Energie Cottbus: Die Chronik eines Absturzes

Vier Tage alt ist der Abstieg des FC Energie Cottbus in die Regionalliga Nordost mittlerweile – und so richtig begreifen konnte man das Ausmaß dieser verheerenden Entwicklung bisher wohl noch nicht. "Es fühlt sich dreckig und scheiße an", sagte Trainer Claus-Dieter Wollitz am Mittwoch. Der Traditionsverein aus der Lausitz muss in naher Zukunft ganz kleine Brötchen backen, wie konnte das geschehen? Ein Rückblick.

Mit Krämers Entlassung ging es los…

Es ist die Summe einer rundum katastrophalen Saison, die mit ganz anderen Ansprüchen gestartet worden war. Erinnert sich noch jemand an die ersten beiden Spieltage? Der FCE fuhr zwei souveräne 2:0-Erfolge über den Halleschen FC sowie auswärts bei Werder Bremen II ein und grüßte allein von der Tabellenspitze, ohne Gegentor und Punktverlust. Da träumte man noch vom Aufstieg – es sollte sich alles gegenteilig entwickeln. Acht Runden später stand man weiterhin mit nur zwei Erfolgen dar, war vom Spitzenreiter zum Abstiegskandidaten durchgereicht worden. Die 1:2-Pleite gegen Kiel, sie war die letzte Begegnung in der Amtszeit von Stefan Krämer. Vielleicht war es im Nachhinein betrachtet der größte Fehler, ihn gehen zu lassen: Statt Cottbus rettete Krämer im Jahr 2016 seinen neuen Verein Rot-Weiß Erfurt, und das mit einer bemerkenswerten Punktebilanz. Stattdessen kam Energie-Urgestein Vasile Miriuta und ließ zu Beginn positive Tendenzen erahnen.

Von einer trügerischen Serie zu Auflösungserscheinungen

Denn Energie Cottbus baute eine unfassbare Serie ohne Niederlage auf – nur trübte dieser Schein gewaltig, denn von 13 ungeschlagenen Spielen in Folge wurden allein zehn mit einer Punkteteilung beendet. Das klang gut, entsprach aber lediglich 19 Zählern, ein Punkteschnitt von unter 1,5 im angesprochenen Zeitraum. Das reichte nicht, um sich nachhaltig zu befreien. Niederlagen gegen die direkte Konkurrenz aus Stuttgart, Aalen oder Rostock schmerzten doppelt und obendrein machte sich ein Manko bemerkbar, das sich als fatal erweisen sollte: Die Harmlosigkeit in der Offensive, die Miriuta trotz nominell starker Leute wie Patrick Breitkreuz, Richard Sukuta-Pasu oder Sven Michel – dieser fand nach seinem Syndesmosebandriss im Saisonverlauf nie wirklich zu alter Form zurück – nicht erfolgreich bekämpfen konnte. Plötzlich zeigten sich Auflösungserscheinungen, etwa beim 0:4 in Chemnitz oder dem 0:3 in Münster. Energie Cottbus war am Boden, Miriuta musste seinen Hut nehmen. Das war überfällig.

Pele Wollitz kam (vielleicht) zu spät

Der letzte Ausweg hieß dann Pele Wollitz. Es brauchte einen echten Feuerwehrmann, der keine lange Anlaufzeit braucht, das stand fest. Und Wollitz kam – und musste mit dem 0:5 gegen Sonnenhof Großaspach eine eiskalte Dusche hinnehmen. Doch er kämpfte, er motivierte seine Mannen und die ganze Lausitz und brachte Energie Cottbus tatsächlich in eine hervorragende Ausgangsposition vor dem abschließenden Heimspiel. Dass sich ausgerechnet dort die über die gesamte Spielzeit chronische Heimschwäche abermals offenbarte, wirkt wie ein Spiegel auf die Abstiegssaison: Alle letzten vier Begegnungen im Stadion der Freundschaft wurden verloren, insgesamt belegt der FCE mit 15 Punkten aus 19 Partien den letzten Platz in der Heimtabelle.

Wiederaufstieg gleicht durch die Relegation einem Glücksspiel

Keine Frage: Mit 41 Punkten abzusteigen, das ist auch in der 3. Liga eine seltene Angelegenheit. Wer aber nach 38 Spielen unter dem Strich steht, darf sich auch nicht beschweren. Selbst das viel zitierte Pech mit den Entscheidungen des Schiedsrichters hatte sich im Saisonfinale umgekehrt, Cottbus profitierte mehrmals – wusste diesen Vorteil aber nicht zu nutzen. Nun ist Claus-Dieter Wollitz gefordert, Energie Cottbus irgendwie durch das Nadelöhr Regionalliga zu bringen. "Die Saison 2016/2017 wird kein Zuckerschlecken. Der FC Energie ist in jedem Spiel Favorit, jeder Gegner wird hochmotiviert sein gegen Cottbus und das Duell wie ein Pokalspiel angehen. Da braucht man viel Mentalität, eine physisch und psychisch starke Mannschaft, die keine Luft ranlässt", sagte Wollitz am Mittwoch. Die Konkurrenz ist mit Traditionsvereinen wie dem SV Babelsberg, Carl Zeiss Jena oder eventuell sogar weiterhin dem FSV Zwickau groß, zudem dürfte sich RB Leipzig II weiter verstärken und ihre Reserve mit aller Macht und den nötigen finanziellen Mitteln in Richtung 3. Liga bringen wollen. Der Weg zurück in den Profifußball für das Aushängeschild der Lausitz, er wird schwer – und kann mehrere Jahre dauern, darauf müssen sich die Fans des FC Energie wohl oder übel einstellen. Ob Wollitz bleibt, soll sich "Anfang nächster Woche" entscheiden. Zuletzt ging die Tendenz aber Richtung Verbleib – und damit auch Richtung Neuanfang.

   
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