulspiele von Marcel Seegert, Pena Zauner, Cottrell Ezekwem und Adriano Grimaldi und der zweite Elfmeter für Wiesbaden: Am 10. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de elf Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Jason Ceka (Magdeburg) dringt in den Strafraum ein und wird von Marcel Titsch-Rivero und Niklas Kastenhofer (Halle) in die Zange genommen. Dabei geht er zu Fall und fordert Elfmeter, Schiedsrichter Frank Willenborg lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:45:00]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Halle spielt der rechte Verteidiger – von Ceka aus gesehen – den Ball. Der zweite Verteidiger, links von ihm postiert, begeht kein Foulspiel, auch wenn Ceka zu Fall geht. Es kommt zwar zu einem Kontakt, dieser geht aber vom Angreifer aus. Weiterspielen in dieser Szene ist die richtige Entscheidung.

Szene 2: Auf der Strafraumlinie wird Julian Guttau (Halle) von Andreas Müller (Magdeburg) gefoult, statt Elfmeter gibt es Freistoß. Aus diesem fällt das 2:1 für Halle. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:05]

Babak Rafati: Es liegt unumstritten ein Foulspiel von Müller gegen Guttau vor. Allerdings ist das Vergehen knapp innerhalb des Strafraums, sodass es einen Elfmeter für Halle hätte geben müssen. Diese Szenen sind für Schiedsrichter sehr undankbar und nur wie in der Bundesliga mittels Videobeweis auflösbar. Trotzdem liegt eine Fehlentscheidung vor, lediglich einen Freistoß zu geben. Erschwerend kommt in dieser Szene hinzu, dass der Angreifer aus dem Strafraum läuft, sodass man als Schiedsrichter bei einer knappen Szene gefühlsmäßig eher dazu tendiert zu glauben, der Tatort wäre außerhalb des Strafraumes.

Szene 3: Tobias Müller (Magdeburg) kommt in einem Laufduell mit Terrence Boyd (Halle) kurz vor dem eigenen Strafraum zu Fall, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 3:1. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf geht Boyd mit angelegtem Arm und korrektem Körpereinsatz gegen Müller vor, sodass kein Foulspiel vorliegt. Auch wenn Müller anschließend zu Fall kommt, ist festzuhalten, dass Boyd einfach robuster in den Zweikampf geht und seinen Körper maximal dafür nutzt, um diesen Zweikampf zu gewinnen. Dabei setzt er nicht den Arm aktiv ein, um zu schieben oder zu schubsen. Müller läuft auch ein wenig selbst in die Beine von Boyd und kommt schlussendlich zu Fall. Weiterlaufen zu lassen, ist somit die richtige Entscheidung des Schiedsrichters.

 

Szene 4: Marcel Seegert (Mannheim) grätscht Lion Lauberbach (Braunschweig) bei einem Angriff von hinten um, der Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 35:40]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Foulspiels von Seegert ist beim Standbild sehr gut erkennbar, dass die beiden anderen Verteidiger nicht hätten eingreifen können, sodass eine glasklare Torchance vereitelt wird. Die klare Torchance liegt deshalb vor, weil Lauberbach den direkten Zug zum Tor hat und in einer zentralen Position ist (Halbkreis am Strafraum). Zudem hat er sich den Ball vorgelegt, sodass dadurch quasi eine Ballkontrolle gegeben ist. Für diese sogenannte Notbremse hätte Seegert somit die rote Karte sehen müssen. Eine Fehlentscheidung, es nur bei der gelben Karte zu belassen.

Der Schiedsrichter kann aus seiner Position – hinter dem Geschehen – diesen Vorgang nicht einordnen. Allerdings kann das der Assistent auf dieser Seite sehr gut, da er von der Seite die beste Perspektive hat und den genauen Ablauf verfolgen kann. Wichtig hierbei für den Assistenten ist, vorbereitet zu sein, um konzentriert die Szene zum Zeitpunkt des Vergehens gedanklich einzufrieren – analog wie ein Standbild für uns TV-Zuschauer -, und den Schiedsrichter final zu unterstützen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen, was hier leider nicht erfolgte.

