Adler lassen Hansa-Kogge auf Grund laufen

Als am vergangenen Samstag der Preußenbus um 17 Uhr die DKB-Arena in Richtung Münsterland verließ, gab es einen Grund zu feiern – jedoch nur für das Gästeteam. „Atemlos durch die Nacht“ und mit Helene Fischer auf den Ohren startete der Preußentross seine fünfstündige fröhliche Heimfahrt. Nur einer feierte im Stillen und zeigte sich bei den vier Toren seiner Jungs reglos auf der Gästebank – Torwarttrainer Alex Ogrinc. „Hansa ist immer noch im Herzen und ich habe hier eine wundervolle Zeit gehabt. Das hat etwas mit Respekt zu tun“, sagte der 45-Jährige nach der Partie. Mit dem 4:2-Erfolg in Rostock verabschiedeten sich die Adlerträger nun endgültig vom Abstiegskampf und brachten gleichzeitig die Kogge in große Seenot.

Eklatante Heimschwäche

Seit nunmehr vier Monaten wartet man sehnlichst im weiß-blauen Rostock auf einen dreifachen Punktgewinn. Man muss schon tief in der Erinnerung graben, um sich den damaligen 1:0-Erfolg gegen die Elversberger wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es war am 14.12.2013. Sieben Heimpartien sind bis dato vergangen, in denen die Hanseaten von 21 möglichen nur zwei Punkte holen konnten. Hinzu kommt die miserable 1:2-Heimschlappe im Landespokal gegen den Oberligisten aus Neubrandenburg. In der Heimtabelle belegt Hansa mit insgesamt zwanzig Punkten aus siebzehn Spielen Platz neunzehn – Abstiegsrang! Wer gegen Münster auf den angestrebten Befreiungsschlag gehofft hatte, sah sich schon nach 22 Minuten getäuscht. In einer langen Phase des Abtastens gelang den Preußen der zu dieser Zeit überraschende Führungstreffer. Die erste richtige Chance für Münster verwandelte Soufian Benyamina mit seinem dritten Saisontor. Wie schon unter der Woche im Training perfekt einstudiert, brachte Benjamin Siegerts Pass in den Rücken der Rostocker Abwehr, die Hanseaten ins Hintertreffen. Wieder ein Gegentor. Mittlerweile fast Standard für den leidgeplagten Rostocker Fan. Zugute halten konnte man dem Team um Interimscoach Robert Roelofsen, dass man sich durch den Rückstand nicht entmutigen ließ. In der 38. Minute war es Halil Savran, der mit seinem achten Saisontor frei im Fünfmeterraum einköpfen konnte. Etwas Hoffnung und Zuversicht keimte auf, jedoch ohne Ambitionen und Gedanken an einen möglichen Sieg. Zu sehr war man in den vergangenen Wochen enttäuscht worden.

Standards sorgen für Spielentscheidung

Der anschließende Pausentee schien den Gästen aus Münster weiter Auftrieb zu geben. Innerhalb von zehn Minuten konnten die Adlerträger ihre Führung auf 3:1 ausbauen. Und wieder rieb sich der weiß-blaue Fan im Stadionrund die Augen, war das 3:1 doch ein Abbild des zweiten Führungstreffers der Gäste: Ecke Dennis Grote, Kopfball, Tor. Perfekt einstudiert. Hansa chancenlos, da die komplette Zuordnung fehlte. Ein abgefälschter Schuss von Julian Jakobs ins Tor von Gästekeeper Daniel Masuch ließ drei Minuten später Hoffnung aufkeimen. Diese wurde noch größer, als Dennis Grote im Rostocker Strafraum wegen absichtlichen Handspiels die Gelb-Rote Karte sah und der Schiedsrichter berechtigt auf den Elfmeterpunkt zeigte. Wieder war es Halil Savran, der wie im vergangenen Spiel in Halle, sich den Ball schnappte und Verantwortung übernahm – und scheiterte. Ein harmloser Schuss ins linke untere Eck ließ alle Träume in den Händen von Torwart Daniel Masuch platzen. Spätestens jetzt war den 6.500 Fans in der DKB-Arena klar, dass es wieder mal nichts wird mit einem Heimsieg. „Wir wollen euch kämpfen sehen“ und „Wir haben die Schnauze voll“, tönte es aus zahlreichen Mündern. Der Ex-Rostocker Kevin Schöneberg besiegelte mit dem vierten Preußentor die erneute Heimschlappe. Und wieder einmal bitter für alle Rostocker Fans, die Spieltag für Spieltag im heimischen Stadion die Gästefans mit ihrem Team feiern sehen müssen.

Quo vadis Hansa?

War man Anfang des Jahres noch zuversichtlich, dass man zumindest am Relegationsplatz schnuppern kann, sinkt die Kogge nun Spieltag für Spieltag in größere Untiefen. Zudem verhandelt am Donnerstag das DFB-Sportgericht gleich sieben Vorkommnisse aus den vergangenen Partien der Hanseaten. Niemand möchte damit rechnen, aber schlimmstenfalls droht ein Punktabzug. Keine beruhigenden Nachrichten wenn doch der sportliche Erfolg seit Monaten auf der Strecke bleibt. Die Nerven liegen blank im Rostocker Umfeld. Die sehr gereizte Reaktion von Coach Robert Roelofsen auf einige unangenehme Zwischenrufe der Fans nach der Partie spricht auch Bände. Konfrontiert mit dieser Situation klingt sein Statement „Man muss nicht alles negativ nehmen. Fußball dauert 90 Minuten“ beinahe wie ein Fausthieb. Ist man doch seit Monaten nicht mehr in der Lage ein halbwegs ambitioniertes Spiel über die gesamte Spielzeit zu zeigen. Jegliches Selbstvertrauen scheint abhanden gekommen, individuelles Unvermögen paart sich mit schlechtem Zweikampfverhalten. Zudem fehlt eine Person auf dem Platz, die die eigene Mannschaft mitreißt, sie mitträgt – jemand der Zeichen setzt.
Spätestens mit dem eingespielten Trailer auf der Anzeigetafel der DKB-Arena zu Spielbeginn erinnerte sich nahezu jeder Fan wieder an die glorreichen Erfolgszeiten. Damals als die Puhdys-Hymne inbrünstig mitgesungen wurde, man in der 1. Liga tollen Fußball zeigte und das Stadion ausverkauft war. Auch das war mal Hansa. Angekommen in der weiß-blauen Realität von 2014 wünscht man sich nur noch eines: Lust und Leidenschaft auf dem Platz, die dann die erhofften Siege nach sich ziehen.

FOTO: Sebastian Ahrens / rostock-fotos.de

   
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