Saisonvorschau VfL: Verfolger oder schleichender Absturz?

evor die 3. Liga am 21. Juli in die neue Saison startet, blickt liga3-online.de auf die 20 Drittligisten und schätzt die Chancen der Teams ein. In der heutigen Ausgabe werfen wir einen Blick auf den VfL Osnabrück – im letzten Jahr hatte er nach einer guten Hinrunde frühzeitig die Chancen auf den Aufstieg verspielt. Wird es in diesem Jahr möglich sein, bis zum Ende der Spielzeit um die 2. Bundesliga mitzuspielen?

So lief die Vorbereitung:

Über die bisherige Vorbereitung beim VfL Osnabrück lässt sich getrost der Mantel des Schweigens hüllen. Nun gut, die üblichen hohen Erfolge über Amateurvereine wie die Sportfreunde Lechtingen (8:0) und Brukteria Dreierwalde (12:1) fuhren auch die Lila-Weißen ein – taten sich aber gegen den VfR Voxtrup (3:1) mit dem Toreschießen schon schwerer. Schlimm geriet die Ausbeute danach: Sowohl gegen den FC St. Pauli als auch gegen die West-Regionalligisten SC Wiedenbrück und Borussia Dortmund II ging der VfL mit 0:3 unter – herbe Klatschen, selbst für Testspiele deutlich zu hoch. Trainer Enochs sprach anschließend von einer prekären Situation.

Die Generalprobe findet am kommenden Wochenende gegen den Bundesligisten Werder Bremen statt. Verletzungsbedingte Ausfälle gab es bis auf Marc Heider nicht, auch Marius Gersbeck ist zurück – bei Savran wird es unterdessen noch ein wenig dauern. Apropos Heider: Auch die Nachwirkungen des Manipulationsverdachtes sind an der Bremer Brücke spürbar. Laut der "Neuen Osnabrücker Zeitung" wusste offenbar die ganze Mannschaft in Form einer WhatsApp-Gruppe von den Machenschaften des ehemaligen Spielers Tobias Willers, keiner aber suchte vor der Austragung des Spiels gegen den SC Paderborn den Weg an die Öffentlichkeit. Dieses Verschweigen hat das Team in Fankreisen einiges an Kredit gekostet.

Transferperiode

Zugänge Abgänge
Tim Danneberg (Chemnitzer FC) Tobias Willers (unbekannt)
Tim Paterok (SV Rödinghausen) Addy-Waku Menga (BSV Rehden)
Christian Bickel (Leihe/SC Paderborn) Anthony Syhre (Würzburger Kickers)
Furkan Zorba (Eintracht Frankfurt U19) Frank Lehmann (SV Elversberg)
Marcel Ruschmeier (eigene U19) Michael Hohnstedt (SF Lotte)
Mohamed El-Bouazzati (Borussia Dortmund II)
Kemal Rüzgar (Fortuna Düsseldorf)

Wer soll noch kommen

Bisher hat sich der VfL Osnabrück auf dem Transfermarkt sehr zurückgehalten. Lediglich von Christian Bickel und Tim Danneberg kann erwartet werden, dass sie sofort um Startplätze mitmischen – ob sie zu Führungsspielern werden, ist noch abzuwarten. Kommen sollte in jedem Fall noch ein Offensivmann: Der Verbleib von Otschie Wriedt ist fraglich, weil Zweitligisten anklopfen. Ob ein 32-jähriger Halil Savran nach einem verlorenen Jahr sofort zu alter Stärke zurückfindet, ist ebenso offen. Robert Kristo konnte derweil noch nicht überzeugen.

Weiterhin verfügt Osnabrück im Defensivzentrum aktuell nur über wenig Spielraum. Sollte ein erfahrener Mann wie Marcel Appiah ausfallen, entsteht nach aktuellem Stand rascher Bedarf in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld, sollte sich Christan Groß in die Viererkette zurückziehen. Mit 21 Feldspielern, davon einigen Perspektivspielern im Alter von 18 bis 19 Jahren, darf sich der VfL ohnehin in der neuen Spielzeit nur wenige langfristige Ausfälle leisten.