Szene 5: Nach einem Pass kommt Jomaine Consbruch (Braunschweig) im Strafraum an den Ball und geht im Duell mit Fridolin Wagner (Mannheim) zu Fall. Einen Elfmeter gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 58:20]

Babak Rafati: Consbruch legt sich den Ball nach einem Zuspiel im gegnerischen Strafraum etwas zu weit vor und kommt anschließend zu Fall. Er wird dabei zwar von Wagner bearbeitet, allerdings liegt im Fußbereich kein Foulspiel vor, und im Oberkörperbereich ist die Berührung zu vernachlässigen, sodass auch hier kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Der Kommentator findet mit der Bezeichnung "Schwächeanfall" die richtigen Worte.

Szene 6: Pena Zauner (Braunschweig) will im Mittelfeld den Ball erobern und grätscht Fridolin Wagner (Mannheim) um, trifft dabei aber nur den Gegenspieler. Der Schiedsrichter belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:07:30]

Babak Rafati: Zauner will im Mittelfeld den Ball erobern, wird dabei leicht von einem Gegenspieler heruntergedrückt und kann sich daher nur noch durch ein Foulspiel gegen Wagner behaupten. Sicherlich kann man das leichte Herunterdrücken laufen lassen. Das anschließende Foul von Zauner ist jedoch auch nur gelbwürdig, da keine brutale oder übermäßig harte Spielweise vorliegt. Somit eine richtige Entscheidung, es bei Gelb zu belassen.

 

Szene 7: Einen Schuss von Merveille Biankadi (1860) bekommt Cottrell Ezekwem (Verl) im Strafraum an die Hand, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Nico Fuchs nicht. [TV-Bilder – ab Minute 47:55]

Babak Rafati: Der Schuss von Biankadi ist aus sehr kurzer Entfernung und geht dann an den Arm von Ezekwem. Allerdings ist der Arm vom Verteidiger vorher schon abgespreizt, sodass in Kauf genommen wird, den Ball an den Arm zu bekommen beziehungsweise das Spielgerät aufzuhalten. Das ist daher laut Reglement ein absichtliches Handspiel, sodass es einen Elfmeter für 1860 München hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Der Schiedsrichter hat aber auch eine ungünstige Position, weil zwei Spieler ihm die Sicht versperren.

Szene 8: Nach einem Foul an Merveille Biankadi (1860) setzt Cottrell Ezekwem (Verl) im Mittelfeld gegen Marcel Bär (1860) nach und checkt ihn mit dem Ellenbogen weg. Fuchs belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:38:20]

Babak Rafati: Ein völlig unnötiger Einsatz von Ezekwem. Er checkt seinen Gegenspieler Bär mit angelegtem Arm. Dabei liegt aber auch kein Schlag vor, sodass die gelbe Karte absolut zum Vergehen passt und somit eine richtige Entscheidung ist.

 

Szene 9: Der bereits gelb-verwarnte Adriano Grimaldi (Saarbrücken) geht mit dem Arm voraus in einen Zweikampf mit Markus Ballmert (Meppen), kommt bei Schiedsrichter Konrad Oldhafer mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:40]

Babak Rafati: Bei diesem Luftkampf zwischen Grimaldi und Ballmert kommt es zu einem Kontakt, bei dem Ballmert zu Boden geht und sich an den Kopf fasst. Allerdings ist der Einsatz von Grimaldi fußballtypisch, sodass man sogar weiterspielen lassen könnte, auch wenn sich Ballmert am Boden wälzt. Zudem wäre in dieser Aktion eine weitere gelbe Karte gegen Grimaldi eine klare Fehlentscheidung, sodass zumindest eine richtige Entscheidung vorliegt, diese nicht zu zeigen.

 

Szene 10: John Iredale (Wiesbaden) geht im Strafraum gegen Fanol Perdedaj (Würzburg) zu Fall, Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein gibt Elfmeter für Wiesbaden. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Perdedaj grätscht im eigenen Strafraum zum Ball und spielt das Spielgerät. Dabei kommt Iredale hinzu und will auch zum Ball, läuft aber selbstverschuldet gegen den Fuß des Verteidigers. Da der Verteidiger den Ball bereits gespielt hatte und der Kontakt vom Angreifer ausgeht, liegt kein Foulspiel vor, sodass dieser Elfmeter eine Fehlentscheidung ist.

 

Szene 11: Im Strafraum geht Yannic Voigt (Zwickau) im Duell mit Max Rosenfelder (Freiburg II) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Hanslbauer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:10]

Babak Rafati: Voigt sucht im gegnerischen Strafraum selbst den Kontakt mit seinem Gegenspieler Rosenfelder und fädelt ein. Rosenfelder verhält sich sportlich und begeht kein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

 

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