Strittige Szenen am 19. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das Foul von Türpitz an Kofler, die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Regensburg und Lotte, die Strafstöße für Münster und Erfurt sowie der nicht gegebene Treffer für Kiel: Am 19. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de acht strittige Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]

Szene 1: Nach einem Ballverlust geht Philipp Türpitz (Chemnitzer FC) mit dem rechten Bein voraus in einen Zweikampf gegen Marco Kofler (Hansa Rostock) und räumt diesen ab. Von Schiedsrichter Florian Kornblum sieht er dafür jedoch nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 41:55]

Babak Rafati: Türpitz legt sich den Ball zu weit vor und springt völlig unkontrolliert sowie mit voller Geschwindigkeit von vorne mit offener Sohle voraus in den Gegner und trifft Kofler auf Kniehöhe. Diese Spielweise ist brutal und gefährdet die Gesundheit des Gegenspielers. Der Schiedsrichter steht eigentlich gut und hat eine freie Sicht. Der Assistent könnte womöglich auch helfen, es kann aber sein, dass der Rücken des gefoulten Spielers zum Zeitpunkt des Foulspiels seine Sicht verdeckt hat. Dennoch gibt es bei dieser Szene nur eine Entscheidung, nämlich die rote Karte gegen Türpitz. Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters, diese Aktion nur mit einer gelben Karte zu ahnden.

Szene 2: Tobias Jänicke (Hansa Rostock) wird von Stefano Cincotta (Chemnitzer FC) im Strafraum getroffen und geht zu Boden – das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:25:00]

Babak Rafati: Cincotta spielt beim Abwehrversuch zunächst den Ball und trifft Jänicke anschließend im normalen Bewegungsablauf am Knie – das kann man sehr gut an der Flugbahn des Balles sehen. Beide haben das Bein im erlaubten Bereich in der Luft, sodass hier kein Foulspiel vorliegt. Hätte der Chemnitzer nicht den Ball getroffen, sondern nur den Gegenspieler, wäre ein Strafstoß fällig gewesen. In dieser Aktion entscheidet der Schiedsrichter aber richtigerweise auf Weiterspielen.

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Szene 3: André Dej (Sportfreunde Lotte) geht nach einem Zweikampf mit Nico Hammann (1. FC Magdeburg) zu Boden und fordert einen Elfmeter. Diesen gibt Schiedsrichter Tobias Reichel jedoch nicht[TV-Bilder – ab Minute 5:20]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter entscheidet aus einer guten Position und lässt weiterspielen. Dej nimmt den Ball im Magdeburger Strafraum an und will an Hammann vorbeilaufen. Dieser trifft ihn – wenn auch nicht beabsichtigt – unten am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Hier hätte es Strafstoß für Lotte geben müssen, daher liegt eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 4: Nach einem Kontakt von Lucas Röser (Sonnenhof Großaspach) geht Liridon Vocaj im Strafraum zu Boden. Elfmeter, sagt Schiedsrichter Nicolas Winter. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat aus seiner Position eine sehr gute Sicht. Röser spielt eindeutig den Ball, erst danach trifft er Vocaj am Fuß. Durch den normalen Bewegungsablauf, erst den Ball zu spielen, dann den Gegner zufällig währenddessen zu treffen, liegt zwar ein Kontakt vor, dieser ist aber fußballtypisch und keinesfalls ein Foulspiel. Hier hätte der Schiedsrichter weiterspielen lassen müssen, daher liegt eine Fehlentscheidung vor.

Szene 5: Jeremias Lorch (Großaspach) bringt Christopher Bieber (Erfurt) zu Fall. Winter zeigt erneut auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Lorch springt unkontrolliert im eigenen Strafraum in die Beine seines Gegenspielers Bieber und trifft ihn unten am Fuß. Der Schiedsrichter steht erneut gut und entscheidet diesmal richtigerweise auf Strafstoß. Auch ist es richtig, nur Gelb zu zeigen, denn die Attacke des Verteidigers ist gegen den Ball gerichtet und nicht mit der Absicht, nur den Gegner am Torschuss zu hindern und somit eine glasklare Torchance zu vereiteln.

 

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Szene 6: Oliver Hein (Regensburg) bringt Edisson Jordanov (Preußen Münster) zu Fall, Schiedsrichter Johann Pfeifer gibt Elfmeter für Münster. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat zunächst einmal aus seiner Position eine gute Sicht. Hein geht im eigenen Strafraum beim Luftduell ungestüm gegen den Münsteraner Jordanov zu Werke und stößt ihm leicht in den Rücken. Dieser kurze Stoß reicht in der Luft aber aus, um den Gegner aus der Kontrolle zu bringen, sodass dieser zu Fall kommt. Eine richtige Entscheidung, auf Strafstoß zu entscheiden. Auch ist die gelbe Karte vollkommen richtig und ausreichend, da Jordanov keine Ballkontrolle hatte und somit keine klare Torchance vorlag.

Szene 7: Nach einem Foul von Sandrino Braun (Preußen Münster) an Jann George (Jahn Regensburg) kommt der Regensburger im Strafraum zu Fall, die Pfeife des Schiedsrichters bleibt jedoch stumm. [TV-Bilder – ab Minute 5:00]

Babak Rafati: In diesem Bereich des Strafraumes ist es immer schwierig für den Schiedsrichter die Vorgänge genau zu sehen und somit richtig zu bewerten. Der Assistent steht besser und hätte sicherlich dem Schiedsrichter helfen können. Man sieht, dass George zum Kopfball hochgeht und kurz bevor der Ball ihn erreicht vom Münsteraner Verteidiger Braun in der Luft am Knie getroffen wird. Dieser Kontakt reicht aus, um aus dem Tritt zu kommen, sodass George zu Fall kommt. Hier liegt ein Foulspiel vor, was sicherlich schwer zu sehen ist, trotzdem mit Strafstoß für Regensburg geahndet hätte werden müssen. Es liegt somit eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 8: Ein Tor von Kingsley Schindler (Holstein Kiel) erkennt Schiedsrichter Benjamin Bläser nicht an, stattdessen entscheidet er auf Foulspiel gegen Halle. [TV-Bilder – ab Minute 4:50]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter lässt zunächst wegen Vorteil weiterlaufen. Danach muss ihm wahrscheinlich der Assistent eine Abseitsposition angezeigt haben, was auch richtig wäre, sodass der Schiedsrichter zurückpfeift und das vorangegangene Foulspiel ahndet. Der Schiedsrichter macht in dieser Szene alles richtig. Das erste Vergehen war das Foulspiel. Nachdem der Vorteil wegen Abseits nicht mehr zum Tragen kommt, gibt er nachträglich Freistoß für Kiel. Wenn Vergehen von zwei verschiedenen Mannschaften begangen werden, wird für die Spielfortsetzung (Spielstrafe) das erste geahndet. Sehr gut und richtig vom Schiedsrichter entschieden.

 

   
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