Schuppan über Druck: "Das ist auch nur menschlich"

Im Interview mit liga3-online.de spricht Sebastian Schuppan von den Würzburger Kickers über die von Ex-Nationalspieler Per Mertesacker angestoßene Debatte über Druck im Profi-Fußball, Benotungen durch Journalisten, den modernen Fußball und die restliche Saison der Würzburger Kickers.

[box type="info" size="large"]"Bild vom Superman verkörpern"[/box]

Herr Schuppan, dürfen sich gutbezahlte Profifußballer eigentlich öffentlich über zu hohen Druck beklagen?

liga3-online.de: Natürlich dürfen sie das. Das ist auch nur menschlich, auch wenn das viele nicht verstehen möchten. Du kannst noch so viel Geld auf dem Konto haben, das hilft dir auf dem Feld nur nichts. Fußballer sollen scheinbar nach außen hin am besten das Bild vom Superman verkörpern. Da ist es nicht vorgesehen, auch mal Gefühle zu zeigen oder unter dem Druck sogar mal einzuknicken. Ich habe in meiner Karriere selbst bestimmt öfters gegen den Abstieg als oben mitgespielt – da ist man schon extremen Drucksituationen ausgesetzt.

Ex-Nationalspieler Per Mertesacker hat es mit seinem "Spiegel"-Interview zumindest geschafft eine große Öffentlichkeit mit dem Thema zu konfrontieren, auch wenn die Reaktionen darauf nicht nur positiv waren.

Ich denke Per hat damit vielen von uns aus der Seele gesprochen. Die Meisten hätten gar nicht den Mut das so offen anzusprechen. Dass die Reaktionen in der Gesellschaft zwiegespalten ausfallen, hat mich nicht überrascht. Populistische Aussagen von Ex-Spielern, wie von Lothar Matthäus, dagegen schon. Das kann ich auch nicht nachvollziehen und ich denke, er hat da etwas über das Ziel hinaus geschossen.

Im Zeitalter von Social-Media gestaltet sich das alles ja auch nochmal ganz anders.

Lothar hatte sicher auch großen Druck in seiner Karriere. Er war unser letzter Weltfußballer – größten Respekt dafür. Aber heutzutage darfst du natürlich gar nichts mehr machen. Jeder ist gefühlt Journalist und kann dich an irgendeiner Ecke fotografieren. Früher gab es einmal am Samstag die Sportschau, dann war das Ding durch. Zehn Minuten später konnte sich schon nur noch die Hälfte daran erinnern. Heute ist alles jederzeit präsent. Da kann eine Szene von dir tausende Male auf Youtube angesehen werden. Aber wir brauchen das jetzt alles auch nicht zu hoch hängen und zu sagen "die armen Fußballer" – es geht eher darum die Dinge richtig einzuordnen.

Sie selbst machen nebenher ein BWL-Studium, dürften demnach kaum Angst haben zu "verblöden", wie es Freiburgs Stürmer Nils Petersen kürzlich in einem Interview zu Protokoll gab.

Naja, Nils hat seine Aussagen im Nachhinein auch etwas relativiert. Klar, gibt es das Klischee vom Profifußballer, der den ganzen Nachmittag von Café zu Café zieht und abends Playstation spielt. Als Fußballer hat man schon ein schönes Leben und deutlich mehr Freizeit als der "normale" Arbeiter. Aber keiner verbietet dir, dich an einer Uni einzuschreiben oder irgendetwas zu unternehmen, das deinen Geist erweitert. Im Endeffekt muss das jeder selbst wissen, was er mit sich und seiner freien Zeit anfängt.

 

[box type="info" size="large"]"Müssen aufpassen, dass es nicht zum großen Knall kommt"[/box]

Wenn wir schon bei Fußballer-Klischees sind: Warum sprechen die Spieler in Interviews fast nur noch in Floskeln?

Mir ist das mittlerweile auch alles etwas zu aalglatt geworden. Aber das ist ein schmaler Grat. Einerseits wollen die Leute keine Floskeln mehr hören, andererseits ist der Aufschrei dann auch immer groß, wenn einer wie Per Mertesacker zum Beispiel, dann mal seine ehrliche Meinung sagt. Es ist aber auch hier nicht verboten seine Gefühle oder die ehrliche Meinung zu einem Spiel zu äußern, ohne andauernd drei Euro ins Phrasenschwein einzahlen zu müssen. Natürlich kannst du auch nicht zu jederzeit deine ehrliche Meinung sagen. Wer was anderes behauptet, der lügt. Manchmal ist es wichtig die Mannschaft zu schützen und nicht noch draufzuhauen.

Wechseln wir mal die Sichtweisen. Euch Profis dürfte sicherlich auch manches nicht passen. Was halten Sie von Benotungen durch Journalisten?