Auf diesen Spieler sollte man achten: Nazim Sangaré

Kein Neuzugang, sondern ein bewährter Spieler rückt in der kommenden Spielzeit in den Fokus: Nazim Sangaré war schon in der abgelaufenen Saison immer wieder als eine positive Erscheinung des VfL Osnabrück genannt worden, absolvierte 32 Spiele und steuerte fünf Torbeteiligungen bei. Als Rechtsverteidiger oder -Mittelfeldspieler mit mächtigem Offensivdrang dürfte er auch in den kommenden Monaten gesetzt sein und sich weiter in den Fokus spielen. Da sein Vertrag am Ende der Saison ausläuft, wird sich Osnabrück bei einer weiteren erfolgreichen Spielzeit mächtig strecken müssen, um sich gegen zahlungskräftigere Kontrahenten durchsetzen zu können.

AufstellungOsnabrück

Stärken und Schwächen

Der VfL Osnabrück ist in den letzten Jahren stets über den Zusammenhalt und stark über die Emotionalität gekommen. Vor allem in den Heimspielen wuchs das Team durch die Unterstützung an der engen und stimmungsvollen Bremer Brücke regelmäßig über sich hinaus und kompensierte manche taktischen Mängel durch vollen Einsatz. Zu oft aber wurde deutlich, dass der VfL von spielerisch cleverer auftretenden Teams dominiert werden kann – speziell in der Rückserie. Hier muss auch Trainer Joe Enochs weiter an der Mannschaft arbeiten, sie nicht nur in ein taktisches Korsett zwängen. Möglicherweise kann Tim Danneberg als Ballverteiler im Mittelfeld die optische Überlegenheit zwischen den Strafräumen erhöhen, die in einem 4-4-2 mit zwei Sechsern logischerweise nur selten ausgestrahlt werden kann.

Stark verbleibt die Offensive durch eine hohe Variabilität auf den Flügeln und offensiv ausgerichteten Verteidigern. Bleibt Wriedt zusätzlich an Bord, muss sich Osnabrück in der Offensive im Normalfall keine großen Sorgen machen.

Die Erwartungen der Fans

Die Stimmung im VfL-Umfeld ist schwierig wie selten einzuschätzen. Der Manipulationsverdacht, von dem offenbar alle Spieler des letztjährigen Kaders Bescheid wussten, wirkt nach wie vor als Stimmungskiller – längst nicht jeder kann sich mehr mit den eigenen Profis identifizieren. Zudem setzte es einige heftige Pleiten in der Vorbereitung, die verdaut werden müssen. Ein weiteres Jahr im Aufstiegskampf wird nach aktuellem Stand nicht erwartet, eher das Abrutschen ins Mittelfeld befürchtet. Ob das traditionell mit hohen Erwartungen erscheinende Osnabrücker Publikum dies auf Dauer akzeptiert, bleibt abzuwarten.

Fazit und Prognose

Der VfL Osnabrück geht in sein mittlerweile siebtes Jahr in der 3. Liga – eigentlich sollte es doch nur ein Ausrutscher sein. Aber, und das ist die traurige Realität: Finanziell und sportlich ist der VfL aktuell nur noch gehobenes Mittelmaß, nicht mehr und nicht weniger. Nichtsdestotrotz ist in einem außergewöhnlichen Jahr in dieser Spielklasse die Rückkehr in die 2. Bundesliga jederzeit möglich, die Vorzeichen stehen in der Saison 2017/18 aber schlecht. Wenige Transfers, eine schlechte Vorbereitung sowie allgemeine Unruhe im Umfeld könnten den Saisonstart negativ beeinflussen – und zu allem Überfluss ist auch der Verkauf vom eigenen Tafelsilber in Form von Wriedt noch nicht vom Tisch. Ökonomisch wäre es ein logischer Schritt, sportlich aber wohl endgültig ein Zeichen, dass in Osnabrück aktuell nicht mehr als Mittelfeld möglich ist. Wir prognostizieren einen Platz im unteren Abschnitt der oberen Tabellenhälfte.

   
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