Ein schwieriges Thema, das öfters mal für erhitzte Gemüter in der Kabine sorgt. Für mich ist das größte Problem, dass es keine einheitlichen Kriterien für eine Noten-Vergabe gibt. Bei manchen Vereinen reicht es schon gesund vom Platz herunter zu kommen, um eine gute Note zu bekommen. Bei anderen machst du einen Fehler und wirst dafür hart bestraft. Die Bewertungen sind sehr subjektiv, da sollte der jeweilige Journalist sich auch seiner Verantwortung bewusst sein. Mir fällt es da manchmal schwer gelassen zu bleiben, aber man darf das auch nicht zu nah an sich heranlassen. Man kann nun mal nicht auf alles einen Einfluss haben.

Teilen Sie die Befürchtung, dass der moderne Fußball sich immer weiter von seiner Basis entfernt?

Ja, da müssen wir glaube ich richtig aufpassen, dass es da nicht irgendwann zum großen Knall kommt. Das, was den Fußball eigentlich ausmacht, der Zusammenhalt zwischen den Fans und der Mannschaft, ist schon länger etwas abhanden gekommen. Dazu kommt das viele Geld, geleakte Informationen usw. Der Bezug zur Realität fehlt immer mehr. Ich glaube nicht, dass das in den nächsten zehn Jahren einfach so weiterläuft. Der Fan sagt sich vielleicht, okay, das da  unten auf dem Feld sind meine Farben, aber identifizieren kann ich mich damit nicht mehr. Irgendwann bleiben die Leute dann halt lieber zuhause, schauen sich das auch nicht mehr im TV an und suchen sich stattdessen irgendeine andere sinnvolle Beschäftigung. Ich hoffe dazu wird es nie kommen, aber dafür muss man natürlich auch etwas tun.

 

[box type="info" size="large"]"In den Kletterpark zu fahren reicht nicht"[/box]

Lassen Sie uns einen Spagat zu der Situation in Würzburg versuchen. Tabellarisch steht ihr im Niemandsland und besonders begeistern konnte das Team die eigenen Fans in den letzten Wochen auch nur selten. Viele befürchten eine langweilige Restsaison.

Nach oben und unten geht in der Tabelle nichts mehr – das ist richtig. Trotzdem geht es für uns darum die Saison ordentlich zu Ende zu spielen und so viele Punkte wie möglich zu holen. Ich brauche auch keinem erzählen, dass es auch für uns Spieler noch um Geld geht. Wir spielen auch um Prämien und nicht um die "goldene Ananas". Wir gehen das genauso professionell wie immer an, es gibt keinen Grund nachzulassen oder die Saison einfach mal so auslaufen zu lassen.

Zum Beginn der Saison hattet ihr als neuformierte Mannschaft große Probleme. Wurde da in Sachen Teambuilding etwas falsch gemacht?

Richtigen Teamgeist musst du dir hart erarbeiten, da reicht es nicht einfach mal in den Kletterpark zu fahren und sich gegenseitig aufzufangen. Wir hatten am Anfang 22 Spieler, die bei ihren alten Vereinen alle wichtige Rollen einnahmen, die nun hier bei den Kickers ihre Position finden mussten. Teamchemie ist immer ein Zusammenspiel von Trainer, Führungsspieler und einer Mannschaft mit all seinen verschiedenen Charakteren. Auch eine Hierarchie kristallisiert sich heutzutage nur noch durch Leistung heraus. Die jungen Spieler interessiert es nicht, ob du irgendwo mal 200 Spiele gemacht hast. Was den Teamgeist am meisten stärkt, sind schlichtweg Erfolgserlebnisse. Wir haben bei unserer Siegesserie im Herbst gemerkt, dass es nur als Team voran geht. Wenn du auf dem Platz merkst "heute sind wir als Truppe nicht zu schlagen", schweißt das unglaublich zusammen. Andersherum ist es so, wenn es nicht läuft, langt manchmal ein Schnipsen und alle rennen in verschiedene Richtungen. Und dann stell dich mal in die Mitte und versuche alle wieder einzufangen…

Wie gefällt es ihnen der "Alterspräsident" der Rothosen zu sein?

Bei meiner vorherigen Situation in Bielefeld gehörte ich schon zu den erfahreneren Spielern, aber das hier ist nochmal extremer. "Wolle" (Wolfgang Hesl; Anm. d. Red.) und ich sind die einzigen beiden Spieler über 30. Von mir erwartet man, gewisse Dinge im Team zu regeln und gewisse Ströme auch rechtzeitig zu erkennen. Dafür wurde ich geholt. Natürlich ist es nicht immer ganz einfach sich in die junge Generation an Spielern reinzuversetzen. Mir wurden damals noch ganz andere Werte vermittelt. Aber es ist eine sehr interessante, verantwortungsvolle und spannende Aufgabe.

Wie lange wollen Sie das alles noch machen?

Hoffentlich noch lange! Klar, mit 31 braucht man bei der Regeneration schonmal etwas länger. Aber ich stehe jetzt nicht früh auf und habe Muskelkater. Ich möchte noch so lange es geht Fußball spielen. Das ist einfach das, was ich am besten kann.

   
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